BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4317 21. Wahlperiode 10.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 03.05.16 und Antwort des Senats Betr.: Kosten der Gewährung von Kirchenasyl in der Hamburger Kirchengemeinde St. Michaelis Am 17.09.2015 „besetzte“ die Gruppe „Roma Jekipe Ano Hamburg“ durch das Haupttor kommend mit rund 50 Menschen die Hamburger Hauptkirche St. Michaelis, um damit gegen die ihnen drohende Abschiebung aus Deutschland zu protestieren. Bei den Personen soll es sich um Asylbewerber der Volksgruppe Roma, aus Serbien, Mazedonien Bosnien-Herzegowina und dem Kosovo stammend, handeln, deren Abschiebung unmittelbar bevorstand . Wie das „Hamburger Abendblatt“ am 17.09.15 berichtete, unterstützten rund 20 Aktivisten unter anderem aus dem Umfeld des Bündnisses „Recht auf Stadt – never mind the papers!“ sowie dem Kollektiven Zentrum „KoZe“ im Münzviertel diese Aktion.1 Erste Verhandlungen am gleichen Tage führten dazu, dass die Asylbewerber-Gruppe im Gemeindehaus nächtigte. Anschließend wurden die Roma in mehreren Büroräumen der St.-Michaelis- Gemeinde beziehungsweise in Liegenschaften des evangelischen Kirchenkreises Hamburg-Ost untergebracht.2 Die Flüchtlingspastorin Dietling Jochims stellte umgehend ausdrücklich klar, dass es sich lediglich um die Gewährung humanitärer Hilfe handele, die Versorgung der Flüchtlinge jedoch kein Kirchenasyl sei.3 Diese Hilfeleistung seitens der Kirchgemeinde dauert derzeit an.4 Bei Kirchenasyl und so erst recht bei Maßnahmen wie der vorliegenden, die die betreffende Kirchgemeinde selbst nicht einmal als ein solches bezeichnet , handelt es sich um kein in der Rechtsordnung anerkanntes Recht, sondern um eine Gesetzesverletzung, die mit dem Anstrich des „zivilen Ungehorsams “ beschönigt wird.5 Dennoch hält die ökumenische Bundesarbeitsgemeinschaft „Asyl in der Kirche“ genaue Handlungsanweisungen zumindest für die Fälle des Kirchenasyls bereit. Dort werden Hinweise gegeben, wann und wie das Kirchenasyl öffentlich gemacht werden soll, wie die Unterbringung und die Krankenbehandlung erfolgen können. In jedem Fall müssen während der Dauer der „Hilfeleistung“ Mittel für Unterkunft, Lebenshaltung, medizinische Versorgung und so weiter erbracht werden, die eine beträchtliche Höhe erreichen können. 1„50 Roma-Flüchtlinge übernachten im Hamburger Michel“, „Hamburger Abendblatt“ online vom 17.09.2015; „Roma-Gruppe verlässt den Hamburger Michel“, „Die Welt“ online vom 18.09.2015. 2 „Roma aus dem Michel vor der Abschiebung“, „Hamburger Abendblatt“ vom 18.04.2016; „Roma -Familien haben den Michel verlassen“, kirche-hamburg.de. 3 „Roma-Familien haben den Michel verlassen“, kirche-hamburg.de. 4 „Roma aus dem Michel vor der Abschiebung“, „Hamburger Abendblatt“ vom 18.04.2016. 5 Münch, NJW 1995, 565 (566). Drucksache 21/4317 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der zuständigen Behörde sind die Identitäten der betroffenen Personen weiterhin nicht bekannt. Siehe im Übrigen Drs. 21/1683 und 21/4185. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wann und durch wen erhielt der Senat Kenntnis von der oben genannten „Hilfeleistung“ der Kirchengemeinde St. Michaelis? 2. Wurde dem Senat die „Hilfeleistung“ als Kirchenasyl seitens der Gemeinde St. Michaelis bekanntgegeben? a. Falls ja, lag dem ein Beschluss des Kirchengemeinderates zugrunde und wurde auch dieser dem Senat bekannt gegeben? b. Falls nein, als was wurde sie dem Senat gegenüber bezeichnet? Siehe Vorbemerkung. c. Wie bewertet der Senat das Institut des Kirchenasyls im Allgemeinen und wie speziell im Fall der hier asylsuchenden Roma? Kirchenasyl stellt eine historisch überlieferte Form der Schutzgewährung dar. Gemäß § 5 Absatz 1 Asylgesetz haben über eine asylrechtliche Schutzgewährung das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) beziehungsweise die zuständigen Gerichte zu entscheiden. 3. Aus wie vielen Personen bestand die Gruppe der Asylbewerber zu Beginn der „Besetzung“? Bitte aufschlüsseln nach Geschlecht, Alter, Familienzugehörigkeit! 4. Veränderte sich die Anzahl dieser Personen während der Dauer der „Hilfeleistung “ bis heute? a. Wenn ja, in welcher Weise? Bitte genau mit Datum benennen sowie nach Geschlecht und Alter aufschlüsseln! b. Worin lagen die Gründe für die Veränderung? Bitte für jede Person separat benennen! 5. Besuchten beziehungsweise besuchen die Personen dieser Asylbewerbergruppe , die im schulpflichtigen Alter sind, weiterhin den Schulunterricht ? 6. a. Hat der Senat Kenntnis darüber, wie die Finanzierung dieser „Hilfeleistung “ erfolgt und durch wen die Mittel für Unterkunft, Lebenshaltung et cetera bereitgestellt werden? b. Hat der Senat Kenntnis von der Bewilligung öffentlicher Gelder im Zusammenhang mit dieser „Hilfeleistung“? c. Wenn ja, in welcher Höhe, in welcher Art und durch welche Behörde wurden diese gewährt? 7. Erhielten beziehungsweise erhalten die sich in der Obhut der Kirche befindlichen Roma weiterhin Leistungen nach dem AsylbLG und wenn ja, in welchem Umfang? Bitte nach Tatbestand und Leistungshöhe genau aufschlüsseln. 8. Wie erfolgte beziehungsweise erfolgt die Gesundheitsversorgung dieser Roma-Gruppe und werden dafür staatliche Leistungen in welcher Höhe in Anspruch genommen? Siehe Vorbemerkung. 9. Wird das Kollektive Zentrum „KoZe“ vom Senat finanziell unterstützt? Wenn ja, in welcher Höhe? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4317 3 Nein. 10. Wird das Hamburger Bündnis „Recht auf Stadt – never mind the papers“ vom Senat finanziell unterstützt? Wenn ja, in welcher Höhe? Nein. 11. Die einzelnen Personen aus dieser Roma-Gruppe wurden auf verschiedene Liegenschaften des evangelischen Kirchenkreises Hamburg-Ost verteilt. a. Wo befinden sich diese so genutzten Liegenschaften (Adressen mitteilen ) und wie viele Personen wurden jeweils dort untergebracht? b. Befanden sich die Personen auf dem Weg zu diesen Liegenschaften außerhalb des kirchlichen „Schutzraums“? c. Erfolgten auf diesem Weg von einer Unterkunft zur nächsten staatliche Zugriffe, um die angedrohte Abschiebung zu vollziehen? d. Falls nein, warum erfolgten diese nach Ansicht des Senats nicht? e. Hielte der Senat solche Zugriffe für essenziell oder zumindest für wünschenswert? Siehe Vorbemerkung. Der Aufenthaltsort oder ein Wechsel desselben ist der zuständigen Behörde nicht bekannt.