BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4157 21. Wahlperiode 29.04.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dennis Gladiator (CDU) vom 21.04.16 und Antwort des Senats Betr.: Beton statt Artenvielfalt am Gleisdreieck in Billwerder? Am Gleisdreieck in Billwerder an der S-Bahn-Station Mittlerer Landweg werden gegen alle fachlichen Bedenken und über die Köpfe der Anwohner hinweg auf einer Fläche von circa 8 ha Unterkünfte für die Belegung mit bis zu 4.000 Flüchtlingen und Asylbewerbern gebaut. Anwohner und politische Gremien werden vor vollendete Tatsachen gestellt und fachliche Bedenken ausgeblendet. Laut rot-grünem Senat ist „(a)us naturschutzfachlicher Sicht (…) die Fläche als geringwertig einzustufen. Es handelt sich um stark verarmtes Grünland und eingesäte Grasäcker mit nährstoffreichen Gräben“ (Drs. 21/2327). Vielfach kommen „überwiegend Ubiquisten („Allerweltsarten“) vor, sodass dieser Fläche eine geringe Wertigkeit als Lebensraum für Tiere und Pflanzen zuzuordnen ist“ (Drs. 21/2860). Im Gegensatz dazu sprechen Naturschützer von einem „Hotspot des Artenreichtums “. Dort seien Insektenarten gefunden worden, „die für Norddeutschland schon als verschollen galten“. Der Naturschutzbund Deutschland Landesverband Hamburg e.V. (NABU) meint: „Der Biotopverbund im Landschaftskorridor zwischen den Naturschutzgebieten Boberger Niederung und Reit würde erheblich durch die Baumaßnahme im Gleisdreieck beeinträchtigt. Beide Gebiete genießen europäischen Schutz und sind sehr wertvoll. Für sie ist es elementar wichtig, dass dieser Landschaftskorridor uneingeschränkt erhalten bleibt.“ Entgegen den offiziellen Behauptungen von Rot-Grün, am Gleisdreieck kommen nur „Allerweltsarten“ vor, wurde anscheinend dennoch ein ökologisches Gutachterbüro mit zwei Mitarbeitern beauftragt, am Gleisdreieck einen Amphibienzaun aufzustellen, Amphibien und Kleintiere zu sammeln, zu katalogisieren und umzusiedeln. Dabei sind angeblich mehrfach Tiere und Amphibien gefunden worden, die auf der „roten Liste“ stehen, unter anderem der Kammmolch und die Zauneidechse, die beide streng geschützt sind. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Hat die Freie und Hansestadt Hamburg ein Gutachterbüro beauftragt, Untersuchungen am Gleisdreieck vorzunehmen? Wenn ja, wann und von welcher Stelle und wie viel kostet die Beauftragung ? Wenn nein, auf welcher Grundlage beziehungsweise Genehmigung werden die Untersuchungen von einem Gutachtenbüro vorgenommen? Drucksache 21/4157 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) hat keine Gutachten in Auftrag gegeben. Notwendige naturschutzfachliche Gutachten sind wie üblich vom Vorhabenträger in Abstimmung mit der FHH beauftragt worden. In der Teilbaugenehmigung sind naturschutzrechtliche Auflagen und Hinweise einschließlich einer ökologischen Baubegleitung gefordert. Dort wurde auch festgehalten, welche Anforderungen diese hinsichtlich der speziellen Berücksichtigung von Brutvögeln, Amphibien und Reptilien erfüllen muss. 2. Warum wurde ein Amphibienzaun aufgestellt, wenn gemäß Stellungnahme zur Teilbaugenehmigung derartige Lebensräume innerhalb des Vorhabengebiets nicht vorkommen (siehe Teilbaugenehmigung B/WBZ05428/2015, Seite 104)? Es handelt sich um eine Minderungsmaßnahme zum Schutz von Kleintieren, um vermeidbare Tötungen gemäß § 44 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 5 des Gesetzes über Naturschutz und Landschaftspflege (BNatSchG) auszuschließen. 3. Welche Tiere wurden an dem Zaun in welcher Anzahl bis zum 21.4.2016 gefangen? Bitte genaue Liste mit Art, Datum und Anzahl beifügen. 4. Welche Tiere und Pflanzen wurden weiterhin von den Gutachtern im Vorhabengebiet selbst und dem Umfeld nachgewiesen? 5. Welchen Schutzstatus in Hamburg, Deutschland und nach der EU- Fauna-Flora-Habitat-Richtlinie haben die unter 3. und 4. aufgeführten Arten? Art Anzahl Schutzstatus Waldeidechse 11 Besonders geschützt nach BArtSchVO * Teichmolch 172 Besonders geschützt nach BArtSchVO Erdkröte 26 Besonders geschützt nach BArtSchVO Teichfrosch 18 Besonders geschützt nach BArtSchVO Moorfrosch 2 Streng geschützt nach BArtSchVO, FFH-RL Anhang IV Kammmolch 1 Streng geschützt nach BArtSchVO, FFH-RL Anhang IV Waldspitzmaus 2 Besonders geschützt nach BArtSchVO Zwergspitzmaus 1 Besonders geschützt nach BArtSchVO * Verordnung zum Schutz wild lebender Tier- und Pflanzenarten (BArtSchVO) 6. Gehen im Vorhabengebiet dauerhaft Lebensräume beziehungsweise Teillebensräume für diese Arten verloren? Wenn ja, welche und für welche Arten? Wenn nein, warum nicht? Es gehen (Teil-)Lebensräume von Amphibien und Vögeln verloren. Dies betrifft die landwirtschaftlich intensiv genutzten Grünlandbereiche und die darin befindlichen nährstoffreichen Gräben. 7. Wann und wo wurden die funktionsfähigen Ersatzlebensräume als Ausgleich hergestellt? Angaben bitte nach Artname, Sommer-, Winter- und Laichhabitat aufgeschlüsselt darstellen. Zur Wiederherstellung der beeinträchtigten Naturhaushaltsfunktionen und des Landschaftsbildes ist die Entwicklung von extensivem Grünland einschließlich flächendeckender Anhebung der Wasserstände auf bisher intensiv genutztem Grünland auf dem Flurstück 342 der Gemarkung Curslack im Bezirk Bergedorf auf einer Fläche von circa 7 ha vorgesehen. Aus artenschutzrechtlicher Sicht sind keine speziellen Ersatzlebensräume für einzelne Arten erforderlich, da im räumlichen Zusammenhang genügend Ausweichhabitate vorhanden sind (§ 44 Absatz 5 BNatSchG). 8. Wurden oder werden die Tiere und Pflanzen in diese hergestellten Ersatzlebensräume umgesiedelt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4157 3 Wenn nein, wohin wurden die Tiere und Pflanzen umgesiedelt? 9. Auf welcher Rechtsgrundlage werden die Tiere umgesiedelt? 10. Wer hat hierzu wann und auf welcher Rechtsgrundlage die Genehmigung erteilt? Tiere und Pflanzen werden ortsnah in das zukünftige NSG „Allermöher Wiesen“ gebracht. Für die Umsiedlung der Tiere wurde durch die Behörde für Umwelt und Energie eine Ausnahmegenehmigung nach § 45 Absatz 7 Satz 5 in Verbindung mit § 44 Absatz 1 Satz 1 und 2 BNatSchG am 2. März 2016 erteilt.