BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4398 21. Wahlperiode 17.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dirk Nockemann und Detlef Ehlebracht (AfD) vom 10.05.16 und Antwort des Senats Betr.: Illegale Autorennen in Hamburg (II) – Die „Cruiser-Szene“ An mehreren Orten im Stadtgebiet haben um den 22. April 2016 erneut „illegale Autorennen“ stattgefunden. Dabei sollen etliche Rechtsverstöße ermittelt , sogenannte Cruiser observiert und Videomaterial dokumentiert worden sein. Zu einem Schwerpunkteinsatz der Polizei und zu Festnahmen ist es in Allermöhe gekommen. Dort sollen bis zu 500 Teilnehmer der sogenannten Cruiser-Szene mit rund 250 Autos vor Ort gewesen sein. Die örtliche Tankstelle im Gewerbegebiet in Allermöhe gilt seit 2011 als Treffpunkt der sogenannten Cruiser-Szene. Diese Treffen dienen zumindest jeden Freitag zwischen April und Oktober als Anlaufstelle für illegale Autorennen im Stadtgebiet . So wurden zumindest um den besagten Tag in Billbrook und auf der Veddel, aber auch im benachbarten schleswig-holsteinischen Barsbüttel weitere illegale Autorennen durchgeführt. Seit 2010 ist die Cruiser-Szene sukzessive wieder angewachsen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Die sogenannte Cruiser-Szene trifft sich seit 2011 regelmäßig etwa im Zeitraum von April bis Oktober/November freitags an einer Tankstelle in Hamburg-Allermöhe. Die Zahl dort anzutreffender Fahrzeuge ist stark witterungsabhängig, in der Tendenz ist eine Größenordnung von bis zu 250 Fahrzeugen festzustellen. Davor fanden diese Treffen in unregelmäßigeren Abständen am Tankpark Moorfleet statt. Die Szene vereint ein großes Interesse an Kraftfahrzeug-Mechatronik. Technikvergleich und Erfahrungsaustausch stehen im Mittelpunkt der Cruiser-Treffen, die in einschlägigen Internetforen beworben werden. Der überwiegende Teil der Szene verhält sich regelkonform . Einzelne Fahrzeuge und zum Teil kleinere Fahrzeugkolonnen verlassen während des Treffens in Einzelfahrt das Tankstellengelände, um abgesetzt und unbeobachtet illegale Autorennen durchführen zu können. Bekannte und öfter frequentierte Bereiche für diese Autorennen sind die angrenzenden Straßenzüge im Gewerbegebiet Billbrook, die nahe gelegenen Bundesautobahnen A 1 und A 25 sowie die Bundesstraße B 5 und weitere Orte in Hamburg, vorwiegend im Bereich Veddel/Peute und in Schleswig-Holstein. Im Bereich der Binnenalster werden an Wochenenden Fahrzeugführer beobachtet, die mehrfach rund um die Binnenalster oder das angrenzende Geschäftsviertel fahren, um dabei ihre zum Teil veränderten Fahrzeuge zu präsentieren und damit Aufmerksamkeit zu erregen. Die Polizei überwacht regelmäßig diese Treffen mit einem in etwa gleichbleibenden Kräfteeinsatz von circa 25 Beamten, der jedoch in Abhängigkeit zur allgemeinen polizeilichen Lage steht. Im Übrigen siehe Drs. 20/9438 und Drs. 21/1155. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Drucksache 21/4398 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Wo haben um den besagten Tag beziehungsweise an diesem besagten Wochenende illegale Autorennen stattgefunden? Wo finden illegale Autorennen in der Regel im Stadtgebiet statt? Wie schätzt die zuständige Stelle die Entwicklung seit Erscheinung des Phänomens illegale Autorennen ein? Die Polizei stellte im Rahmen des betreffenden Einsatzes entsprechende Rennen in der Gemeinde Barsbüttel, im Stadtteil Billbrook und auf der Veddel fest. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 2. Wie viele Polizeibeamte und zivile Beamte waren um diesen Tag beziehungsweise an diesem Wochenende im Einsatz? Von welchen Dienststellen stammen die Beamten? Wie viele Beamte werden durchschnittlich eingesetzt? Wie ist die Entwicklung seit 2010 einzuschätzen? Es waren 27 Beamtinnen und Beamte im Einsatz, davon 15 zivile Beamtinnen und Beamte. Es handelte sich dabei um Beamtinnen und Beamte aus verschiedenen Polizeikommissariaten und Verkehrsstaffeln der Verkehrsdirektion sowie um zwei Beamte der Landespolizei Schleswig-Holstein. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Wurden Verkehrsteilnehmer um den besagten Tag geschädigt? Wenn ja, wie viele Verkehrsteilnehmer wurden an welchen Orten geschädigt beziehungsweise verletzt? Wie ist die Entwicklung seit 2010 einzuschätzen? Der Polizei ist aus dem Einsatzgeschehen des 22. April 2016 kein Verkehrsunfall bekannt, der nachweislich mit der Cruiser-Szene im Zusammenhang steht. Im Übrigen siehe Drs. 21/1155. 4. Wie viele Rechtsverstöße beziehungsweise Verkehrsverstöße hat es an welchen Orten um den besagten Tag gegeben? Wie schätzt die zuständige Stelle die Entwicklung seit 2010 ein? Am 22. April 2016 wurden durch Polizeikräfte im Rahmen des betreffenden Einsatzes insgesamt 44 Geschwindigkeitsverstöße und acht illegale Autorennen festgestellt. Darüber hinaus führt die Polizei keine Statistik im Sinne der Fragestellung. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. a. Wie viele Ermittlungsverfahren zu welchen Rechtsverstößen in Zusammenhang mit illegalen Autorennen am besagten Tag sind oder werden eingeleitet? Wie ist die Entwicklung seit 2010 einzuschätzen ? Welche Urteile sind dazu bisher ergangen? Für den besagten Tattag wurden zu allen festgestellten Geschwindigkeitsverstößen sowie zu drei Autorennen Ordnungswidrigkeitenverfahren eingeleitet. Hierbei verteilen sich die Geschwindigkeitsverstöße auf das gesamte Umfeld im Bereich Hamburg und Barsbüttel. Ob im Übrigen dem jeweiligen Verfahren ein illegales Autorennen zugrunde lag, wird im Vorgangsverwaltungs- und -bearbeitungssystem (MESTA) nicht erfasst. Für die Beantwortung der Fragestellungen zu den Urteilen wäre somit eine Verfahrensaktenauswertung aller rund 9.200 Fälle seit dem Jahr 2010 mit dem Tatvorwurf „Gefährdung des Straßenverkehrs“ gemäß § 315c Strafgesetzbuch (StGB) händisch auszuwerten . Dieses ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. b. Wie viele Personenfeststellungen und Festnahmen hat es an welchen Orten um den besagten Tag gegeben? Wie schätzt die zuständige Stelle die Entwicklung seit 2010 ein? Es gab keine Festnahmen. Insgesamt gab es 52 Personalienfeststellungen. Daneben erfolgten zwei Identitätsfeststellungen anlässlich erfolgter Platzverweise. Darüber hinaus führt die Polizei keine Statistik im Sinne der Fragestellung. Im Übrigen siehe Antwort zu Frage 4. a. und Vorbemerkung. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4398 3 c. Wie viele Verbotsverfügungen von Veranstaltungen, die Autorennen zuzuordnen sind, haben die jeweiligen Stellen seit 2010 erlassen? Auf welche Veranstaltungsorte bezog sich der jeweilige Erlass? Inwieweit wurden die Erlasse befolgt? Beim Landesbetrieb Verkehr (LBV) wurden im angegebenen Zeitraum keine Anträge auf Durchführung derartiger Veranstaltungen beziehungsweise Autorennen gestellt. Demzufolge wurden auch keine Veranstaltungen direkt untersagt. Unabhängig davon wurde der LBV im angegebenen Zeitraum jährlich zur Durchführung des sogenannten Gumball 3000 angehört. Der LBV hat in enger Abstimmung mit der Polizei Hamburg stets die Zustimmung zu einer etappenweisen Durchführung innerhalb der Hamburger Landesgrenze verweigert, da die Polizei Hamburg diese Veranstaltung als illegales Autorennen eingestuft. 5. Welche Rechtsfolgen sind bislang für illegale Autorennen vorgesehen? Wie sollten die Rechtsfolgen ausgestaltet sein, um illegale Autorennen zu verhindern? Wie beurteilt die Behörde den Umstand, dass auch bei mehrmaligen Verstößen kein Entzug des Führerscheins erfolgt? Der LBV ist als zuständige Fahrerlaubnisbehörde in Hamburg bei der Überprüfung der Fahreignung von Fahrerlaubnisinhabern an die Vorschriften von Straßenverkehrsgesetz (StVG) und Fahrerlaubnis-Verordnung (FeV) gebunden. Das Fahreignungs- Bewertungssystem nach § 4 Absatz 1 Satz 1 StVG beinhaltet die Bewertung von Verkehrszuwiderhandlungen mit einer festgelegten Anzahl von Punkten und das Ergreifen bestimmter Maßnahmen durch die Fahrerlaubnisbehörde bei Erreichen oder Überschreiten bestimmter Punkteschwellen. Nach der Anlage 13 zu § 40 FeV laufende Nummer 2.2.9 wird die Teilnahme an einem Kraftfahrzeugrennen als besonders verkehrssicherheitsbeeinträchtigende Ordnungswidrigkeit eingestuft und mit zwei Punkten bewertet. Bei Erreichen von acht oder mehr Punkten erfolgt zwingend die Entziehung der Fahrerlaubnis durch die Fahrerlaubnisbehörde (§ 4 Absatz 5 Satz 1 Nummer 3 StVG). Im Übrigen siehe Drs. 21/1155. 6. Was hat das mit einem Provida-Fahrzeug ausgewertete Videomaterial in Barsbüttel ergeben beziehungsweise welche Rechtsverstöße sind festgestellt worden? Ist die Hamburger Polizei auch vor Ort gewesen? Wenn ja, mit welchen Aufgaben war diese betraut? In Barsbüttel gab es drei Rennen, die nicht ausreichend dokumentiert werden konnten . Ein Geschwindigkeitsverstoß wurde zur Anzeige gebracht. Die Hamburger Polizei ist gemeinsam mit den Kräften aus Schleswig-Holstein zeitweilig vor Ort gewesen. Die Aufgabe lag im Bereich der Verkehrsüberwachung mittels Videotechnik. a. Wurde entsprechendes Videomaterial auch im Hamburger Stadtgebiet erstellt? Wenn ja, was hat die Auswertung ergeben beziehungsweise welche Rechtsverstöße und Unfälle wurden an welchen Orten der Stadt festgestellt? Wenn kein Material ausgewertet wurde, warum nicht? Ja, siehe Antwort zu 4. und 4. a. b. Wie viele geeichte Videofahrzeuge oder Videowagen sind bei der Hamburger Polizei aktuell im Einsatz? Wie viele davon dienen der Vermeidung von illegalen Autorennen? Wie ist die Entwicklung seit 2010? Aus welchem Budget werden diese Fahrzeuge finanziert? Wie hoch ist der Anschaffungswert im Einzelnen als auch insgesamt ? Bei der Polizei Hamburg sind neun geeichte Videofahrzeuge (ein Kraftrad, acht Personenkraftwagen (Pkw)) im Einsatz. Alle Videofahrzeuge dienen der beweiskräftigen Verfolgung erheblicher Verkehrsverstöße, darunter auch der Verfolgung von illegalen Autorennen. Die Entwicklung (Bestand und Einsatzverwendung) ist seit 2010 gleichbleibend . Die Kraftfahrzeuge werden zentral aus den Kfz-Investitionsmitteln der Polizei finanziert. Die Anschaffungskosten betrugen bei den einzelnen Fahrzeugen zwi- Drucksache 21/4398 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 schen 55.000 und 76.000 Euro, insgesamt 580.000 Euro. Die Polizei ist vertraglich gebunden, die genauen Preise der Fahrzeuge nicht an Dritte zu übermitteln. 7. Welche Daten werden über die Cruiser-Szene und im Zusammenhang mit illegalen Autorennen erfasst? Wer erhebt welche Statistiken und speichert sie wo ab? Welche gesetzlichen Regelungen gibt es seit wann und was besagen diese? Wenn keine Daten erfasst beziehungsweise Dateien angelegt werden, warum nicht? Statistiken im Sinne der Fragestellung werden durch die Polizei nicht geführt. Sie sind für die polizeiliche Bekämpfung des Phänomens nicht erforderlich. Unabhängig davon werden erforderliche Daten über Personen und Kraftfahrzeuge im Zusammenhang mit strafprozessualen Maßnahmen und zur Gefahrenabwehr erfasst. 