BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4453 21. Wahlperiode 20.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 13.05.16 und Antwort des Senats Betr.: Ausreisepflichtige Strafgefangene Der Gefangene, der am 1. Mai 2016 in der JVA Billwerder einen Bediensteten erheblich verletzte, ist nach Angaben des Senats in der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/4309 „gemäß Mitteilung der Ausländerbehörde seit langer Zeit vollziehbar ausreisepflichtig. Er ist abgelehnter Asylbewerber und aufgrund der Straftaten wurde er aus dem Bundesgebiet ausgewiesen.“ Weiter heißt es: „Einer Rückführung stand bislang die ungeklärte Identität sowie das Fehlen gültiger Heimreisedokumente entgegen.“ Zurzeit verbüßt der 44-jährige Gefangene, der die burkinische Staatsangehörigkeit besitzt, insgesamt drei Freiheitsstrafen. Das Strafende wird im August 2018 erreicht sein. Auch der am 1. April 2016 aus dem offenen Vollzug der JVA Hahnöfersand entlassene Gefangene war laut Angaben des Senats in der Antwort auf meine Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/4240 abgelehnter Asylbewerber ohne Reisepapiere; bei ihm müsse mit einer Abschiebung gerechnet werden. Im vergangenen Jahr kündigte die Sozialsenatorin angesichts der sich häufenden Auseinandersetzungen in Flüchtlingsunterkünften ein konsequentes Vorgehen gegen Gewalttäter an. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wann ist der 44-jährige Gefangene aus der JVA Billwerder nach Deutschland eingereist und wie gestaltete sich das aufenthaltsrechtliche Verfahren im Einzelnen? Bitte unter Angabe konkreter Daten darstellen. Der Betroffene ist nach eigenen Angaben im November 1998 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Als Herkunftsland gab er Burkina Faso an. Identitätsnachweise legte er nicht vor. Am 18. November1998 stellte er beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge, dem heutigen Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF), einen Asylantrag. Mit Bescheid vom 26. November 1998 wurde der Asylantrag durch das Bundesamt als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Die dagegen erhobene Klage wurde durch das Verwaltungsgericht Hamburg mit Urteil vom 18. Januar 1999 als offensichtlich unbegründet abgewiesen. Da die Klage keine aufschiebende Wirkung besaß, endete die vom Bundesamt gesetzte Ausreisefrist am 9. Dezember 1998. Bis zu diesem Zeitpunkt war er im Besitz einer Aufenthaltsgestattung. Ein Antrag auf Durchführung eines weiteren Verfahrens (Asylfolgeantrag) wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 29. April 2004 unanfechtbar abgelehnt. Drucksache 21/4453 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Wegen der fehlenden Heimreisedokumente wurde sein Aufenthalt vom Einwohner- Zentralamt fortlaufend nach der damals geltenden Rechtsgrundlage nach § 55 Absatz 4 Ausländergesetz, später nach § 60a Absatz 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), mit räumlicher Beschränkung auf Hamburg geduldet. Die Zeiträume sind der Anlage zu entnehmen. Zeiträume ohne Duldung sind die Folge von Inhaftierung oder sind von dem Betroffenen selbst verschuldet. Mit Bescheid des Einwohner-Zentralamtes vom 20. Juni 2008 wurde der Betroffene gemäß § 53 Nummer 1 AufenthG mit unbefristeter Wirkung unanfechtbar ausgewiesen . 2. Konnte seine Identität zwischenzeitlich eindeutig festgestellt werden? Falls nein, welche Maßnahmen wurden jeweils wann von welcher Stelle zur Feststellung der Identität ergriffen und warum waren diese bislang erfolglos? Nein. Mit Schreiben des Einwohner-Zentralamtes vom 9. Januar 2002 wurde der Betroffene für den 29. Januar 2002 vorgeladen, um einer in Hamburg aufhältlichen Delegation der Botschaft Burkina Fasos zwecks Identitätsklärung vorgestellt zu werden . Diese Vorladung kam mit dem Hinweis „unbekannt verzogen“ als unzustellbar zurück. Eine weitere an einen anderen Wohnort gerichtete Vorladung zu einer Anhörung am 22. April 2002 durch eine Botschaftsdelegation Burkina Fasos kam ebenfalls mit dem Hinweis „unbekannt verzogen“ als unzustellbar zurück. Am 11. November 2002 stellte die Botschaftsdelegation fest, dass der Betroffene nicht aus Burkina Faso stamme, obwohl er weiterhin behauptete, von dort zu stammen. Weitere Ermittlungsansätze für den Besitz einer anderen Staatsangehörigkeit gab es nicht. Auf Nachfragen des Einwohner-Zentralamtes im Dezember 2008 und Januar 2010 bestätigte die Justizvollzugsanstalt, dass dort keine Hinweise auf die Identität des Betroffenen bestünden. Da nach einer späteren Auskunft der Justizvollzugsanstalt bei Mitgefangenen der Eindruck entstanden sei, dass der Betroffene