BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4278 21. Wahlperiode 06.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Franziska Grunwaldt (CDU) vom 29.04.16 und Antwort des Senats Betr.: Wie viele EU-Ausländer erhalten in Hamburg Sozialleistungen? Das Urteil B 4 AS 44/15 R des Bundessozialgerichts im Dezember letzten Jahres bestimmt, dass EU-Ausländer nach sechs Monaten Aufenthalt in Deutschland Sozialhilfe beziehen können. Als Reaktion auf dieses Urteil brachte die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles am 28. April 2016 ein Gesetz auf den Weg, welches die Anspruchsfrist der EU-Ausländer auf Sozialleistungen von sechs Monaten auf fünf Jahre anhebt (Arbeitstitel: Leistungsansprüche von ausländischen Personen nach SGB II und SGB XII). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf Grundlage von Auskünften der Bundesagentur für Agentur (BA) und Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter) wie folgt: 1. Welche Sozialleistungen stehen EU-Ausländern in Hamburg zu? Die Arten der möglichen Sozialleistungen an EU-Ausländer hängen in erster Linie vom Bestehen eines Freizügigkeitsrechts nach dem Gesetz über die allgemeine Freizügigkeit von Unionsbürgern – Freizügigkeitsgeestz/EU (FreizügG/EU) ab. EU-Ausländer, die nicht erwerbsfähig sind oder die Altersgrenze in § 7a SGB II erreicht haben, können Leistungen (Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfe bei Krankheit, Hilfe bei Schwangerschaft und Mutterschaft, Hilfe zur Pflege und gegebenenfalls weitere Leistungen im Einzelfall) nach dem SGB XII erhalten (§ 23 Absatz 1 SGB XII). Diese Leistungen sind gemäß § 23 Absatz 2 SGB XII für Leistungsberechtigte nach § 1 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) sowie gemäß § 23 Absatz 3 SGB XII für Personen ausgeschlossen, die eingereist sind, um Sozialhilfe zu erlangen oder deren Aufenthaltsrecht sich ausschließlich aus dem Zweck der Arbeitssuche ergibt (sowie für deren Familienangehörige). Dieser Ausschluss gilt auch für Personen, die kein materielles Freizügigkeitsrecht aufweisen. In einem Urteil des Bundessozialgerichtes (BSG) vom 3. Dezember 2015 hat das Gericht die Möglichkeit, Leistungen nach dem SGB XII zu beziehen, auch auf EU- Ausländer erweitert, die zwar erwerbsfähig sind, jedoch unter den Leistungsausschluss des § 7 SGB II fallen. Bei diesen Personen soll nach sechsmonatigem Aufenthalt in Deutschland ein verfestigter Aufenthaltsstatus eintreten mit der Folge, dass sogenannte Ermessensleistungen nach § 23 Absatz 1 S. 3 SGB XII im Umfang der gesamten Leistungsmöglichkeiten nach dem SGB XII zu gewähren sind (Ermessensreduzierung auf null). Abweichend hiervon hat das Landessozialgericht Hamburg in einem Beschluss vom 22. Februar 2016 entschieden, dass eine Verfestigung des Aufenthalts nicht bereits nach sechsmonatigem Aufenthalt eintritt. Vielmehr sei eine Verfestigung des Aufenthalts nach dem Freizügigkeitsrecht zu beurteilen. Danach tritt eine Verfestigung im Sinne eines Daueraufenthaltsrechts erst nach Ablauf von fünf Jahren ein, innerhalb derer sich der Betroffene durchgehend rechtmäßig im Sinne des Drucksache 21/4278 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 FreizügG/EU aufgehalten haben muss. Zuvor sind Leistungen nach dem SGB XII ausschließlich im Rahmen der Ermessensleistungen des § 23 Absatz 1 S. 3 SGB XII zu gewähren. Diese bestimmen sich nach