BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4216 21. Wahlperiode 03.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dora Heyenn (fraktionslos) vom 26.04.16 und Antwort des Senats Betr.: Durchsuchungen in Hamburger Flüchtlingsheimen Das Kinderhilfswerk World Vision hat in einer Studie festgestellt, dass die UN-Kinderrechtskonvention bei Flüchtlingskindern nicht genügend beachtet wird. Die Konvention stelle das Kindeswohl bei allen Kinder betreffenden Entscheidungen in den Vordergrund, Flüchtlingskinder würden jedoch vielfach lediglich „aufbewahrt oder hin- und hergeschoben“, so der Vorsitzende des Kinderhilfswerks World Vision. Das christliche Hilfswerk hat die Studie „Angekommen in Deutschland – wenn geflüchtete Kinder erzählen“ zusammen mit der Goethe-Universität Frankfurt, dem Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf, der Hoffnungsträger -Stiftung und der Stiftung „Children for Tomorrow“ erstellt. Sie befasst sich gezielt mit begleiteten minderjährigen Flüchtlingen, erläuterte Waffenschmidt bei der Vorstellung. Im Gegensatz zu unbegleiteten Altersgenossen erhielten diese wenig Aufmerksamkeit und würden „unter die Familie“ und damit unter Erwachsenenbedürfnissen „subsummiert“. Auch in Hamburg gibt es Probleme. In allen Erstaufnahmeunterkünften der Stadt gibt es drei feste Mahlzeiten am Tag. Vor zwei Monaten berichtete das „Hamburger Abendblatt“, dass Ärzte zu dem Schluss gekommen sind, dass das Essen überhaupt nicht auf die Bedürfnisse von Kindern ausgerichtet sei und dass die Häufigkeit der Mahlzeiten dringend aufgestockt werden müssten . Es wurde ein Kinderarzt mit den Worten zitiert: „Für Kinder, die noch nicht im Schulalter sind, reichen drei Mahlzeiten definitiv nicht aus.“ Ehrenamtliche berichteten, dass die Kinder das Essen der Caterer entweder komplett ablehnten oder sich gern einen Teil für den Nachmittag aufsparten. Es ist jedoch verboten, Nahrung mit in die Wohnbereiche zu nehmen – aus hygienischen Gründen. Offenkundig ist der Rhythmus der Essensausgaben immer noch der Gleiche und Kinder nehmen sich nach wie vor „Reserven“ für den Tag mit, besonders gern Nutella vom Frühstück. Nun ist von ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern und aus den Medien zu hören und lesen, dass Kinder daraufhin „untersucht“ wurden. Genannt werden die Erstaufnahmen Behrmannplatz, Rugenbarg und Albert-Einstein-Ring. Dabei soll es nicht nur bei der Durchsuchung nach Nahrungsmitteln geblieben sein. Auch nach Waffen soll bei den Kindern gesucht worden sein. Drucksache 21/4216 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Und bei den Durchsuchungen soll mindestens ein Kind gesundheitlichen Beeinträchtigungen ausgesetzt gewesen sein. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf der Grundlage von Angaben der Betreiber f & w fördern und wohnen AöR (f & w), Deutsches Rotes Kreuz Landesverband Hamburg e.V. (DRK HH), Kreisverband Hamburg-Harburg e.V. (DRK Harburg) und Kreisverband Hamburg Altona und Mitte e.V. (DRK Altona), ASB Flüchtlingshilfe Hamburg GmbH (ASB), Arbeiterwohlfahrt (AWO), Malteser Hilfsdienst gemeinnützige GmbH (Malteser) und Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. (JUH) wie folgt: 1. Wie ist der Rhythmus der Essensausgaben in den Flüchtlingsunterkünften ? Sollte es unterschiedliche Regelungen geben, dann bitte die jeweiligen Unterkünfte mit den Angaben einzeln aufführen. 2. Welche Erfahrungen wurden gemacht mit einer Essensausgabe dreimal täglich? 3. Trifft es zu, dass Personen in den Flüchtlingsunterkünften nach Essen durchsucht wurden? Wenn ja, a) wie häufig? b) in welchen Unterkünften? c) was waren die Ergebnisse der Durchsuchungen? 