BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4276 21. Wahlperiode 06.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 29.04.16 und Antwort des Senats Betr.: Harburg und Wilhelmsburg in den Sommerferien vier Wochen abgeschnitten vom ÖPNV – Gibt es wirklich keine Alternativen? Im Sommer 2016 plant der Hamburger Verkehrsverbund (HVV) dem Vernehmen nach Gleisbauarbeiten auf der S-Bahn-Strecke zwischen den Anschlussstellen Hammerbrook und Wilhelmsburg. Dadurch soll der Betrieb der Linien der S3 und S31 in diesem Abschnitt für die Zeit der Bauarbeiten komplett eingestellt werden. Die Nutzer dieser beiden S-Bahn-Linien haben das Nachsehen. Ein Schienenersatzverkehr (SEV) mit Bussen soll eingerichtet werden, doch müssen die betroffenen Pendler und Anwohner erhebliche Fahrzeitenverlängerungen in Kauf nehmen. Dabei ist die Zahl der werktäglichen Fahrgäste auf beiden Linien zwischen 2011 und 2014 laut Drs. 21/253 deutlich gestiegen, bei der S3 von 192.436 um rund 17.000 (beziehungsweise 9 Prozent) auf 209.682 Fahrgäste und bei der S31 von 94.060 um rund 13.700 (beziehungsweise 15 Prozent) auf 107.729 Fahrgäste. Von den zehn in ganz Hamburg an Werktagen am stärksten belasteten Streckenabschnitten liegen mit den Teilstücken Hammerbrook – Hauptbahnhof (Rang 3: 138.764 Fahrgäste), Veddel – Hammerbrook (Rang 4: 126.932 Fahrgäste), Veddel – Wilhelmsburg (Rang 7: 111.216) und Harburg – Wilhelmsburg (Rang 10: 100.496 Fahrgäste) alleine vier zwischen Harburg und Hauptbahnhof. Und der HVV selbst geht laut Drs. 21/1027 bis 2024 sogar von einem weiteren Fahrgastanstieg von durchschnittlich 1,5 Prozent jährlich aus, wobei diese Prognose sogar noch eher konservativ beziehungsweise niedrig eingeschätzt werden dürfte. Es stellt sich daher akut die Frage, ob es für den sich im Sommer abzeichnenden unzumutbaren Zustand keine Alternativen gibt. Bereits lancierte Vorschläge wie beispielsweise eine Fährverbindung von Wilhelmsburg aus sind hoffentlich nicht ernst gemeint. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Bereits im vergangenen Jahr wurde in den Sommerferien eine vergleichbare Streckensperrung mit entsprechendem Ersatzverkehr durchgeführt. Die Erfahrungen aus dem vergangenen Jahr haben gezeigt, dass mit den angebotenen Ersatzmaßnahmen eine angemessene Beförderung der Fahrgäste sichergestellt werden kann. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf Grundlage von Auskünften der Hamburger Verkehrsverbund GmbH (HVV), der Deutschen Bahn AG (DB) und der metronom Eisenbahngesellschaft mbH (metronom) wie folgt: Drucksache 21/4276 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Für welchen konkreten Zeitraum soll die S-Bahn-Strecke zwischen Harburg und dem Hauptbahnhof in welchen Abschnitten in diesem Jahr gesperrt werden? Die Strecke wird in den Hamburger und teilweise auch den Niedersächsischen Sommerferien vom 21. Juli (Betriebsbeginn) bis 14. August 2016 (Betriebsschluss) auf dem Abschnitt Wilhelmsburg – Hammerbrook gesperrt. Zusätzlich wird an den vier Wochenenden am 23./24. Juli, 30./31.Juli, 6./7. August sowie 13./14. August 2016 eine Sperrung zwischen den S-Bahnhöfen Harburg und Wilhelmsburg erfolgen. Der Zeitraum wurde von der DB gewählt, da in den Sommerferien wesentlich weniger Fahrgäste diesen Streckenabschnitt benutzen. 2. Welche Alternativen zu einer Vollsperrung haben der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde und/oder die Deutsche Bahn (DB) geprüft? Es wurde die Möglichkeit einer jeweils eingleisigen Sperrung geprüft. 