BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4184 21. Wahlperiode 03.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 25.04.16 und Antwort des Senats Betr.: Cyber-Salafismus Laut eines Berichts des NDR (https://www.ndr.de/nachrichten/schleswigholstein /Krieg-im-Netz-Salafisten-sind-dem-BKA-voraus,salafisten296.html) setzen Salafisten/-innen auf digitale Verschlüsselung bei ihren Internetaktivitäten , und zwar in einer Form, die den Sicherheitsbehörden die Strafverfolgung massiv erschwert. Die Salafisten/-innen sind weltweit vernetzt, führen illegale Bankkonten, verbreiten Propagandavideos, sammeln Spenden für dubiose Zwecke und entwickeln eigene Messenger für ihre Kommunikation. Selbst wenn Computer der mutmaßlichen Täter sichergestellt wurden, konnten die Sicherheitsbehörden die Daten nicht entschlüsseln, manchmal Jahre später noch nicht. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Erkenntnisse liegen dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde über sogenannte Cyber-Salafisten/-innen aus Hamburg vor? a. In wie vielen Fällen seit 2013 konnten Täter/-innen ausgemacht werden? Bitte aufschlüsseln nach Geschlecht und Alter. b. Welche Konsequenzen hatte dies für die Täter? c. Konnten Taten der „Cyber-Salafisten/-innen“ als Straftaten ausgemacht werden? Wenn nein, weshalb nicht? d. Um welche Taten handelt es sich konkret? e. Wie viele Hacker-Angriffe durch Hamburger Salafisten/-innen gab es seit 2013 und um welche Fälle handelt es sich? f. Wie stuft der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde das Potenzial der Aktivitäten ein? g. Wie viele Menschen wurden und werden seit 2013 durch verschlüsselte Internetaktivitäten erreicht und um welche Inhalte handelt es sich? h. Wie viele Menschen sind welchen „geheimen“ Aufrufen gefolgt (zum Beispiel Ausreise nach Syrien/Irak) beziehungsweise welche Summen wurden wohin transferiert und wie viele Spendengelder wurden für welche Organisationen gesammelt? Die Bezeichnung „Cyber-Salafisten“ ist weder bei der Polizei noch bei der Staatsanwaltschaft Hamburg ein regelmäßig genutzter Fachbegriff; deswegen werden Aktivitä- Drucksache 21/4184 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 ten mit „cyber-salafistischem“ Hintergrund im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg auch nicht erfasst. In MESTA wird ebenfalls nicht erfasst, ob sich ein eingetragenes Ermittlungsverfahren gegen einen Islamisten/Salafisten richtet und welches – abgesehen vom Vorliegen eines Anfangsverdachts für die registrierte Straftat – die Hauptgründe der Ermittlungen sind. Es müssten daher zumindest die in der für die Verfolgung politischer Straftaten zuständigen Abteilung geführten Ermittlungsakten händisch ausgewertet werden; deren Anzahl liegt jährlich im oberen dreistelligen Bereich. Darüber hinaus müssten gegebenenfalls auch die Verfahrensakten der für die Verfolgung spezieller Computerdelikte zuständigen Abteilung händisch ausgewertet werden; die entsprechende Anzahl betrug ausweislich der internen Controllingberichte 2013 insgesamt 1.413, 2014 insgesamt 1.644 und 2015 insgesamt 1.314 Verfahren. Die angegeben Daten stehen unter dem Vorbehalt der richtigen und vollständigen Erfassung in MESTA. Unabhängig von der Frage, ob im Einzelfall der salafistische Hintergrund eines Beschuldigten erkannt und in der Akte niedergelegt worden ist, ist eine Durchsicht, Auswertung und Aufbereitung sämtlicher dazugehöriger Akten in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Die Polizei trifft bei Bekanntwerden von gefahrenrechtlichen und/oder strafrechtlichen Sachverhalten die erforderlichen polizeilichen Maßnahmen zur Verifizierung – meistens anonymer – „nick-names“ und „accounts“, um im Internet handelnde natürliche Personen namhaft zu machen. Die Erfahrungen haben gezeigt, dass nicht offen zugängliche Inhalte und die Nutzung von ausländischen Serverstandorten die Ermittlungen der Polizei verzögern beziehungsweise erschweren. Darüber hinaus kann eine natürliche Person verschiedene Accounts einrichten und nutzen beziehungsweise verschiedene natürliche Personen können ein und denselben