BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4289 21. Wahlperiode 10.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 02.05.16 und Antwort des Senats Betr.: Besitzen alle im Ganztag beschäftigten Personen ein erweitertes Führungszeugnis ? Vor dem Landgericht Darmstadt muss sich zurzeit ein 29-jähriger Erzieher wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern verantworten. Um solche schrecklichen Vorfälle zu vermeiden, hat der Gesetzgeber zum 1. Mai 2010 das erweiterte Führungszeugnis eingeführt. Ein erweitertes Führungszeugnis gemäß § 30a BZRG wird unter anderem benötigt für Tätigkeiten im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit, für berufliche oder ehrenamtliche Beschäftigung in den Bereichen Beaufsichtigung, Betreuung, Erziehung oder Ausbildung Minderjähriger sowie in Bereichen mit Kontakt zu Minderjährigen. Auch im Rahmen der Ganztagsbetreuung an unseren Schulen wird eine Vielzahl an Honorarkräften und Ehrenamtlichen eingesetzt. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wer überprüft zu welchem Zeitpunkt die Vorlage eines erweiterten Führungszeugnisses gemäß § 30a BZRG bei a. Honorarkräften und b. Ehrenamtlichen, die im Rahmen der Ganztagsbetreuung an unseren Schulen eingesetzt werden? In Schulen mit einem Ganztagsangebot in schulischer Verantwortung (GTS-Schulen) prüft die Schulleitung als Auftraggeber vor Aufnahme der Tätigkeit von Honorarkräften und von Ehrenamtlichen, ob ein erweitertes Führungszeugnis vorliegt. Die Tätigkeit darf erst aufgenommen werden, wenn ein erweitertes Führungszeugnis vorliegt. Zum Angebot der Ganztägigen Betreuung und Bildung an Schulen siehe Antwort zu 2. 2. Wie wird gewährleistet, dass niemand im Bereich der Kinder- und Jugendarbeit eingesetzt wird, der noch kein erweitertes Führungszeugnis vorgelegt hat? Der Tätigkeitsausschluss einschlägig vorbestrafter Personen im Arbeitsfeld der Jugendhilfe ist über § 72a SGB VIII normiert. Die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) hat dazu im Dezember 2013, die mit den Hamburger Wohlfahrtsverbänden (Diakonie, Caritas, AWO, DRK, Parität), dem Bundesverband der privaten Anbieter sozialer Dienste e.V. (bpa) in Hamburg, dem SOAL – Alternativer Wohlfahrtsverband e.V., dem Verband Kinder- und Jugendarbeit Hamburg e.V. in Drucksache 21/4289 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 seiner Rolle als Dachverband, der Elbkinder - Vereinigung Hamburger Kitas gGmbH sowie den Bezirksämtern gemeinsam geschlossene Rahmenvereinbarung zum Schutzauftrag der Kinder- und Jugendhilfe grundlegend modifiziert. In dieser Rahmenvereinbarung ist geregelt, dass die Träger der Jugendhilfe bei Einstellung, anlassbezogen und in einem Abstand von maximal fünf Jahren, sich von ihren Beschäftigten erweiterte Führungszeugnisse vorlegen lassen müssen. Gleiches gilt für neben- und ehrenamtliche Kräfte, die regelhaft und allein ohne weitere Aufsicht Kinder betreuen. Diese Rahmenvereinbarung ist Bestandteil des Landesrahmenvertrages „Kindertagesbetreuung in Tageseinrichtungen“. Die Kita-Gutscheineinrichtungen sind dem Landesrahmenvertrag beigetreten. Durch diesen Beitritt verpflichten sich die Träger der Kitas, die zum Schutz von Kindern erforderlichen Maßnahmen entsprechend der Rahmenvereinbarung zu ergreifen. Der Landesrahmenvertrag für die „Ganztägige Bildung und Betreuung an Schulen in Kooperation mit Trägern der Kinder- und Jugendhilfe“ beinhaltet in § 11 „Schutz von Kindern“ eine mit den Regelungen des LRV „Kinderbetreuung in Tageseinrichtungen“ identische Anforderung. Auch die Träger von Maßnahmen der Hilfen zur Erziehung sind der Rahmenvereinbarung beigetreten (rund 180), ebenso die geförderten freien Träger der Kinder- und Jugendarbeit und der Familienförderung, soweit sie unmittelbar mit Minderjährigen zu tun haben (knapp 200). Mit den rund 60 aktiven Jugendverbänden wurden Einzelvereinbarungen zum § 72 a SGB VIII geschlossen, die hier regeln, in welchen Fällen ein erweitertes Führungszeugnis vorzulegen ist. Eine Förderung der Träger ist von dem Beitritt zur Rahmenvereinbarung abhängig. 