3. Warum haben der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde und/ oder die DB welche Alternativlösungen verworfen? Eine eingleisige Sperrung wurde aus Gründen der Gefährdung der Gleisarbeiter durch den Stromabnehmer sowie die durch die komplexe Logistik deutlich längere Sperrzeit verworfen. Diese hätte dann über den Ferienzeitraum hinausgereicht. 4. Haben der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde und/oder die DB ein durchdachtes Ersatzkonzept für die Zeit der Vollsperrung entwickelt ? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Die S-Bahn Hamburg hat wie bei jeder Baumaßnahme mit Einschränkungen auf das Leistungsangebot ein Konzept mit Ersatzbedienung auf dem betroffenen Abschnitt erstellt. Dieses Konzept sieht vor, dass Züge der Linie S3 von Pinneberg kommend weiter in Richtung Berliner Tor nach Hasselbrook fahren und dort wenden. Fahrgäste in Richtung Wilhelmsburg/Harburg steigen im Bahnhof Berliner Tor in Busse des Ersatzverkehrs um. Diese Busse verkehren ohne Zwischenhalt direkt bis Wilhelmsburg beziehungsweise an den Wochenenden bis Harburg. Die Linie S31 verkehrt während der Baumaßnahmen ganztägig zwischen Altona und Hammerbrook. Ab der Haltestelle Hammerbrook wird für den gesperrten Abschnitt ein Ersatzverkehr mit Bussen eingerichtet, der in Veddel und an den Wochenenden auch in Wilhelmsburg hält. 5. Warum ist eine Erneuerung der Gleise „unter dem Rad“ – wie es noch vor Jahren praktiziert wurde – nicht möglich? Eine Erneuerung in diesem Umfang ist unter laufenden Betrieb nach Angaben der DB nicht möglich. 6. Ist geprüft worden, ob der S-Bahn-Verkehr wenigstens zum Teil und zeitweise über das angrenzende Regional-, Fern- und Güterverkehrsschienennetz fortgeführt werden kann? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Wenn nein, warum nicht? Nein, eine Führung der S-Bahn über die angrenzenden Gleise der Regional-, Fernund Güterverkehre ist aufgrund nicht vorhandener Infrastruktur (keine Weichenverbindungen , keine Systemwechselstellen) und unterschiedlicher Stromversorgung nicht möglich. Darüber hinaus sind diese Strecken stark ausgelastet und könnten kaum zusätzliche Fahrten aufnehmen. Ein Anfahren der Stationen Veddel und Wilhelmsburg wäre zudem nicht möglich. 7. Wäre es denkbar, ein Ausweichgleis, wie es in Wilhelmsburg besteht, einzurichten? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4276 3 Wenn ja, warum wird es nicht umgesetzt? Wenn nein, warum nicht? Es ist aus baulichen Gründen nicht möglich, ein zusätzliches, für die S-Bahn nutzbares Gleis einzubauen. Auch stünde der finanzielle Aufwand in keinem Verhältnis zu den Kosten der Baumaßnahme. 8. Sind zur Verkürzung der Vollsperrung Nacht- und Wochenendarbeiten in Betracht gezogen worden? Wenn ja, warum werden diese nicht eingesetzt? Wenn nein, warum nicht? Bauarbeiten in diesem Umfang werden grundsätzlich bei der DB im Dreischichtbetrieb an sieben Tagen der Woche durchgeführt. 9. Haben der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde und/oder die DB Maßnahmen geprüft, wie der Zeitplan für die Gleiserneuerung verkürzt werden kann? Wenn ja, mit welchen Methoden und Ergebnissen? Wenn nein, warum nicht? Die Arbeiten wurden bereits auf ein minimales Zeitfenster reduziert. Im Übrigen siehe Antworten zu 2. bis 7. 