BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4128 21. Wahlperiode 26.04.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 19.04.16 und Antwort des Senats Betr.: Entwicklung der gerichtlich bestellten Betreuungen in Hamburg Die rechtliche Betreuung ist ein Rechtsinstitut, durch das Volljährige Unterstützung , Hilfe und Schutz erhalten sollen und die bestellten Betreuer unter gerichtlicher Aufsicht die Vertretungsmacht nach außen erhalten; im Innenverhältnis zur betreuten Person sind sie zur Beachtung des Willens der betreuten Person verpflichtet. Gemäß § 1896 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) wird ein Betreuer bestellt, wenn eine volljährige Person aufgrund einer Erkrankung oder Behinderung ihre eigenen Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht besorgen kann und eine Betreuung erforderlich ist. Der Betreuer hat sodann die Aufgabe, im Rahmen seines Aufgabenkreises und unter Berücksichtigung der Wünsche des Betreuten die Angelegenheiten des Betreuten zu besorgen (§ 1901 BGB). Für Betreuungen stehen Berufsbetreuer, Angestellte aus Betreuungsvereinen und ehrenamtliche Betreuer zur Verfügung. Nach Auskunft der Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege sind die Vergütungssätze seit dem Jahr 2005 nicht mehr angehoben worden; trotz allgemeiner Preissteigerungen und Tariferhöhungen. In Hamburg soll es laut einem Bericht des „Hamburger Abendblatts“ aus dem vergangenen Dezember rund 24.000 Betreuungsverfahren gegeben haben; im Jahr 2014 seien bei den Gerichten 8.700 neue Anträge auf Betreuungen hilfebedürftiger Menschen gestellt worden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie hat sich die Anzahl der gerichtlich bestellten Betreuungen in Hamburg seit dem Jahr 2010 jährlich entwickelt? 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Bestand laufende Betreuungen 23.836 24.358 25.187 24.845 25.789 26.312 2. Wie hat sich die Anzahl der neu gestellten Anträge auf Betreuungen gemäß § 1896 BGB in Hamburg seit dem Jahr 2010 jährlich entwickelt? 2010 2011 2012 2013 2014 2015 im Laufe des Jahres anhängig gewordene Betreuungen 8.354 8.171 8.457 8.439 8.673 8.737 3. Wie hat sich die Anzahl der Betreuer, differenziert nach Berufsbetreuern, Vereinsbetreuern und ehrenamtlichen Betreuern seit dem Jahr 2010 jährlich entwickelt? Die Daten werden in der erbetenen Form statistisch nicht erhoben. Datenbankauswertungen aus dem abgelösten Vorgangsverwaltungssystem MEGA-Vormundschaft und Drucksache 21/4128 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 dem seit 2014 eingesetzten System forumSTAR führen nicht zu vergleichbaren Ergebnissen. Diese Diskrepanz ist in erster Linie begründet durch eine unterschiedliche Erfassungs- und Auswertungssystematik. In MEGA, so ist nachträglich festgestellt worden, konnten nur die neuen Verfahren eines Jahres ausgewertet werden und nicht die laufenden Betreuungen. Deshalb ist ein Vergleich mit den Angaben in der Drs. 20/9682 nicht möglich. Auch bei den folgenden Daten muss darauf hingewiesen werden , dass es sich nicht um gesicherte Daten handeln kann, da forumStar nicht speziell für solche Auswertungen programmiert worden ist. Die Daten für die Jahre 2014 und 2015 aus forumSTAR liegen nur jeweils für die einzelnen Stadtteilgerichte getrennt vor. Insbesondere bei den Berufsbetreuern und den Betreuungsvereinen kann nicht ausgeschlossen werden, dass sie auch in anderen Hamburger Amtsgerichten als Betreuer eingesetzt sind. Aus diesem Grund sind die Daten in der folgenden Tabelle differenziert nach den acht Hamburger Amtsgerichten ausgewiesen und es ist auf eine Summenbildung verzichtet worden. 2014 Gericht ehrenamtliche Betreuer berufsmäßige Betreuer Vereinsbetreuer Behördenbetreuer Altona 872 323 57 0 Barmbek 1.428 466 56 2 Bergedorf 590 123 33 0 Blankenese 395 167 24 0 Harburg 1.566 307 63 1 St. Georg 1.080 444 65 0 Wandsbek 828 345 60 0 Mitte 1.755 591 80 0 2015 Gericht ehrenamtliche Betreuer berufsmäßige Betreuer Vereinsbetreuer Behördenbetreuer Altona 1.000 381 59 0 Barmbek 1.565 499 63 2 Bergedorf 628 178 35 0 Blankenese 374 167 24 0 Harburg 1.570 338 61 1 St. Georg 1.170 443 73 0 Wandsbek 991 373 65 0 Mitte 2.243 660 88 1 Eine vollständige Antwort wäre nur auf der Basis einer händischen Auswertung sämtlicher anhängiger Betreuungsakten seit 2010 (rund 75.000 Akten) möglich. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Im Übrigen siehe Drs. 20/9682. 4. Welche Bedeutung misst die zuständige Behörde den Betreuungsvereinen zu? Die Arbeit der Hamburger Betreuungsvereine ist von erheblicher Bedeutung für das Hilfesystem der rechtlichen Betreuung. Mit ihren Angeboten in der sogenannten Querschnittstätigkeit leisten sie Unterstützungsarbeit für ehrenamtliche Betreuerinnen und Betreuer und Bevollmächtigte, indem sie Angebote zur Einführung, Fortbildung und zum Erfahrungsaustausch vorhalten. Sie informieren und beraten im Vorfeld einer Betreuung zu Fragen der rechtlichen Betreuung und den Vorsorgemöglichkeiten durch Vollmachten und Verfügungen. Die für Gesundheit zuständige Behörde fördert die Querschnittsarbeit der Betreuungsvereine über Zuwendungen. Ein weiterer wichtiger Bestandteil der Arbeit der Betreuungsvereine ist die Führung von Betreuungen durch Vereinsbetreuer. Vereinsbetreuer sind Angestellte des Betreuungsvereins und arbeiten somit in einem institutionellen Rahmen, der Vertretungsmöglichkeiten bietet und eine gewisse Sicherheit im Umgang mit komplexen Betreuungsfällen gewährleistet. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4128 3 5. Wie haben sich die Kosten für Betreuungen seit dem Jahr 2010 jährlich entwickelt? In welcher Höhe wurden die Kosten durchschnittlich von den Betreuten selbst getragen? Kosten für Betreuungen 2010 2011 2012 2013 2014 2015 Angaben in Euro 24.315.650 24.921.325 25.502.479 27.527.509 27.363.324 30.855.263 Über die Kosten, die die Betreuten selbst tragen, gibt es weder statistische Erhebungen noch laufen sie über die Konten des Gerichts. Vielmehr erfolgt die Erstattung direkt aus dem Vermögen der Betreuten, gegebenenfalls nach Prüfung und Genehmigung beziehungsweise Festsetzung durch das Gericht. Um die Frage beantworten zu können, wäre die Auswertung sämtlicher Betreuungsakten anhängiger und erledigter Betreuungsverfahren aus dem erfragten Zeitraum erforderlich . Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 6. Wie hat sich die Vergütung für Berufsbetreuer und Vereinsbetreuer seit dem Jahre 2005 entwickelt? Inwiefern plant die zuständige Behörde eine Anpassung der Vergütung für Berufsbetreuer und Vereinsbetreuer? Die Höhe der den selbstständigen Berufsbetreuerinnen/Berufsbetreuern zu zahlenden Vergütung richtet sich nach dem Gesetz über die Vergütung von Vormündern und Betreuern (Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz – VBVG) und ist abhängig von dem jeweiligen Stundensatz (§ 4 VBVG) und dem Stundenansatz (§ 5 VBVG). Die Regelungen in §§ 4 und 5 VBVG sind seit Inkrafttreten des Gesetzes im Jahr 2005 unverändert. Allerdings hat sich eine erhebliche Steigerung der Vergütung durch den Umstand ergeben, dass Betreuerleistungen seit dem 01.07.2013 von der Umsatzsteuer befreit sind (§ 4 Nummer 16 S. 1 lit k), Nummer 25 S. 3 lit c) UStG). Vereinsbetreuer erhalten nach § 7 Absatz 3 VBVG keine Vergütung oder Aufwendungsersatz nach dem VBVG. Stattdessen erhält der Verein eine Pauschale nach § 1 Absatz 2 VBVG in Verbindung mit §§ 4, 5 VBVG (§ 7 Absatz 1 VBVG). Vereinsbetreuer erhalten vom Verein indes eine Bezahlung als Angestellte, welche sich in der Regel nach der Tarifgruppe 9 TV-L richtet. Im Übrigen siehe Drs. 20/9682. Zur Frage der Planung einer Anpassung der Vergütung durch die zuständige Behörde ist für Berufsbetreuer auszuführen, dass es sich bei der zugrundeliegenden Regelung im VBVG um Bundesrecht handelt, eine Anpassung also eine Änderung der bundesrechtlichen Regelungen erfordert. Unter Leitung des BMJV wird derzeit ein Forschungsvorhabens zur Qualität der rechtlichen Betreuung durchgeführt, in dessen Rahmen auch eine Überprüfung des Vergütungssystems vorgesehen ist. Eine Anpassung der Vergütung von Vereinsbetreuern kann nicht durch die zuständige Behörde erfolgen, sondern durch den eine Betreuungsperson anstellenden Verein.