4. Trifft es zu, dass Kinder (Personen unter 14 Jahren) in den Flüchtlingsunterkünften nach Essen durchsucht wurden? Wenn ja, a) wie häufig? b) in welchen Unterkünften? c) was waren die Ergebnisse? In den öffentlich-rechtlichen Unterkünften versorgen sich die Bewohner selbst. In den Standorten der Erstaufnahmeeinrichtungen erfolgen die Essenausgaben morgens, mittags und abends. Aus hygienischen Gründen soll das Essen in der Erstaufnahmeeinrichtung grundsätzlich nicht aus den Kantinen in den Wohnbereich genommen werden. Diese Regelung soll durch die Betreiber auch entsprechend durch Stichproben überprüft werden. Siehe auch Drs. 21/3278. In Unterkünften des DRK Harburg sind die Kantinenzeiten für Frühstück von 7.30 bis 9.30 Uhr, Mittag von 12.00 bis 14.00 Uhr, Abendessen von 17.30 bis 19.30 Uhr. Dort können Getränke und Obst grundsätzlich jederzeit aus der Kantine mitgenommen werden und akut oder chronisch Erkrankte können nach Absprache mit den Sozialarbeitern oder Eltern von Kindern auch Mahlzeiten aus der Kantine mitnehmen und außerhalb der Essenszeiten zu sich nehmen. Schulpflichtige Kinder erhalten Lunchpakete . In Unterkünften des DRK Altona liegen die Kernzeiten der Kantine für Frühstück von 06.00 bis 09.00 Uhr (Wochenende ab 07.00 Uhr), Mittag von 12.30 bis 14.30 Uhr, Abendessen 17.30 bis 19.30 Uhr. Darüber hinaus werden für Kinder, die Kindertageseinrichtungen besuchen, und Schüler Zwischenmahlzeiten ausgegeben. Babynahrung wird bei Bedarf zur Verfügung gestellt. In den Unterkünften des DRK HH erfolgt die Essenausgabe in den Kernzeiten für Frühstück von 07.30 bis 09.30, Mittag von 12.00 bis 14.00 Uhr, Abendessen von 17.30 bis 19.30 Uhr. Darüber hinaus wird bei Bedarf, insbesondere für Kinder, zusätzliches Essen und Trinken angeboten. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4216 3 In der Unterkunft Blomkamp, die von den Maltesern betrieben wird, besteht für Kinder und ihre Eltern die Möglichkeit, Lebensmittel mitzunehmen, um sich außerhalb der Ausgabezeiten zu versorgen. Die AWO bietet in ihrer Unterkunft Hellmesberger Weg für Kleinkinder, Schwangere und Kranke, wie zum Beispiel Diabetiker, weitere Verpflegungsmöglichkeiten an. Zu diesem Zweck hält die AWO zwei große Kühlschränke für Lebensmittel vor, aus denen der besondere Bedarf während der Nacht unter Aufsicht des Wachdienstes gedeckt wird. In Unterkünften von f & w ist es den Bewohnern in abgesprochenen Einzelfällen, zum Beispiel bei Erkrankungen, gestattet, die Mahlzeit außerhalb der Kantine zu sich zu nehmen. Zu diesem Zweck wird der betroffenen Person eine Bescheinigung ausgestellt , die den Sicherheitsdienstmitarbeiter vorgelegt werden kann. Mit den dreimal täglich vorgegeben Kernzeiten der Essensausgabe wurden gute Erfahrungen gemacht. Es wurden bisher keine negativen Rückmeldungen der Bewohner registriert. 5. Trifft es zu, dass Personen in den Flüchtlingsunterkünften nach Waffen durchsucht wurden? Wenn ja, a) wie häufig? b) in welchen Unterkünften? c) mit welchen Methoden? d) getrennt nach Geschlechtern oder nicht? e) was waren die Ergebnisse? 