BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4319 21. Wahlperiode 10.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Daniel Oetzel (FDP) vom 03.05.16 und Antwort des Senats Betr.: Braucht Hamburgs Ganztag Nachhilfe? Laut der aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung ist die Ganztagsschule in den einzelnen Bundesländern sehr unterschiedlich ausgestattet.1 In der aktuellen Berichterstattung wird unter anderem erwähnt, dass Hamburg in diesem Bereich Nachholbedarf hat.2 Besonders wird in der Studie kritisiert, dass Hamburgs Schüler 11,4 zusätzliche Stunden absolvieren, jedoch nur zusätzliches Personal für 4,1 Stunden bereitgestellt wird. Dies liegt deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. Auch in der Ausfinanzierung liegt Hamburg laut der Studie deutlich unter dem Bundesdurchschnitt. In der Pressemitteilung der Schulbehörde zur Studie der Bertelsmann Stiftung3 teilte der Pressesprecher Peter Albrecht mit, dass die Studie viele Fragen aufgeworfen habe und auch einige Zahlen aus Sicht der Behörde angezweifelt werden. Sie beruhten laut Senat auf „wenig plausiblen Vorannahmen und Sonderberechnungen “. Zudem kündigte Albrecht an, dass die Zahlen der Studie von der Behörde überprüft werden sollen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche Zahlen und Ergebnisse der Studie werden von der Schulbehörde infrage gestellt? Bitte jeweils zusätzlich die nach Ansicht der Schulbehörde korrekten Zahlen und Sachverhalte angeben. 2. Auf welchen „wenig plausiblen Vorannahmen und Sonderberechnungen“ beruht die Studie laut Senat? Bitte die Vorannahmen und Sonderberechnungen konkret benennen. 3. Welche „realen Aufwendungen“ sind konkret gemeint, die „in Hamburg zum Teil doppelt so hoch wie in den veröffentlichten Tabellen angegeben “4 liegen? 4. Welche Berechnungsgrundlage verwendet die Schulbehörde für diese Aufwendungen? Die zuständige Behörde stellt insbesondere die Darstellung der jährlichen Aufwendungen der Länder für Ganztagsangebote infrage, da zumindest für Hamburg die tatsächlichen Aufwendungen nur zum Teil bei den Berechnungen berücksichtigt worden sind. Nicht berücksichtigt werden die Aufwendungen im Kontext der Initiative Lebenswerte Stadt (Drs. 18/5462), die Aufwendungen für den 5. Tag (Drs. 20/3642) 1 Abrufbar unter: http://www.bertelsmann-stiftung.de/de/publikationen/publikation/did/dielandesseitige -ausstattung-gebundener-ganztagsschulen-mit-personellen-ressourcen/. 2 Viel Ganztag, aber wenig Personal in Hamburgs Ganztag, dpa, zeit.de vom 28.04.16. 3 Abrufbar unter: http://www.hamburg.de/pressearchiv-fhh/5934366/2016-04-29-ganztag/. 4 Peter Albrecht im Newsletter der Schulbehörde vom 29. April 2016. Drucksache 21/4319 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 sowie die Mehrzuweisung für die LSE-Förderung (Drs. 20/3641). Die tatsächlichen Personalkosten für den Ganztag liegen je nach Schulform und Sozialindex zwischen rund 50 Prozent und bis zu 250 Prozent über den in der Studie ausgewiesenen Kosten . Da alle Folgeberechnungen die Studie der Bertelsmann Stiftung auf fehlerhaften Annahmen zu den jährlichen Aufwendungen beruhen, müssen die im Weiteren genannten Zahlen wie auch die daraus entwickelten Ergebnisse infrage gestellt werden . 5. Wie erklärt sich der Senat das Auseinanderfallen der Ansichten über die Qualität im Hamburger Ganztag zwischen der Bertelsmann-Studie und der Schulbehörde? 6. Auf welche Weise soll die Studie überprüft werden? 7. Liegen schon Ergebnisse der Überprüfung vor? Wenn ja, welche? Wenn nein, bis wann soll die Studie von der Schulbehörde überprüft werden? 8. Welche konkreten Schritte plant der Senat in der Kultusministerkonferenz (KMK) zu diesem Thema und mit welchem Ziel? In der Studie wird nicht die Qualität der Ganztagsangebote untersucht, sondern lediglich die landesseitige Ausstattung gebundener Ganztagsschulen mit personellen Ressourcen . Dabei vertreten die Autoren die einseitige Auffassung, nur gebundene Ganztagsschulen mit verpflichtender Teilnahme seien „echte“ Ganztagsschulen. Alle anderen Organisationsformen ganztägiger Bildung und Betreuung werden nicht berücksichtigt und die zum Teil erheblichen Anstrengungen der Länder zur Schaffung eines bedarfsdeckenden Angebotes nicht berücksichtigt. So hielten beispielsweise nach Angaben der Kultusministerkonferenz (KMK) 53,4 Prozent aller Grundschulen im Jahr 2014 ein ganztägiges Bildungs- und Betreuungsangebot vor. Bei 2,5 Prozent dieser Grundschulen handelt es sich um die in der Studie betrachteten gebundenen Ganztagsgrundschulen (1,3 Prozent aller Grundschulen). Einen wissenschaftlichen Beweis, dass gebundene Ganztagsschulen leistungsfähiger seien als offene, bleiben sie schuldig. Die zuständige Behörde wird mit den Autoren der Studie sowie der Bertelsmann Stiftung Kontakt aufnehmen, um sich unter anderem über die Fokussierung des Berichts auf die gebundene Form der Ganztagsschule und die unvollständige Berücksichtigung der Bedarfsgrundlagen auszutauschen. Da sich zwischenzeitlich Annahmen der Autoren zu den Ressourcenausstattungen auch zumindest in einem anderen Land als falsch herausgestellt haben (siehe die korrigierte Pressemitteilung der Stiftung vom 02.05.2016: https://www.bertelsmann-stiftung.de/de/presse/pressemitteilungen/ pressemitteilung/pid/flickenteppich-ganztagsschule-grosse-unterschiede-zwischenden -bundeslaendern/), wird die zuständige Behörde in der KMK eine Überprüfung der Ressourcenannahmen durch alle Länder anregen. Darüber hinaus wird die zuständige Behörde ein Gespräch der KMK mit der Bertelsmann Stiftung zu ländervergleichenden Studien und ihrer besseren fachlichen und wissenschaftliche Fundierung anregen.