3. Wie viele Anzeigen wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern wurden gegen Lehrkräfte, Erzieher oder sonstige Personen, die in Hamburg in einer Kita oder einer Schule beschäftigt waren beziehungsweise sind, gestellt? Zu wie vielen Verurteilungen mit jeweils welchem Strafmaß kam es daraufhin? Bitte pro Jahr darstellen. Statistiken im Sinne der Fragestellung werden bei der Polizei nicht geführt. Für die Beantwortung wäre eine manuelle Auswertung sämtlicher kriminalpolizeilicher Handund Ermittlungsakten erforderlich. Die Durchsicht von über zweihunderttausend Vorgängen pro Jahr ist in der für Parlamentarische Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Die Polizei erfasst Straften nach Abschluss aller polizeilichen Ermittlungen in der bundesweit einheitlich geführten Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS). In der PKS werden die erfragten persönlichen Merkmale zum Tatverdächtigen (Lehrer, Erzieher et cetera) nicht erfasst. Der PKS-Summenschlüssel 894000 „Sexueller Missbrauch von Kindern“ umfasst folgende Deliktsbereiche: 131*** Sexueller Missbrauch von Kindern gemäß §§ 176, 176a, 176b Strafgesetzbuch (StGB) 131010 Handlungen gemäß § 176 Absatz 5 StGB 131100 Sexuelle Handlungen gemäß § 176 Absatz 1 und 2 StGB 131200 Exhibitionistische/sexuelle Handlungen vor Kindern § 176 Absatz 4 Nummer 1 StGB 131300 Sexuelle Handlungen gemäß § 176 Absatz 4 Nummer 2 StGB 131400 Einwirken auf Kinder gemäß § 176 Absatz 4 Nummer 3 und 4 StGB 131500 Vollzug des Beischlafs mit einem Kind oder Vornahme einer ähnlichen sexuellen Handlung nach § 176a Absatz 2 Nummer 1 StGB 131600 Schwerer sexueller Missbrauch von Kindern zur Herstellung und Verbreitung pornographischer Schriften § 176a Absatz 3 StGB Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4289 3 131700 Sonstiger schwerer sexueller Missbrauch von Kindern gemäß § 176a StGB 131800 Sexueller Missbrauch von Kindern mit Todesfolge § 176b StGB Zu den insgesamt für den PKS-Summenschlüssel 894000 erfassten Taten und Tatverdächtigen siehe nachstehende Tabelle: Jahr erfasste Fälle ermittelte Tatverdächtige 2010 189 129 2011 179 137 2012 211 121 2013 196 144 2014 216 169 2015 214 139 Der zur Beantwortung der Frage erforderliche Umstand, ob der Beschuldigte eines Ermittlungsverfahrens wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern Lehrkraft, Erzieher oder sonstiger Mitarbeiter einer Kindertagesstätte oder Schule (zum Beispiel Hausmeister oder Bürokraft) ist, wird im Vorgangsverwaltungs- und -bearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg nicht erfasst. Es müssten daher zur Beantwortung dieser Frage jedenfalls sämtliche wegen des Vorwurfs einer Straftat nach §§ 174, 176, 176a StGB geführte Verfahren aus den Aktenzeichenjahrgängen 2010 bis 2016 händisch ausgewertet werden. Insoweit handelt es für die vorgenannten Delikte um knapp 2000 Verfahren gegen namentlich bekannte Personen1. 1 Die genannte Anzahl der Verfahrensakten steht unter dem Vorbehalt der vollständigen und richtigen Erfassung in MESTA, das nicht als Statistikprogramm konzipiert ist; Stichtag: 03.05.2016.