BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4343 21. Wahlperiode 10.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 04.05.16 und Antwort des Senats Betr.: 15. Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September 2001: Wie wird das Thema vor dem Hintergrund der Beteiligung der Hamburger Terrorzelle um Mohammed Atta in den Schulen behandelt? Der islamistische Terroranschlag vom 11. September 2001 in New York jährt sich nun zum 15. Mal. Und auch in diesem Jahr gedenken wieder viele Menschen auf der Welt der etwa 3.000 Todesopfer - darunter auch elf Deutsche. Maßgeblich beteiligt an der Planung und Durchführung der Anschläge war eine Gruppe von radikal-islamistischen Muslimen in Hamburg. Mutmaßlicher Kopf der Terrorgruppe und al-Qaida-Zelle war Mohammed Atta, der in der Marienstraße in Hamburg-Eißendorf wohnte und an der TU-Hamburg- Harburg studierte. Mohammed Atta steuerte das erste Flugzeug als Terrorpilot in den Nordturm des WTC. Zu den weiteren Mitgliedern der Hamburger Terrorzelle gehörten: - Marwan Yousef al-Shehhi (Student der TU Hamburg-Harburg und Pilot des Flugzeuges, welches in den Südturm des WTC flog) - Ziad Jarrah (Student der Fachhochschule Hamburg und Entführer des Flugzeuges, welches über Pennsylvania abgestürzte) - Ramzi Binalshibh (Mitbewohner Attas in der Marienstraße, heute inhaftiert im US-Gefangenenlager Guantanamo) - Said Bahaji (Student der TU Hamburg-Harburg und Mitbewohner Attas in der Marienstraße, heutiger Aufenthalt unbekannt) - Zakariya Essabar (gemeldet in der Hamburger Marienstraße 54, Aufenthalt unbekannt) - Mounir al-Motassadeq (Student der TU Hamburg-Harburg, verurteilt wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung und der Beihilfe zum Mord in 246 Fällen) Die Mitglieder der Hamburger Terrorzelle verkehrten häufig in der Hamburger al-Quds-Moschee und vertraten eine radikal-salafistische Lehre. Drei der insgesamt vier „Selbstmord“-Piloten stammen aus der Hamburger Zelle. Fast alle Mitglieder studierten an Hamburger Hochschulen. Alle Mitglieder hatten in den Jahren der Planung und vor der Durchführung der Anschläge ihren Lebensmittelpunkt in Hamburg. Drucksache 21/4343 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Aus kriminal-soziologischer Perspektive kann die Frage aufgeworfen werden, welche Faktoren dazu beigetragen haben könnten, dass an der Technischen Universität Hamburg-Harburg ein radikal-salafistisches Milieu entstehen konnte, in der eine Gruppe von Studenten einen Anschlag dieser Dimension vorbereiten und durchführen konnte.1 Auch die Rolle des Hamburger Landesamtes für Verfassungsschutz unter seinem damaligen Präsidenten Reinhard Wagner könnte diskutiert werden. In jedem Fall markiert das Entstehen und Agieren der Terrorzelle ein dunkles Kapitel in der Historie der Stadt. Neben dem jährlichen Gedenken der Todesopfer könnten eine genaue Aufarbeitung der Ursachen der Anschläge und eine Erinnerungskultur an die islamistischen Verbrechen der Hamburger Terrorzelle in der schulischen Bildung in Betracht kommen und in Zukunft eine stärkere Rolle spielen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Inwieweit und in welchem Umfang wurde und/oder wird das Entstehen und Wirken der Hamburger Terrorzelle im Geschichts- oder PGW- Unterricht der Hamburger Stadtteilschulen und Gymnasien explizit thematisiert ? (Bitte keine Hinweise auf die generelle Thematisierung von Islamismus in Hamburger Schulen anführen, das ist bereits bekannt.) Die für Bildung zuständige Behörde erhebt nicht die konkreten Einzelthemen, die Lehrkräfte im Geschichts- oder Politik-Gesellschaft-Wirtschaft-(PGW)-Unterricht an Stadtteilschulen beziehungsweise Gymnasien mit ihren Schülerinnen und Schülern bearbeiten. Die in den Rahmenplänen enthaltenen inhaltlichen Vorgaben in den Fächern Geschichte und PGW orientieren sich in der Regel an übergreifenden, grundsätzlichen Themenfeldern und -schwerpunkten, nicht aber an Einzelereignissen. Über die Konkretisierung der inhaltlichen und kompetenzbezogenen Rahmenplanvorgaben in Einzelthemen entscheiden die Lehrkräfte im Rahmen ihrer pädagogischen Verantwortung für die Gestaltung des Unterrichts eigenständig; dabei sind die geltenden rechtlichen Vorgaben zu beachten. 