10. Werden die folgenden Ersatzfahrmöglichkeiten angeboten: Der Umfang (Takt, Fahrzeugeinsatz) dieser Schienenersatzverkehre wird vom Veranlasser der Baumaßnahme in Abhängigkeit von den verkehrlichen Notwendigkeiten bestellt. Die Angemessenheit des Ersatzverkehrs wird vom HVV geprüft und testiert. Die Schienenersatzverkehre sind in Art und Umfang ausreichend auf die verkehrlichen Notwendigkeiten für die Verbindung von Hamburg über Veddel nach Wilhelmsburg ausgerichtet. Es bestehen daher keine verkehrliche Notwendigkeiten, zusätzliche Anpassungen im weiteren Liniennetz während der Sperrung vorzunehmen. a) Verstärkter Einsatz von Metronomzügen aus Richtung Winsen und Buchholz? Wenn ja, wie viele und in welcher Frequenz? Wenn nein, warum nicht? Ein verstärkter Einsatz von Metronomzügen wäre aus Fahrgastsicht nur in der Hauptverkehrszeit wünschenswert. In dieser Zeit verkehren bereits Verstärkerfahrten, die eine zusätzliche Erhöhung der Kapazitäten verhindern beziehungsweise nicht nötig machen. So gibt es zwischen Hamburg-Harburg und Hamburg Hauptbahnhof in den Morgenstunden bis zu elf Fahrten pro Stunde und am Nachmittag (zwischen 16 und 19 Uhr) bis zu neun Fahrten pro Stunde. b) Fähranbindung von Wilhelmsburg? Wenn ja, mit welcher Fahrzeitverlängerung ist zu rechnen und ist diese zumutbar? Für einen Fahrzeitvergleich werden die Fahrzeiten folgender Verbindungen zwischen dem Hauptbahnhof und Wilhelmsburg zugrunde gelegt: Variante 1 – ab Hauptbahnhof mit der S-Bahn bis Landungsbrücken, Fähre 73 von Landungsbrücken bis Ernst-August-Schleuse, Bus 156 von Ernst August-Schleuse bis Bf. Wilhelmsburg: Fahrzeit ohne Umsteigezeiten circa 38 Minuten. Variante 2 – ab Hauptbahnhof mit der S-Bahn bis Landungsbrücken, Fähre 75 von Landungsbrücken bis Steinwerder, Bus 156 von Steinwerder bis Bf. Wilhelmsburg: Fahrzeit ohne Umsteigezeiten circa 36 Minuten. Die Fahrzeit mit den Linien S3 und S31 zwischen Hauptbahnhof und Wilhelmsburg beträgt acht Minuten. Drucksache 21/4276 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Im Falle des Ersatzverkehres verlängert sich diese um bis zu 20 Minuten. Beide Varianten stellen aufgrund der erheblich längeren Reisezeit inklusive Umsteigezeit und der Notwendigkeit zum zweimaligen Umsteigen sowie längeren Fußwegen keine alternativen Fahrmöglichkeiten dar. Darüber hinaus verkehren die Fährlinie 75 und die Buslinie 156 nur in eingeschränkten Bedienungszeiträumen. c) Busersatz? Wenn ja, auf welcher Linienführung, in welcher Frequenz und mit welcher Fahrzeitverlängerung ist zu rechnen? Die Fahrwege sowie die Fahrpläne der Buslinien im Schienenersatzverkehr werden derzeit erarbeitet. Eine abschließende Aussage zu den Fahrwegen, Fahrzeiten, Fahrttakten und Fahrzeitverlängerungen ist daher noch nicht möglich. Es wird von einer vergleichbaren Linienführung des Vorjahres ausgegangen. Das bedeutet, dass die Verkehre im Wesentlichen über die B75 geführt werden und Fahrzeitverlängerung von bis zu 20 Minuten zu erwarten sind. Beide Ersatzverkehre würden dann im Fünf- bis Zehn-Minuten Takt mit mehreren Fahrzeugen verkehren. 11. Ist zur Entlastung entstehender Engpässe auch eine verstärkte Linienführung von Altona nach Süderelbe geplant? Wenn ja, auf welcher Linienführung, in welcher Frequenz und mit welcher Fahrzeitverlängerung ist zu rechnen? Wenn nein, warum nicht? Die Planung der Schienenersatzverkehre erfolgt in Abhängigkeit von den verkehrlichen Notwendigkeiten, sodass eine angemessene Ersatzbedienung angeboten werden kann. Vor diesem Hintergrund ist eine Verstärkung der Buslinien zwischen Altona und dem Süderelberaum nicht vorgesehen. 12. Viele Pendler werden für die Zeit der Vollsperrung auf das Auto zurückgreifen . Ist dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde bewusst, dass zeitgleich die bisherige Trasse der Wilhelmsburger Reichsstraße limitiert bleibt, die Bauarbeiten am Veritaskai zeitgleich fortgeführt werden sowie die Einschränkungen auf der Hannoverschen Straße fortbestehen? Wenn ja, was tut der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde gegen einen drohenden Verkehrsinfarkt? Welche Maßnahmen wird der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde ergreifen, um die Verkehrssituation zu entspannen? Welche Umleitungsempfehlungen sind geplant? Während der Gleissperrung vom 21. Juli bis 15. August 2016 zwischen Hammerbrook und Wilhelmsburg ist die Fahrstrecke des Schienenersatzverkehrs frei von Einschränkungen durch Baumaßnahmen. Der Umfang der Gleissperrung bis Harburg wird lediglich an vier Wochenenden ausgeweitet. Die Reisezeitverluste für Pendlerinnen und Pendler werden sich daher auf ein vertretbares Maß beschränken. Verkehrsteilnehmerinnen und Verkehrsteilnehmer, die vom öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) auf den motorisierten Individualverkehr (MIV) wechseln möchten, wird empfohlen, vor Fahrtantritt zu prüfen, ob die BAB A 1 oder die BAB A 7 aufgrund der aktuellen Verkehrssituation eine alternative Route darstellen (http://www.hamburg.de/verkehrslage/ oder https://mydrive.tomtom.com/en_gb/). 13. Wie hat sich die Zahl der Fahrgäste, die die Linien S3 und S31 durchschnittlich an einem Werktag nutzen, im Jahr 2015 entwickelt? Bitte für beide Linien getrennt angeben. Auf den Linien S3 und S31 war im Jahr 2015 gegenüber dem Jahr 2014 keine Fahrgaststeigerung zu verzeichnen. Bei den Fahrgastzahlen handelt es sich um Jahresmittelwerte . Grundsätzlich liegen die Fahrgastzahlen in der kühleren, ferienfreien Jahreszeit am höchsten (Oktober/November/Dezember) und in den Sommerfreien am nied- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4276 5 rigsten (Juli/August). Dieses Ergebnis kann strecken- und anlassbezogen unterschiedlich ausfallen, sodass auf Durchschnittswerte zurückgegriffen wird. 14. Die mit dem HVV abgestimmten Beförderungsqualitäten sehen vor, dass in den Hauptverkehrszeiten mindestens 56 Prozent der Fahrgäste einen Sitzplatz haben müssen. Wie hat sich die so verstandene Auslastung der Züge auf den Linien S3 und S31 seit 2011 entwickelt? Bitte jahresweise und für beide Linien aufschlüsseln. Die für die Beantwortung der Frage erforderliche Auswertung kann aufgrund der Datenmenge und notwendigen Aufbereitung in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht erfolgen. Angaben zu den Beförderungsqualitäten im Jahr 2014 siehe Drs. 20/14060. 15. Wie hat sich die Zahl der Fahrgäste, die die verschiedenen Metronom- Linien zwischen dem Hauptbahnhof und Harburg (und umgekehrt) durchschnittlich an einem Werktag nutzen, seit 2011 entwickelt? Bitte jahresweise sowie für die verschiedenen Linien aufschlüsseln. Detaillierte Daten unterliegen teilweise den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Darüber hinaus hat metronom die nachfolgenden Werte genannt: Die mittlere Besetzung auf dem Streckenabschnitt Harburg – Hamburg Hbf (Werktag) lag im Jahr 2011 bei 46.561 Fahrgästen und im Jahr 2015 bei 49.789 Fahrgästen (alle metronom- Linien). 16. Wie hat sich die Auslastung der Metronom-Züge zwischen dem Hauptbahnhof und Harburg (und umgekehrt) seit 2011 entwickelt? Bitte jahresweise und für die verschiedenen Linien aufschlüsseln. Detaillierte Daten unterliegen teilweise den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen. Darüber hinaus hat metronom die nachfolgenden Werte genannt: Die mittlere Auslastung auf dem Streckenabschnitt Harburg – Hamburg Hbf hat sich von 37,2 Prozent im Jahr 2011 (Werktag) auf 39,8 Prozent im 2015 gesteigert. 17. Gibt es auch für die Metronom-Linien eine mit dem HVV abgestimmte Zielzahl hinsichtlich der Beförderungsqualität? Wenn ja, wie lautet diese? Im Regionalverkehr gibt es keine Vorgaben für die Beförderungsqualität wie bei den Schnellbahnen. Der planerische Ansatz beinhaltet jedoch, möglichst jedem Fahrgast einen Sitzplatz zur Verfügung zu stellen.