Account nutzen mit der Folge, dass die Zuordnung von Tathandlungen zu einzelnen Personen nicht immer eindeutig erfolgen kann. Erkenntnisse im Sinne der Anfrage, welche Personen Verschlüsselungen im Internet nutzen, eine weltweite Vernetzung fördern, illegale Bankkonten führen, Propagandavideos verbreiten, Spenden sammeln und eigene Messenger für ihre Kommunikation entwickeln, liegen der Polizei derzeit nicht vor. Im Übrigen führt die Polizei keine anlassunabhängige Internetrecherche durch. Zudem liegen den Sicherheitsbehörden keine Informationen vor, dass Reisebewegungen in die Krisengebiete aufgrund klandestiner Aufrufe erfolgten. Für die Teilnahme am sogenannten Dschihad wird offen im Internet geworben. Auch zu „geheimen“ Spendenaufrufen und Spendentransfers liegen keine Informationen vor. 2. Mit welchen Gemeinden, Vereinen, Organisationen und Gruppen sind die Salafisten/-innen im Internet vernetzt und welche Gruppierungen stehen hinter ihnen (im erwähnten Beitrag ist lediglich die Rede von „Millatu Ibrahim“)? Den Sicherheitsbehörden sind im Sinne der Fragestellung keine Kontakte von „Cyber- Salafisten“ zu Hamburger Gruppierungen bekannt. 3. Welche der in Hamburg bekannten salafistischen Gruppen sind bislang mit ihren, nicht nur verschlüsselten, Netzaktivitäten besonders aufgefallen und wie sehen diese aus? Salafisten agieren in losen Netzwerken unter wechselnden Bezeichnungen. Beispielhaft für Internetauftritte im Sinne der Fragestellung sind die Website des salafistischen IITS („Islamisches Institut für Theologie und Soziales“), die bekannte Organisation „LIES“ beziehungsweise „Siegel der Propheten“ zu benennen. Zumeist präsentieren sich Einzelpersonen in sozialen Netzwerken (vornehmlich Facebook). Diese Accounts bestehen oft nur eine kurze Zeit. Häufig werden einschlägige Accounts von den Netzwerkbetreibern aufgrund ihres Inhalts gelöscht; aber auch die Salafisten selbst wechseln öfter ihre Internetidentität. Eine genaue Aufzählung im Sinne der Fragestellung ist aufgrund dieser Volatilität und Heterogenität der Szene somit nicht möglich. 4. Vor welchen Schwierigkeiten stehen die Hamburger Sicherheitsbehörden im Umgang mit sogenannten Cyber-Salafisten/-innen? Auskünfte zu den technischen Möglichkeiten der Sicherheitsbehörden, aber auch ihrer Grenzen, würden es den Salafisten ermöglichen, sich und ihre künftige extremistische Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4184 3 Vorgehensweise hierauf einzustellen. Daher bestünde in diesem Fall die Gefahr, dass die beobachteten Gruppierungen Rückschlüsse auf die Arbeitsweise und Einblickstiefe des Landesamts für Verfassungsschutz Hamburg ziehen könnten und eine künftige Beobachtung unverhältnismäßig erschwert würde. Detaillierte Angaben im Sinne der Fragestellung können daher aus Gründen des Staatswohls nur gegenüber dem nach § 24 Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) für die parlamentarische Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes zuständigen Kontrollausschuss (PKA) gemacht werden. Im Übrigen siehe Antworten zu 1. a. bis 1. h. und zu 3. 5. Wie werden insbesondere Jugendliche vor salafistischen Internetaktivitäten geschützt und werden diese Maßnahmen künftig finanziell aufgestockt ? Aus Gründen des Jugendschutzes wird in den staatlichen Hamburger Schulen eine lokal installierte Contentfilterlösung für den Internetzugang eingesetzt, damit die Schülerinnen und Schüler, die mit dem Internet arbeiten, nicht auf anstößige und ungeeignete Webseiten gelangen. Die staatlichen berufsbildenden Schulen realisieren darüber hinaus die Filterung unerwünschter, jugendgefährdender oder allgemein rechtswidriger Inhalte für schulspezifische Netzumgebungen durch entsprechend programmierte Firewalls. Jugendschutz.net, das Kompetenzzentrum für den Jugendschutz im Internet, recherchiert fortlaufend zum Themenschwerpunkt Islamismus, ist an die Kommission für Jugendmedienschutz (KJM) als zentrale Aufsicht angebunden, arbeitet mit der Bundesprüfstelle für jugendgefährdende Medien (BPjM) sowie mit den für Jugendschutz zuständigen Ressorts in den Ländern zusammen und stellt diesen seine Rechercheergebnisse zur Verfügung; im Dezember wurde die Broschüre „Islamismus im Internet: Propaganda – Verstöße – Gegenstrategien“ herausgegeben, in der insbesondere auch der Transfer salafistischer Ideen über Jugendkultur, hier Hip-Hop und entsprechende Lifestyleangebote, herausgestellt wurde. Das Jugendinformationszentrum (JIZ) hat diese Broschüre in einer Auflage von 5.000 Exemplaren mitgedruckt und an alle Hamburger Schulen verteilt. Das JIZ hält in seinem gemeinsam mit der Landeszentrale für politische Bildung betriebenen Infoladen ebenso die vom Hamburger Landesamt für Verfassungsschutz herausgegebene „Kompaktinformation Salafismus“ bereit sowie weitere einschlägige Infomaterialien, zum Beispiel solche der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) und des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge (BAMF) und setzt mit seinen Aktivitäten vor allem auf die breite Information von Lehrkräften und Multiplikatoren. Darüber hinaus informiert das JIZ über den Hamburger Jugendserver unter „Politischer und Religiöser Extremismus“ zu den Themen Salafismus beziehungsweise Islamismus und gibt hier auch Hinweise auf einschlägige Beratungsstellen. Die primärpräventiven Regelangebote (siehe Drs. 20/13460) werden seit dem 1. September 2015 durch das Projekt „Think Social Now 2.0 – Verantwortung übernehmen im Internet“ (Träger: Bündnis Islamischer Gemeinden in Norddeutschland e.V.) ergänzt, das bis Ende 2019 geplant ist. Es entwickelt ein Modell, radikalisierungsfördernden Internetangeboten zu begegnen. Ziele sind, Kompetenzen im Umgang mit dem Internet und sozialen Medien zu vermitteln und durch alternative Online- Angebote (Videos, Bilder, Zitate et cetera) theologische Argumente für ein demokratisches Miteinander im Internet zu stärken. Mit dem Projekt wurden die finanziellen Mittel zur Prävention vor radikalisierungsfördernden Internetangeboten bereits aufgestockt . Finanziert wird das Modellprojekt aus dem Bundesprogramm „Demokratie leben!“ und von der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration. Darüber hinaus ist bekannt, dass die BPB seit 2014 das Projekt „Islamismus im Internet“ fördert . LfV Hamburg informiert zudem im Rahmen seiner gesetzlich vorgeschriebenen Öffentlichkeitsarbeit umfassend über die Gefahren, die von Salafisten ausgehen. Dies geschieht durch umfangreiche Medienarbeit (Pressestatements, Interviews, Internetbeiträge auf der Homepage, jährlicher Verfassungsschutzbericht) sowie durch Vorträge und Teilnahme an Diskussionsveranstaltungen. Vertreter des LfV Hamburg stehen auf Anforderung für Beratungen in Einzelfällen zur Verfügung. Drucksache 21/4184 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 6. Für den Verfassungsschutz hat die Bürgerschaft Anfang des Jahres 1,3 Millionen Euro mehr beschlossen. Davon sollen unter anderem zehn neue Stellen geschaffen werden. a. Gibt es diese Stellen bereits und wenn ja, um was für Stellen handelt es sich konkret? Ja. Entsprechend dem bürgerschaftlichen Ersuchen (Drs. 21/3031) wurden zehn Stellen eingerichtet. Die Auswahlverfahren laufen derzeit. Im Übrigen siehe Drs. 21/4083. b. Wie viele der Stellen wurden für die Beobachtung von Internetaktivitäten jedweder radikaler Gruppierungen geschaffen, wie viele Stellen sind dafür bereits vorhanden? Detaillierte Angaben zu vorhandenen Ressourcen ließen Rückschlüsse der Zielklientel auf die Beobachtungsmöglichkeiten und Einblickstiefe des Verfassungsschutzes zu. Daher bestünde in diesem Fall die Gefahr, dass die beobachteten Gruppierungen Rückschlüsse auf die Arbeitsweise und Einblickstiefe des LfV Hamburg ziehen könnten und eine künftige Beobachtung unverhältnismäßig erschwert würde. Detaillierte Angaben im Sinne der Fragestellung können daher aus Gründen des Staatswohls nur gegenüber dem nach § 24 HmbVerfSchG für die parlamentarische Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes zuständigen Kontrollausschuss (PKA) gemacht werden. 7. In welchen Gruppen auf Facebook, unter welchen Twitter-Namen und in welchen Foren sind Hamburger Salafisten/-innen aktiv? Siehe Antworten zu 1. a. bis 1. h. und 3.