2. Inwieweit war und/oder ist das Entstehen und Wirken der Hamburger Terrorzelle (auch teilweise) expliziter Bestandteil von Lehrerfortbildungen , Handreichungen oder Broschüren, veranstaltet oder herausgegeben von der Behörde für Schule und Berufsbildung? In Fortbildungen und Beratungen, in denen das Thema Terrorismus aufgegriffen wird, wird auf das bundesweit zur Verfügung gestellte Unterrichtsmaterial zum 11. September 2001 verwiesen. Dazu gehören beispielsweise das Informations-Portal zur politischen Bildung, ein Angebot der Landeszentralen für politische Bildung (siehe http://www.politische-bildung.de/internationaler_terrorismus.html) sowie diverse Materialien der Bundeszentrale für politische Bildung, die unter der Suchfunktion des entsprechenden Internetauftritts http://www.bpb.de/ zu finden sind. Darüber hinaus wurden von der für Bildung zuständigen Behörde keine spezifischen Publikationen zu diesem Thema erstellt. 3. Inwieweit war das Entstehen und Wirken der Hamburger Terrorzelle (auch teilweise) Bestandteil von schriftlichen oder mündlichen Prüfungen in den ersten, zweiten und dritten Bildungsabschlüssen der Hamburger Schulen bis heute? 1 Ehemalige Studenten der TU Hamburg-Harburg berichten über verschiedene Uni-Zeitungen, darunter die populäre „Unicum“, welche bereits vor den Anschlägen über die Ausbreitung islamischer Extremisten in Hamburger Hochschulen berichteten. Überdies wurde von Extra- Räumen zum Beten an der TU-Hamburg-Harburg berichtet („Islam-AG“), in denen die Terroristen unter anderem die Anschläge vorbereiteten und Modelle des Pentagon und Ähnliches entwarfen („Den Professor des Todespiloten quält die Erinnerung“, in: http://www.welt.de/ politik/deutschland/article13595967/Den-Professor-des-Todespiloten-quaelt-die- Erinnerung.html (abgerufen am: 20.04.2016). Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4343 3 Zum Erwerb des ersten allgemeinbildenden und des mittleren Schulabschlusses finden zentrale schriftliche Prüfungen in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik statt. Im Rahmen dieser schriftlichen Prüfungen wurde das genannte Thema nicht behandelt. Das gilt auch für die seit 2014 im Abitur schriftlich zentral geprüften Fächer Geschichte und PGW. Die zuständige Behörde hat keine Kenntnisse darüber, ob das genannte Thema möglicherweise in Einzelfällen im Rahmen dezentraler schriftlicher Abiturprüfungen behandelt wurde. Die Themen für die im Rahmen des Erwerbs der genannten Abschlüsse durchzuführenden mündlichen Prüfungen werden individuell durch die prüfenden Schulen vorgegeben und von der zuständigen Behörde nicht erfasst. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 4. Inwieweit wurde in den Hamburger Schulen die Verbreitung radikalsalafistischer Ideologien in der Hamburger al-Quds-Moschee, die die Mitglieder der Hamburger Terrorzelle regelmäßig besuchten, thematisiert ? 5. Welche schulischen Unterrichtsprojekte gab es seit 2001 zu den Anschlägen vom 11. Septembers 2001 mit explizitem Bezug zu der Hamburger Terrorzelle? Siehe Antwort zu 1. 6. Inwieweit gab oder gibt es von der Stadt organisierte und/oder geförderte Begegnungen von Hamburger Schülern oder Hamburger Bürgern mit Opfern oder Angehörigen der Opfer der Terroranschläge vom 11. September 2001? Dazu liegen den zuständigen Behörden keine Kenntnisse vor. 7. Welche Maßnahmen hat die Behörde für Schule und Berufsbildung seit 2001 ergriffen, um die Erinnerung an und die Aufklärung über die Verbrechen der islamistischen Hamburger Terrorzelle insbesondere in der schulischen Bildung wachzuhalten beziehungsweise voranzutreiben? Siehe Antwort zu 1.