6. Trifft es zu, dass Kinder in den Flüchtlingsunterkünften nach Waffen durchsucht wurden? Wenn ja, a) wie häufig? b) in welchen Unterkünften? c) mit welchen Methoden? d) getrennt nach Geschlechtern oder nicht? e) was waren die Ergebnisse? Die Bewohner der Einrichtungen von f & w werden weder abgetastet noch nach Waffen durchsucht. Bei Auffälligkeiten im Rahmen der wöchentlichen Haus- und Geländebegehung erfolgt die Einschaltung der zuständigen Behörde. Bisher war die Einschaltung der zuständigen Behörde nicht erforderlich. In den Unterkünften des DRK Altona finden Kontrollen am Einlass durch den Sicherheitsdienst sowie wöchentliche Begehungen der Einrichtungen zur Kontrolle von Hygiene und Funktionsfähigkeit des Inventars statt. Es werden vom Sicherheitsdienst anlassbezogene Taschenkontrollen durchgeführt und nach dem Zufallsprinzip Personen mit Handmetalldetektoren abgesucht . Die Kontrollen fanden nach Geschlechtern getrennt statt. Bei den Kontrollen wurden vereinzelt Alkohol, Schlaggegenstände sowie messer- und spießähnliche Stich- und Hiebgegenstände gefunden. In den Unterkünften des DRK-Landesverbandes fanden anlassbezogen Kontrollen nach den wöchentlichen Haus- und Geländebegehungen statt. Die Personen wurden nach Geschlechtern getrennt mithilfe von Handmetalldetektoren am Eingang überprüft. Dabei wurden nach Auskunft des DRK-Landesverbandes in Einzelfällen, die von dem DRK-Landesverband statistisch nicht erfasst werden, Stich- und Hiebgegenstände, zum Beispiel Messer, gefunden, die den Bewohnern abgenommen wurden. Die Einschaltung der zuständigen Behörde war nicht erforderlich. 7. Sind bei Durchsuchungen in Flüchtlingsunterkünften Personen zu Schaden gekommen? Drucksache 21/4216 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Wenn ja, a) wie viele Erwachsene, wie viele Jugendliche und wie viele Kinder? b) wie viele Erwachsene, Jugendliche und Kinder befinden sich – diesbezüglich – in ärztlicher Behandlung? Statistiken im Sinne der Fragestellung werden bei der zuständigen Behörde nicht geführt; siehe auch Drs. 20/13232 und Drs. 20/13066. Der in dem Artikel des „Hamburger Abendblattes“ vom 28. April 2016 erwähnte Vorfall ereignete sich ohne Beteiligung der zuständigen Behörde. Demnach habe ein Junge in einer Flüchtlingsunterkunft einen stressbedingten Krampfanfall erlitten und sei zu Boden gefallen. Die zuständige Behörde wurde nach der Rückkehr des Jungen aus dem Krankenhaus hinzugezogen. Mitarbeiter der zuständigen Behörde werteten Videoaufnahmen aus dem Eingangsbereich der Kantine aus. Sie stellten fest, dass sich der Junge Durchsuchungsmaßnahmen des Sicherheitsdienstes widersetzte, plötzlich ohne Fremdeinwirkung zu Boden ging und zitternd liegen blieb. Gegenüber Angehörigen des Jungen äußerte der behandelnde Arzt des Krankenhauses, dass es sich um einen Krampfanfall des Jungen gehandelt haben könnte. Strafbare Handlungen hat die zuständige Behörde anhand der Videoaufzeichnung nicht festgestellt. 8. Was sehen die Verträge der Innenbehörde mit den Trägern für Sicherheitsmaßnahmen in den Flüchtlingsunterkünften vor? Sollte es unterschiedliche Regelungen geben, dann bitte die Unterkünfte mit Angaben einzeln aufführen. Die schriftlichen Verträge der zuständigen Behörden mit den jeweiligen Trägern der Standorte der Erstaufnahme werden derzeit ausgehandelt. 9. Welche Anforderungen werden an die Mitarbeiter der Sicherheitsdienste gestellt? Bitte detailliert aufführen. Die seitens des beauftragten Wachdienstes eingesetzten Mitarbeiter müssen derzeit gemäß der Leistungsbeschreibung für den Betrieb der Erstaufnahme folgende Voraussetzungen erfüllen: - Sachkundeunterrichtung oder Sachkundeprüfung nach § 34a Gewerbeordnung - Ableistung eines Deeskalationstrainings im Umfang von mindestens acht Unterrichtsstunden . - Ausbildung in Erster Hilfe - Unterrichtung in den Grundlagen der Erstbrandbekämpfung - Verpflichtung gemäß § 8 Absatz 2 Bewachungsordnung - Gesundheitszeugnis beziehungsweise Nachweis über die Belehrung gemäß § 43 Infektionsschutzgesetz durch das Gesundheitsamt - Führungszeugnis ohne Eintrag, welches nicht älter als drei Jahre ist. Bei