BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4074 21. Wahlperiode 22.04.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 14.04.16 und Antwort des Senats Betr.: Datei AURELIA des LKA 7 Hamburg Nicht nur zu Sportfans wird beim LKA Hamburg eine Personendatenbank geführt, sondern auch zu anderen Gruppen und Themengebieten. Die Datei „AURELIA“ wird beim LKA 7 der Polizei Hamburg (Staatsschutz) geführt und dient „der Intensivierung der Verfolgung politischer motivierter extremistischer Kriminalität und der vorbeugenden Bekämpfung extremistischer /terroristischer Straftaten aus den Bereichen Rechtsextremismus/Fremdenfeindlichkeit und Linksextremismus“ (so das LKA in der Beantwortung eines Auskunftsersuchens einer dort gespeicherten Person). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Seit wann genau besteht die Datei AURELIA? 2. Inwiefern gab es einen konkreten Anlass oder einen Grund für ihre Einrichtung ? Die Datei wurde im Jahr 1993 aus Anlass der fremdenfeindlichen Anschläge in Solingen und Mölln eingerichtet. Ab Februar 1999 wurde die Datei auf die Bereiche „Linksextremismus “ und „politisch motivierte Ausländerkriminalität“ erweitert und erhielt den Namen AURELIA. Am 24. September 2001 wurde die Datei AURELIA in eine CRIME- Anwendung überführt. 3. Wie viele Personen sind in der Datei AURELIA jeweils zu den Themenbereichen Rechtsextremismus/Fremdenfeindlichkeit und Linksextremismus eingetragen? Derzeit sind 3.371 Personen gespeichert. Hinsichtlich einer genauen Phänomenzuordnung wäre eine Sonderauswertung aller gespeicherten Personendaten erforderlich . Dies ist in der für die Beantwortung einer Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 4. Gibt es weitere Aufteilungen nach Themengruppen oder anderen Kriterien ? Falls ja, schlüsseln Sie bitte die Anzahl der Personen danach auf. In der Datei AURELIA sind derzeit 48 Arbeitsbereiche hinterlegt, denen Personendaten zugeordnet sind. Um eine Aussage zum Mengengerüst zu den in den 48 Arbeitsbereichen gespeicherten Personen zu treffen, wäre eine Sonderauswertung aller vorliegenden Personendaten erforderlich. Im Übrigen wird auf die Antwort zu 3. verwiesen . Drucksache 21/4074 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 5. Gibt es eine Verfahrensbeschreibung zur Einrichtung der Datei AURE- LIA? Falls eine Verfahrensbeschreibung existiert, bitte ich um Überlassung derselben. 6. Auf welcher Rechtsgrundlage erfolgt(e) die Einrichtung beziehungsweise das Führen der Datei? 7. Gibt es eine Anordnung zur Einrichtung der Datei? Wenn ja, bitte ich um Überlassung derselben. Bei der Datei AURELIA handelt es sich um eine auf Grundlage von § 483 Strafprozessordnung (StPO) und § 16 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG) errichtete Datei, in welcher personenbezogene Daten automatisiert verarbeitet werden. Somit existiert keine Verfahrensbeschreibung gemäß § 9 des Hamburgischen Datenschutzgesetzes (HmbDSG), sondern eine Errichtungsanordnung nach § 26 PolDVG. Für Verfahrensbeschreibungen hat der Landesgesetzgeber im HmbDSG im Einklang mit EU-Recht bestimmt, dass diese Unterlagen für automatisierte Verfahren der Polizei nicht dem Einsichtsrecht der Öffentlichkeit unterliegen. Gemäß § 9 Absatz 3 Satz 3 HmbDSG in Verbindung mit § 23 Absatz 6 Satz 1 HmbDSG sind die Verfahrensbeschreibungen unter anderem der Polizei von dem grundsätzlich bestehenden Einsichtsrecht jeder Person nach § 9 Absatz 3 Satz 2 HmbDSG ausgenommen. Dies gilt in gleicher Weise für die Errichtungsanordnungen nach § 26 PolDVG, die vom Gesetzgeber als polizeilicher Unterfall der Verfahrensbeschreibung betrachtet werden. Da somit Verfahrensbeschreibungen und Errichtungsanordnungen zu automatisierten Dateien der Polizei vor einer Einsichtnahme durch die Öffentlichkeit geschützt sind, Parlamentarische Anfragen und Antworten des Senats jedoch veröffentlicht werden, wird davon abgesehen, die Errichtungsanordnung zur Datei AURELIA beizufügen. 8. Inwiefern hatte der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit vor der Einrichtung Gelegenheit zur Stellungnahme? Wenn ja, bitte ich auch hier um Überlassung dieser Stellungnahme. Wenn nein, warum nicht? Der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit (HmbBfDI) erhielt in der Vergangenheit mehrfach Gelegenheit zur Stellungnahme zur Errichtung beziehungsweise Änderung der Datei AURELIA. Zu der aktuellen Version der Errichtungsanordnung hat er mit Datum vom 16. September 2014 mitgeteilt, dass keine datenschutzrechtlichen Bedenken bestehen. 9. Inwiefern bestehen Verknüpfungen der Datei AURELIA zu anderen (Verbund-)Dateien? Unter Verknüpfung wird hier die Verbindung von Dateien zum Zwecke der automatischen Datenübertragung verstanden. Es besteht keine automatisierte Verknüpfung der Datei AURELIA mit anderen Dateien. 10. Wie definiert das LKA 7 politisch motivierte extremistische beziehungsweise terroristische Straftaten? 11. Wo ist der Unterschied zwischen politisch motivierter Kriminalität und extremistisch politisch motivierter Kriminalität? Eine Einordnung von politisch motivierter Kriminalität erfolgt in den Phänomenbereichen „rechts“, „links“, „Ausländer“ und „nicht zuzuordnen“. Grundlage hierfür ist das für die Länderpolizeien und die Bundespolizei verbindlich anzuwendende „Definitionssystem Politisch motivierte Kriminalität“. Der politisch motivierten Kriminalität werden hiernach Straftaten dann zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat und/oder der Einstellung des Täters Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie - nach verständiger Betrachtung einer politisch „rechten“ oder „linken“ Orientierung zuzurechnen sind, ohne dass die Tat bereits die Außerkraftsetzung oder Abschaf- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4074 3 fung eines Elementes der freiheitlich demokratischen Grundordnung (Extremismus ) zum Ziel haben muss, - sich gegen eine Person wegen ihrer politischen Einstellung, Nationalität, Volkszugehörigkeit , Rasse, Hautfarbe, Religion, Weltanschauung, Herkunft oder aufgrund ihres äußeren Erscheinungsbildes, ihrer Behinderung, ihrer sexuellen Orientierung oder ihres gesellschaftlichen Status gerichtet sind und die Tathandlung damit im Kausalzusammenhang steht beziehungsweise sich in diesem Zusammenhang gegen eine Institution/Sache oder ein Objekt richtet (Hasskriminalität) oder - dass sie den demokratischen Willensbildungsprozess beeinflussen sollen, der Erreichung oder Verhinderung politischer Ziele dienen oder sich gegen die Realisierung politischer Entscheidungen richten. Politisch motivierter Ausländerkriminalität werden Straftaten zugeordnet, wenn in Würdigung der Umstände der Tat oder der Erkenntnisse über den Täter Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die durch eine nicht deutsche Herkunft geprägte Einstellung des Täters entscheidend für die Tatbegehung war, insbesondere wenn sie darauf gerichtet sind, Verhältnisse und Entwicklungen im In- und Ausland oder aus dem Ausland Verhältnisse und Entwicklungen in der Bundesrepublik Deutschland zu beeinflussen . Straftaten der „politisch motivierten Ausländerkriminalität“ können auch durch deutsche Staatsangehörige begangen werden. Der extremistischen Kriminalität werden Straftaten zugeordnet, bei denen tatsächliche Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sie gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung gerichtet sind. Ebenfalls hinzugerechnet werden Straftaten, die durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden oder sich gegen die Völkerverständigung richten. In Hamburg ist das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) originär für die Feststellung extremistischer Hintergründe einer Straftat oder einer Person zuständig. 12. Welche Daten eingetragener Personen werden in der Datei AURELIA gespeichert? Die Offenlegung von Einzelkriterien der Datei AURELIA berührt die polizeiliche Taktik und wäre dazu geeignet, dass sich von polizeilichen Maßnahmen betroffene Personen auf die polizeilichen Vorgehensweisen einstellen könnten. Zur Aufrechterhaltung der Funktionsfähigkeit der Polizei im Bereich der Bekämpfung der PMK wird daher von einer Beantwortung abgesehen. 13. Inwiefern werden sogenannte Kontakt- und Begleitperson gespeicherter Personen erfasst und gespeichert? Mit welchen Daten? Daten von sogenannten Kontakt- und Begleitpersonen werden gemäß § 1 Absatz 6 PolDVG erhoben und gemäß § 16 Absatz 3 PolDVG erfasst. Darüber hinaus siehe Antwort zu 12. 14. Wie sind die Kategorien definiert, in die die eingetragenen Personen in der Datei AURELIA unterteilt werden? Die Kategorien sind derzeit wie folgt definiert: - Beschuldigte - Verdächtige - Kontakt-/Begleitpersonen - Gefährdete Person - Potenzielle Täter - Gefährder - Geschädigter 15. Zu wie vielen gespeicherten Personen ist keine einschlägige rechtskräftige Verurteilung gespeichert? Drucksache 21/4074 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Siehe Antwort zu 3. 16. Wie viele der in der Datei gespeicherten Personen sind minderjährig? Mit Stand 15. April 2016 konnten 81 Personendatensätze von Minderjährigen festgestellt werden. Darunter befinden sich keine Kinder.