der Zumutbarkeit der Rückkehr in das Heimatland . Das LSG weist darauf hin, dass eine Rückreise bei EU-Ausländern regelmäßig zumutbar sein wird. Dann beschränkt sich der Leistungsumfang auf die Kosten der Rückreise sowie Überbrückungsleistungen für die dazwischen liegende Zeit. Dieser Einschätzung schließt sich die zuständige Behörde an. Leistungen nach dem AsylbLG erhalten EU-Ausländer nur in Ausnahmefällen, zum Beispiel bei festgestelltem Verlust der Freizügigkeit und bestehender Ausreisepflicht. Leistungen nach dem SGB II erhalten EU-Ausländer, die erwerbsfähig und hilfebedürftig sind und sich nicht allein zum Zweck der Arbeitsuche in Deutschland aufhalten. Darüber hinaus können auch nicht erwerbstätige EU-Ausländer, deren Beschäftigungsverhältnis beendet ist und die die elterliche Sorge über Schüler oder Auszubildende während einer Ausbildung ausüben, SGB-II-Leistungen erhalten. Der Leistungsumfang ist bei bestehendem Anspruch grundsätzlich nicht beschränkt auf einzelne Leistungen, sondern umfasst alle passiven (Regelbedarf, gegebenenfalls Mehrbedarfe, Sozialversicherung, gegebenenfalls Bildung und Teilhabe, Kosten der Unterkunft und Heizung) und aktiven Leistungen (Eingliederungsmaßnahmen undleistungen ) des SGB II. 2. Wie viele EU-Ausländer erhielten seit dem Jahr 2011 bis einschließlich 2015 von der Stadt Hamburg Sozialleistungen? Bitte nach Herkunft und Jahren aufschlüsseln. Siehe Anlage. Auswertungen zu Leistungsempfängern nach dem SGB XII differenziert nach Staatsangehörigkeit sind erst ab Mitte des Jahres 2013 möglich. Daher sind in der Anlage nur die Jahre 2014 und 2015 dargestellt. Eine Auswertung der SGB-II-Leistungen war vom Jobcenter in der für die Beantwortung der Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit von Jobcenter nicht möglich. 3. Wie hoch wurde der Hamburger Haushalt in diesen Jahren jeweils insgesamt durch diese Leistungen belastet? 4. Für welche Leistungen flossen in dem jeweiligen Jahr jeweils Mittel in welcher Höhe? Die Ausgaben können einzelnen Personen und Personengruppen nicht eindeutig zugeordnet werden. Hierzu wäre eine aufwendige Sonderauswertung aus dem Bewilligungsverfahren PROSA notwendig. Für eine derartige Sonderauswertung müsste jede Fallakte einzeln betrachtet werden, das heißt pro Jahr circa 45.000 Akten. Die Daten müssen händisch ausgewertet werden. Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Zudem wäre bei einer derartigen Betrachtung auch lediglich die Höhe der Bewilligungen feststellbar und nicht die tatsächlich geflossenen Mittel. Die tatsächlich geflossenen Haushaltsmittel können aus technischen Gründen nicht nach einzelnen Personen oder Personengruppen aufgeschlüsselt werden. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4278 3 Anlage Empfänger von Leistungen nach dem SGB XII nach Staatsangehörigkeiten Gesamt Gesamt belgisch 10 10 britisch 0 0 bulgarisch 15 22 dänisch 11 14 estnisch 9 9 finnisch 13 22 französisch 49 64 griechisch 262 261 irisch 14 26 italienisch 159 159 kroatisch 123 132 lettisch 15 17 litauisch 19 21 luxemburgisch 4 2 maltesisch 0 0 niederländisch 37 42 österreichisch 96 107 polnisch 409 461 portugiesisch 175 189 rumänisch 17 20 schwedisch 10 11 slowakisch 7 6 slowenisch 23 20 spanisch 50 59 tschechisch 15 14 ungarisch 19 21 Gesamt 1.560 1.708 deutsch 34.015 35.616 EU Gesamt 35.575 37.324 2014 2015 Quelle: Datawarehouse, Geschäftsstatistik