8. Wie unterbindet die Polizei illegale Autorennen, sofern sie davon im Vorfeld Kenntnisse hat? Wie stellt sich dieses am Beispiel des bekannten Treffpunktes im Gewerbegebiet in Allermöhe, in Billbrook und auf der Veddel dar? 9. Mit welchen Maßnahmen ist die Polizei bisher an den Orten von illegalen Autorennen befasst? a. Sind an den neuralgischen Punkten Radarkontrollen angebracht oder verstärkt worden? Wenn nein, warum nicht? Wenn ja, an welchen bekannten Orten der Cruiser-Szene beziehungsweise illegalen Autorennen und seit wann? Inwieweit konnten dadurch illegale Autorennen unterbunden werden? b. Welche Maßnahmen zur Unterbindung von illegalen Autorennen haben sich bisher als erfolgversprechend erwiesen? Die Polizei führt Präsenzmaßnahmen und Verkehrsüberwachungsmaßnahmen durch. Gegen Störer werden Platzverweise ausgesprochen. Zu den Verkehrsüberwachungsmaßnahmen zählen auch gezielte Geschwindigkeitsüberwachungsmaßnahmen im Umfeld der Treffpunkte. Auf dem Jungfernstieg wurden im August 2015 Messkabinen errichtet, in die temporär Geschwindigkeitsüberwachungsgeräte installiert werden. Diese Maßnahmen sind insgesamt zielführend. Die polizeiliche Präsenz am Treffpunkt der Cruiser sorgt für eine ruhige Lage am Einsatzort. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 10. Das Umfeld des Jungfernstiegs gilt als Anziehungspunkt für Raser. Dort finden Geschwindigkeitsüberwachungen und Aufklärungsmaßnahmen statt. Seit wann finden diese Maßnahmen statt und welche Rechtsverstöße sind bisher dokumentiert? Welche Urteile sind dazu wie ergangen ? Wie viele Unfälle haben seitdem stattgefunden? Wie viele Verkehrsteilnehmer wurden geschädigt beziehungsweise verletzt? Im Rahmen der polizeilichen Aufgabenwahrnehmung an der Binnenalster wurden seit März 2012 auch Maßnahmen im Zusammenhang mit der Cruiser-Szene getroffen. Seit März 2015 setzt die Polizei auch Motorradstreifen zur Kontrolle der Cruiser-Szene ein. Bei den festgestellten Rechtsverstößen handelt es sich überwiegend um Geschwindigkeitsübertretungen. Andere Ordnungswidrigkeiten (Nichtbeachten des Rotlichts der Lichtzeichenanlagen, Fahren ohne Sicherheitsgurt et cetera) haben lediglich eine untergeordnete Bedeutung. Im Zusammenhang mit dieser Szene ist der Polizei ein Verkehrsunfall aus dem Jahr 2013 bekannt, bei dem der Verdacht eines Rennens besteht. An diesem Verkehrsunfall waren zwei Pkws und eine Fußgängerin beteiligt. Es wurden zwei Personen schwer und eine Person leicht verletzt. Im Übrigen siehe Antwort zu 4. a. und Drs. 21/1155. 11. Bei Facebook sollen die Cruiser in offenen Gruppen organisiert sein. Beobachten die zuständigen Stellen entsprechende Internetforen? Wenn nein, warum nicht? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4398 5 Wenn ja, seit wann und auf wie viele Fälle von illegalen Autorennen wurden die Stellen dadurch aufmerksam? Wie viele illegale Autorennen sind daraufhin verhindert worden? Ja. Die aus offenen Internetforen gewonnenen Erkenntnisse beziehen sich dabei in der Regel auf den Ort und das Datum geplanter Treffen sowie auf allgemeine Informationen . Erkenntnisse über möglicherweise geplante illegale Autorennen kann die Polizei darüber nicht gewinnen. Im Übrigen werden bei der Polizei hierzu keine Statistiken geführt. 12. Die Cruiser-Szene flaute in den Jahren 2005 bis 2009 ab und ist seit den 2010ern wieder angestiegen? Welche Erklärung beziehungsweise Erkenntnisse haben die zuständigen Stellen hierfür? Welche Erklärung beziehungsweise Erkenntnisse über die Cruiser-Szene, zum Beispiel hinsichtlich der Zusammensetzung ihrer Teilnehmer, gibt es? Hierzu liegen der Polizei keine Erkenntnisse vor. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. a. Die Anlaufstelle für illegale Autorennen scheint in Allermöhe zu sein und die Durchführung dieser scheint in der Regel in den Stadtteilen Billbrook und auf der Veddel stattzufinden. Sind die durch Personenfeststellungen registrierten Teilnehmer in diesen Stadtteilen wohnhaft? Wenn ja, wie viele jeweils in welchen Stadtteilen und was gibt es zur Identität der Teilnehmer zu sagen beziehungsweise welche Einschätzung haben die zuständigen Stellen? Die Polizei führt keine Statistik im Sinne der Fragestellung.