Neueinstellungen darf das Führungszeugnis nicht älter als ein Monat sein beziehungsweise muss umgehend beantragt werden. - Zustimmung zu einer Überprüfung durch die Polizei Hamburg und das Landesamt für Verfassungsschutz - Charakterliche, geistige und körperliche Eignung, gepflegtes äußeres Erscheinungsbild , Höflichkeit, Diskretion und Zuverlässigkeit. Der Einsatz von drogenoder alkoholabhängigen Personen und von Personen, deren Äußeres bereits auf eine rechtsstaatlich feindliche Gesinnung hindeutet, ist ausgeschlossen. - Engagement, fachliche und soziale Kompetenz, insbesondere Fähigkeiten zur Deeskalation und zur Durchsetzung notwendiger Maßnahmen zum Zwecke der Einhaltung der Ordnung in der Einrichtung und der Beachtung der Hausordnung, ohne dass der Umgangston zwischen Bewohnern der Erstaufnahmeeinrichtungen und dem Wachpersonal darunter leidet; Fähigkeit, auch in gefährlichen Situationen die Ruhe zu bewahren und diese auch zu vermitteln. Fähigkeit, auf die Bedürfnisse Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4216 5 der Asylbegehrenden und neu eingereisten Duldungsantragssteller aus unterschiedlichen Staaten und Kulturen einzugehen. Fremdsprachenkenntnisse, insbesondere auch muttersprachliche, wären von Vorteil. - Beherrschung der deutschen Sprache, insbesondere Fähigkeit, schriftliche Meldungen über besondere Vorkommnisse und die geforderten Dokumentationen allgemein verständlich zu verfassen. Es ist überwiegend Personal einzusetzen, das Erfahrung im Bereich der öffentlichrechtlichen Unterbringung hat, mindestens ein erfahrener Mitarbeiter pro Schicht. Als Objektleiter werden Personen eingesetzt, die neben ihrer persönlichen Eignung über eine Prüfung als Fachkraft für Schutz und Sicherheit oder über mehrjährige Berufserfahrung mit entsprechenden Fortbildungen verfügen. 10. Trifft es zu, dass aufgrund von Beschwerden und Übergriffen Sicherheitsfirmen gekündigt wurden oder diese ausgewechselt wurden? Wenn ja, in welchen Einrichtungen, wann und aus welchem Grund? In der Erstaufnahmeeinrichtung Schnackenburgallee wurde im November 2013 die Sicherheitsfirma ausgewechselt, da deren Beschäftigte Asylsuchende, die hauptsächlich der christlichen Konfession zugehörig waren, im täglichen Umgang benachteiligten . 11. Welche Kenntnisse liegen dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde über Übergriffe beziehungsweise verbale Erniedrigungen von Security-Kräften beziehungsweise Personal der Flüchtlingsunterkunft gegen Flüchtlinge vor? Wie haben die zuständigen Behörden reagiert? In einer Unterkunft des DRK Altona musste ein Mitarbeiter wegen Beleidigung eines Bewohners von der Arbeit freigestellt werden. Dem Mitarbeiter wurde durch das DRK Altona ein Hausverbot erteilt. 12. Welche Kenntnisse liegen dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde über Übergriffe von Flüchtlingen gegen a) Security-Mitarbeiter, b) Personal der Flüchtlingsunterkunft, c) Ehrenamtliche vor? Wie haben die zuständigen Behörden reagiert? Störfälle im Sinne der Fragestellung werden von den zuständigen Behörden und den Betreibern statistisch nicht erfasst. Im Zuge von Auseinandersetzungen in den Unterkünften gab es in einigen Fällen auch Angriffe auf das Sicherheitspersonal. Es wurde mit strafverfolgenden Maßnahmen, gegebenenfalls gefahrabwehrenden Maßnahmen und teilweise Verlegungen vorgegangen. Übergriffe gegen das Personal sind im Einzelfall bekanntgeworden. Auch hier erfolgten strafverfolgende, gegebenenfalls gefahrabwehrende Maßnahmen. Nähe Ausführungen sind ohne eine Auswertung aller Strafanzeigen nicht möglich. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich.