BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4295 21. Wahlperiode 10.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 02.05.16 und Antwort des Senats Betr.: Hamburger Schüler Opfer politischer Indoktrination? Eltern von Hamburger Schülern haben darauf hingewiesen, dass aktuelle Arbeitsblätter des Schroedel Schulbuchverlags (Westermann Gruppe) im Hamburger PGW-Unterricht (Politik/Gesellschaft/Wirtschaft) und im Deutschunterricht sowohl an Gymnasien als auch an Stadtteilschulen eingesetzt werden. In den eingesetzten Arbeitsblättern sind unter anderem folgende Aussagen über die Partei AfD zu finden: 1. „Die Partei Alternative für Deutschland (AfD) ist zum ersten Mal in allen drei Landtagen vertreten. (…) Viele Anhänger und Politiker der Partei hetzen gegen Ausländer (…) Die AfD fördert mit ihren Aussagen die Angst der Menschen vor Ausländern.“ 2. „(Die AfD will) Muslime schikanieren“ und „Frauen (sollen) zurück an den Herd.“ 3. „(Die AfD will) Grenzen schließen (…) Deutschland den Deutschen – Ausländer raus also.“ 4. „(Die AfD sagt, dass) der radioaktive Müll nicht entsorgt werden solle.“1 Bei den zitierten Aussagen aus den Arbeitsblättern des Schroedel Schulbuchverlages handelt es sich um zahlreiche nachweislich falsche Aussagen (zum Beispiel „(Die AfD sagt, dass) der radioaktive Müll nicht entsorgt werden solle.“ oder: „Deutschland den Deutschen – Ausländer raus also.“) sowie um stark verzerrende und tendenziöse Aussagen (zum Beispiel „Frauen (sollen ) zurück an den Herd.“). Als Quelle dieser Aussagen wird unter anderem auf den linken „Recherche“-Blog „Correctiv“ verwiesen, anstatt auf den offiziellen und gültigen Entwurf zum Parteiprogramm der AfD, wie er für jedermann auf der Internetseite der Alternative für Deutschland öffentlich zugänglich ist. Die Eltern weisen überdies darauf hin, dass der Inhalt dieser Arbeitsblätter dann in Tests abgefragt und benotet wird. Im aktuellen Bildungsplan für das Fach PGW an Hamburger Gymnasien in der Sekundarstufe I heißt es im Bereich der „Didaktischen Grundsätze im 1 Arbeitsblätter mit AfD-Bezug, hier zum Beispiel: „Wahlprogramm: Was die AfD wirklich will?“, unter: https://verlage.westermanngruppe.de/schroedel/suche?q=afd&qs=benutzereingabe (aufgerufen am: 27.04.2016). Drucksache 21/4295 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Fach PGW“ unter der Überschrift „Leitlinie für den Unterricht im Fach PGW ist der Beutelsbacher Konsens“: „Die Lehrenden dürfen den Schülern nicht ihre Meinung aufzwingen. Schüler sollen sich mithilfe des Unterrichts eine eigenständige Meinung bilden können (Überwältigungsverbot –Indoktrinationsverbot).“2 Mit Bezug auf unter anderem diesen didaktischen Grundsatz heißt es unter der Überschrift „Grundsätze der Leistungsrückmeldung und -bewertung“ im aktuellen Bildungsplan für das Fach PGW an Hamburger Gymnasien in der Sekundarstufe I: „Die Bewertungskriterien orientieren sich an den fachlichen und überfachlichen Zielen, Grundsätzen, Inhalten und Anforderungen des Unterrichts im Fach PGW.“3 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat mit der ausdrücklichen Bitte um separate Beantwortung jeder einzelnen Frage (keine Fragenblöcke beantworten !) Grundlage für den Unterricht im Fach Politik, Gesellschaft, Wirtschaft (PGW) sind die Rahmenpläne der weiterführenden Schulen. Für die Gestaltung des jeweiligen Unterrichts gelten didaktische Grundsätze, wie der „Beutelsbacher Konsens“. Dieser verpflichtet die Lehrkräfte, ihren Schülerinnen und Schülern keine Meinung aufzuzwingen (Indoktrinations-/Überwältigungsverbot), kontroverse Themen auch als solche darzustellen (Kontroversitätsgebot) und an der Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler anzusetzen (Schülerorientierung). Die Schülerinnen und Schüler sollen durch den Unterricht in die Lage versetzt werden, die politische Situation der Gesellschaft und ihre eigene Position zu analysieren, sich mithilfe des Unterrichts eine eigene Meinung zu bilden und sich aktiv am politischen Prozess beteiligen zu können. Um diese Ziele zu erreichen, werden im PGW-Unterricht insbesondere auch aktuelle Publikationen und tagesaktuelle Materialien, wie zum Beispiel Auszüge aus Zeitungen oder Zeitschriften eingesetzt. Die Materialien werden von den Lehrkräften entweder selbst zusammengestellt oder sie nutzen gegebenenfalls bereits didaktisch aufbereitete Vorlagen der Schulbuchverlage oder Internetportale. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Ist dem Senat der Einsatz der zitierten Arbeitsblätter im Hamburger PGW- und Deutschunterricht bekannt? Wenn ja: Seit wann? Und in welchem Umfang? Wer hat den Einsatz dieser Arbeitsblätter genehmigt? 2. An welchen Hamburger Schulen wird aus Mitteln des Schuletats oder aus anderen Mitteln der „öffentlichen Hand“ der Download dieser Arbeitsblätter des Schroedel Schulbuchverlags (Westermann Gruppe), zum Beispiel durch ein Schul-Abonnement oder eine Schullizenz, finanziell unterstützt? Bitte sämtliche Hamburger Schulen abfragen und einzeln auflisten! 3. Welche Lehrwerke aus dem Schroedel Schulbuchverlag (Westermann Gruppe) werden im Hamburger PGW-Unterricht noch eingesetzt? Bitte alle zuständigen Fachleitungen sämtlicher Hamburger Schulen abfragen und die Ergebnisse auflisten! 2 Bildungsplan Gymnasium, Sekundarstufe I, Politik/Gesellschaft/Wirtschaft, unter: http://www.hamburg.de/contentblob/2373332/data/pgw-gym-seki.pdf, Seite 16 (abgerufen am: 27.04.2016). 3 Bildungsplan Gymnasium, Sekundarstufe I, Politik/Gesellschaft/Wirtschaft, unter: http://www.hamburg.de/contentblob/2373332/data/pgw-gym-seki.pdf, Seite 29 (abgerufen am: 27.04.2016). Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4295 3 Die zuständige Behörde erfasst die durch die Lehrkräfte im Fachunterricht eingesetzten Lehr- und Lernmaterialien nicht. In Hamburg wie auch in anderen Ländern gibt es kein formales Genehmigungs- beziehungsweise Freigabeverfahren von Lehrwerken für den schulischen Unterricht; dies schließt Materialien wie die in dieser Schriftlichen Kleinen Anfrage zitierten ein. Vor dem Hintergrund ihrer pädagogischen Verantwortung für die Gestaltung des Unterrichts entscheiden die Lehrkräfte im Rahmen der geltenden rechtlichen Vorgaben (Hamburgisches Schulgesetz, Ausbildungs- und Prüfungsordnungen, Bildungspläne ) eigenständig über die in ihrem Unterricht eingesetzten Lehr- und Lernmittel. 4. Wie bewertet der Senat den Einsatz der genannten Arbeitsblätter hinsichtlich ihres Aussagegehalts und der Bezug nehmenden Quellen? 5. Wie bewertet der Senat den Einsatz der genannten Arbeitsblätter hinsichtlich des Indoktrinations- und Überwältigungsverbotes nach dem Beutelsbacher Konsens und den darauf Bezug nehmenden Vorgaben aus den aktuellen Bildungsplänen für das Fach PGW an Hamburger Gymnasien und Stadtteilschulen? 6. Wie bewerten der Senat und die Behörde für Schule und Berufsbildung den Vorgang, dass Inhalte dieser Arbeitsblätter in Tests abgefragt und benotet wurden und werden? Siehe Vorbemerkung. 7. Sieht sich der Senat aufgrund des Einsatzes der genannten Arbeitsblätter im Hamburger PGW-Unterricht dazu veranlasst, die unterrichtenden Fachlehrer und Fachleitungen auf das strikte Einhalten des Verbotes der politischen Indoktrination und Überwältigung hinzuweisen? Wenn ja: In welcher Form wird das passieren? Wenn nein: warum nicht? 8. Sieht sich der Senat aufgrund der nachweislich fehlerhaften und verzerrten inhaltlichen Aussagen in den genannten Arbeitsblättern über die Partei AfD dazu veranlasst, die Verwendung der genannten Arbeitsblätter im Hamburger PGW-Unterricht per Anordnung zu untersagen? Siehe Antwort zu 1. bis 3. sowie Vorbemerkung. Im Übrigen hat sich der Senat damit nicht befasst. 9. Ist dem Senat bewusst, dass in privatwirtschaftlich organisierten Schulverlagen , zu denen auch der Schroedel Verlag zählt, zahlreiche Personen arbeiten, die nicht über eine didaktische Ausbildung (zum Beispiel in Form eines absolvierten Ersten und Zweiten Staatsexamens für das Lehramt an allgemein- oder berufsbildenden Schulen) verfügen? Wenn ja: Welche Schlussfolgerungen leitet der Senat daraus für den Einsatz solcher Unterrichtsmaterialien im laufenden PGW-Unterricht ab? Dazu liegen der zuständigen Behörde keine Kenntnisse vor. Im Übrigen hat sich der Senat hiermit nicht befasst.