BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4158 21. Wahlperiode 29.04.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dora Heyenn (fraktionslos) vom 21.04.16 und Antwort des Senats Betr.: Nachfragen zu Drs. 21/3899: Hamburger Morbiditätsatlas und seine Umsetzung für die Bedarfsplanung Der Hamburger Morbiditätsatlas ermöglicht eine kleinräumige Bedarfsplanung . Diese setzt voraus, dass man über die Verlegung von Arztsitzen, wie die Umwandlung eines Praxissitzes in ein MVZ-Angestelltenverhältnis oder die Aufgabe eines Praxissitzes, konkrete Kenntnis hat. Nach § 75 SGB V hat die KV mit dem Sicherstellungsauftrag auch das Monopol, eine wohnortnahe und flächendeckende ambulante Versorgung der Patienten zu gewährleisten. Ziel der KV muss demnach sein, sich am Versorgungsbedarf der Patienten zu orientieren. Und hier gibt es nach dem Morbiditätsatlas Stadtteile, die durch Faktoren wie Arbeitslosenquote, SGB-II-Empfänger, Migrantenanteil und andere einen höheren Versorgungsbedarf haben. So wird von der Pressestelle des Senats vom 11.11. 2013 zum Morbiditätsatlas festgestellt: „Hamburgs Stadtteile sind in ihrer Altersstruktur und unter sozialen Gesichtspunkten sehr unterschiedlich. Deshalb soll sich die Planung insbesondere in der wohnortnahen haus- und kinderärztlichen Betreuung noch stärker an regionalen Notwendigkeiten orientieren.“ Gesundheitssenatorin Cornelia Prüfer -Storcks ließ verlauten: „Mit dem vorliegenden Gutachten können wir die nächsten Schritte einleiten, um durch eine gezielte Versorgungsplanung die Situation insbesondere für unterversorgte Stadtgebiete z verbessern.“ Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Kassenärztlichen Vereinigung Hamburg (KVH) wie folgt: 1. Da in Hamburg eine Überversorgung für alle Arztgruppen vorliegt (siehe Antwort zu Frage 3. der Drs. 21/3899), wurden in den letzten Jahren (seit 1. Juli 2013) 25 Vollzeitäquivalente als Sonderbedarfszulassung genehmigt. Mit der Antwort zu Frage 1. der Drs. 21/3899 wird eingeräumt , „dass punktuell Versorgungsengpässe auftreten könnten und dann lokale Lösungen angebracht wären“. Wäre es deshalb nicht sinnvoll , aus der einen Planungsregion der KVH mehrere Planungsregionen zu machen? Bei den im Zeitraum vom 1. Juli 2013 bis 6. April 2016 vom Zulassungsausschuss erteilten Sonderbedarfszulassungen handelt es sich ganz überwiegend um einen sogenannten qualifikationsbezogenen Sonderbedarf für bestimmte ärztliche Leistungsbereiche und Schwerpunktpraxen mit entsprechender Zusatzqualifikation (siehe Drs. 21/3899). In zwei Fällen lag ein festgestellter lokaler Sonderbedarf zugrunde (Lohbrügge/Hausärzte und Wilhelmsburg/Kinderärzte), der jeweils zu einer halben Neuanstellung in einer bereits bestehenden Arztpraxis führte. Hinweise für die Notwendigkeit einer Neueinteilung der Planungsregion lassen sich daraus nicht ableiten. Drucksache 21/4158 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 An den Sonderbedarfszulassungen wird deutlich, dass mit der Empfehlung der Landeskonferenz Versorgung, die als Anlage zum Bedarfsplan aufgenommen wurde, der zuständige Landesausschuss flexibel mit entsprechenden Maßnahmen auf Versorgungs - und/oder Verteilungsengpässe reagieren kann. 2. Wer finanziert die Sonderbedarfszulassungen und auf welcher Grundlage ? Die Finanzierung der Leistungen, die durch Ärztinnen und Ärzte mit einer Sonderbedarfszulassung erbracht werden, erfolgt aus der Gesamtvergütung. Die Gesamtvergütung wird zwischen der Kassenärztlichen Vereinigung und den Landesverbänden der Krankenkassen für die gesamte vertragsärztliche Versorgung der Versicherten mit Wohnort im Bezirk der jeweiligen Kassenärztlichen Vereinigung vereinbart (§§ 85, 87a SGB V). 3. In der Anlage zum Hamburger Bedarfsplan vom Oktober 2014 werden als Richtwerte für die hausärztliche Versorgung ein Radius von 3 Kilometern , für die kinderärztliche Versorgung von 4 Kilometer (durchschnittliche Luftlinienentfernung) festgelegt. Wurde die Erreichbarkeit für die kinderärztliche Versorgung einmal praktisch erprobt? Nach Auskunft der KVH wurden im Rahmen empirischer Datenanalysen zum Versorgungsgeschehen in Hamburg hierzu auch Stichproben gezogen und auf ihre praktische Dimension hin geprüft. 4. Inwiefern haben „die Krankenkassen und/oder die KV Hamburg in ihrer Eigenschaft als Gemeinsame Selbstverwaltung… auf exogene Ursachen “ wie zum Beispiel den Zustrom von Flüchtlingen und Flüchtlingskindern beziehungsweise -jugendlichen in der vertragsärztlichen Versorgung reagieren müssen, auch als „politische Lösung lokaler Versorgungsprobleme “? Nach Auskunft der KVH wurden in der jüngsten Zeit einige Ermächtigungen von Ärzten oder Psychotherapeuten aufgrund des Bedarfes für die Behandlung von Flüchtlingen vom Zulassungsausschuss für Ärzte und Krankenkassen in Hamburg auf der Grundlage des geltenden Rechts befürwortet. Im Übrigen siehe Drs. 21/3999. 5. Welche Instrumente und Möglichkeiten der punktuellen Nachsteuerung der Versorgung stehen der KV zur Verfügung (neben der Sonderzulassung )? Nach § 105 SGB V und nach der auf Empfehlung der Landeskonferenz Versorgung in 2015 vereinbarten Anlage zum Hamburger Bedarfsplan („Maßnahmen zur flexiblen Gestaltung der ambulanten Versorgung in Hamburg“) stehen zur Behebung und Vermeidung einer unzureichenden lokalen Versorgungssituation mehrere Instrumente und Möglichkeiten zur Verfügung (zum Beispiel finanzielle Zuschüsse, Unterstützung bei der Eröffnung einer Zweigpraxis und bei einer Praxisverlegung beziehungsweise Ablehnung einer Praxisverlegung durch den Zulassungsausschuss). Die Anlage zum Bedarfsplan ist vollständig einsehbar unter http://www.kvhh.net/kvhh/pages/index/p/ 156. 6. Mit dem seit 1. Januar 2016 in Kraft getretenen Krankenhausstrukturgesetz (KSHG) sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen zur Sicherung des Notfalldienstes entweder vertragsärztliche Notdienstpraxen (Portalpraxen ) in oder an Krankenhäuser als erste Anlaufstelle einrichten oder Notfallambulanzen der Krankenhäuser unmittelbar in den Notdienst einbinden . Der Kinderärztliche Notdienst weist in Hamburg diese Struktur auf. Die Steigerung der Behandlungszahlen in den Notfallpraxen Altona und Farmsen weisen auf Handlungsbedarf hin. Sind hier konkrete Verzahnungen ambulant/stationär vorgesehen oder gibt es lediglich Empfehlungen und wie sehen die konkreten Verzahnungen beziehungsweise Empfehlungen aus? Nach § 75 Absatz 1b SGB V sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen die vertragsärztliche Versorgung zu den sprechstundenfreien Zeiten (Notdienst) auch durch Kooperation und eine organisatorische Verknüpfung mit zugelassenen Krankenhäu- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4158 3 sern sicherstellen. Hierzu sollen sie Notdienstpraxen in oder an Krankenhäusern einrichten oder Notfallambulanzen der Krankenhäuser unmittelbar in den Notdienst einbinden . Zur Bestandsaufnahme und Einleitung geeigneter Maßnahmen werden laut KVH zurzeit Gespräche mit der Hamburger Krankenhausgesellschaft geführt. 7. Weist der Sonderbedarf an Anästhesisten, spezielle Schmerztherapie, in Anlage 1 der Drs. 21/3899 darauf hin, dass mehr ambulante Operationen durchgeführt werden? Bei ja, bitte welche Operationen werden vermehrt durchgeführt? Bei nein, weshalb liegt jeweils ein besonderer Versorgungsbedarf vor? Nein. Nach Auskunft der KVH handelt sich nicht um ambulante Operationen, sondern um die schmerztherapeutische Versorgung chronisch schmerzkranker Patientinnen und Patienten nach der Schmerztherapievereinbarung (http://www.kbv.de/media/sp/ Schmerztherapie.pdf). In dem genannten Zeitraum hat der Zulassungsausschuss für Ärzte und Krankenkassen in Hamburg mehrere Sonderbedarfszulassungen im Bereich Schmerztherapie in Hamburg erteilt, da die vorhandenen niedergelassenen Schmerztherapeutinnen und Schmerztherapeuten den zunehmenden Behandlungsbedarf nicht mehr versorgen konnten.