aus dem Senegal stammen könnte, wurde mit dem Bundespolizeipräsidium Koblenz Kontakt aufgenommen . Dieses ist bundesweit für die Beschaffung von Heimreisedokumenten für Staatsangehörige dieses Landes zuständig. Das Bundespolizeipräsidium organisierte daraufhin einen Anhörungstermin für den 7. März 2013 bei der Botschaft des Senegals . Er wurde aus der Strafhaft heraus durch das Einwohner-Zentralamt bei der Botschaft vorgeführt. Er zeigte sich bei der Anhörung äußerst aggressiv und unkooperativ . Nach fünf Minuten wurde das Gespräch durch den Mitarbeiter der Botschaft beendet , weil der Betroffene auf Fragen nicht oder nur ausweichend antwortete. Am 13. März 2013 teilte das Bundespolizeipräsidium mit, dass die Botschaft nicht davon ausgehe , dass der Betroffene aus dem Senegal stamme. Mit Schreiben vom 20. März 2015 wurde der Betroffene zum wiederholten Mal auf seine Mitwirkungspflicht nach § 82 Absatz 1 AufenthG hingewiesen und aufgefordert, sich um die Beschaffung eines Heimreisedokumentes zu bemühen. Im Mai 2014 und zuletzt im Januar 2016 teilte die Justizvollzugsanstalt erneut mit, dass es nach wie vor keine Hinweise auf die Identität beziehungsweise Herkunft gebe. 3. Kann ein Gericht jemanden verurteilen, dessen Identität nicht zweifelsfrei geklärt ist? Wenn die Personalien eines Angeklagten ungeklärt sind, erfolgt die Verurteilung entweder unter den polizeilichen Führungspersonalien oder unter den Personalien, von dessen Richtigkeit das Gericht die Überzeugung gewonnen hat in Verbindung mit den polizeilichen Führungspersonalien als Alias. 4. Gibt es mittlerweile gültige Heimreisedokumente? Falls nein, welche Maßnahmen wurden jeweils wann von welcher Stelle zur Beschaffung der Dokumente ergriffen und warum waren diese bislang erfolglos? Nein, siehe Antwort zu 2. 5. Wann ist mit einer Abschiebung zu rechnen? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4453 3 Wegen der ungeklärten Identität und der damit fehlenden Heimreisedokumente ist gegenwärtig keine Abschiebung möglich. 6. Wie viele Abschiebungen erfolgten im Jahr 2015 insgesamt sowie monatlich von Januar bis April 2016 aus der Strafhaft? Die Zahl der Abschiebungen aus Strafhaft ist der folgenden Übersicht zu entnehmen: Zeitraum Zahl der Personen 2015 59 Jan. 2016 4 Feb. 2016 7 März 2016 6 April 2016 8 7. In der Antwort des Senats auf die Schriftliche Kleine Anfrage Drs. 21/2042 kündigte der Senat an, die Auswirkungen des „Gesetzes zur Neubestimmung des Bleiberechts und der Aufenthaltsbeendigung“ vom 27. Juli 2015 sowie des „Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes“ vom 20. Oktober 2015 auszuwerten und insbesondere im Hinblick auf tatsächliche Ausreisehindernisse wie fehlende Reisedokumente zu prüfen, wie ausreisepflichtige Ausländer trotzdem abgeschoben beziehungsweise zurückgeführt werden können. Ist die Auswertung zwischenzeitlich abgeschlossen? Falls ja, mit welchen Ergebnissen? Falls nein, weshalb nicht und wann ist damit zu rechnen? Die Auswertung erfolgt fortlaufend. Neben den gesetzlichen Änderungen sind aber auch die jeweils aktuellen entsprechenden Aktivitäten der Bundesregierung im Verhältnis zu den jeweiligen Herkunftsländern bei der Beseitigung von Rückführungshindernissen , wie insbesondere fehlenden Reisedokumenten, maßgeblich. So haben beispielsweise die Absprachen mit den Westbalkanstaaten zur Ermöglichung von Rückführungen mit EU-Laissez-passer zu erheblichen Erleichterungen beigetragen und damit zugleich auch zu einer Erhöhung der Anzahl der freiwilligen Ausreisen beigetragen . Andere praktische Erfahrungen fließen fortlaufend in bestehende Bund- Länderpraktiker-Gremien sowie Arbeits- und Koordinierungsgruppen ein, in denen man sich mit Rückführungshindernissen befasst und unter anderem auch Anregungen für gesetzliche Änderungen zur Erleichterung von Rückführungen entwickelt. 8. Der aus dem offenen Vollzug der JVA Hahnöfersand entlassene Gefangene war abgelehnter Asylbewerber. Wurde er bereits abgeschoben? Falls ja, wann? Falls nein, warum nicht? Siehe Antwort zu 2. 9. Wie gestaltet sich grundsätzlich das Verfahren, wenn ausreisepflichtige Gefangene aus einer Justizvollzugsanstalt in Hamburg entlassen werden ? Sofern die aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen für eine Abschiebung vorliegen und bei Bedarf nach § 154 b Strafprozessordnung (StPO) von der Erhebung der öffentlichen Klage und/oder nach § 456a StPO von der Strafvollstreckung abgesehen wird, erfolgt der Vollzug der Abschiebung in unmittelbaren zeitlichem Zusammenhang mit der Haftentlassung. Das Einwohner-Zentralamt bereitet dabei in Abstimmung mit der Bundespolizei die erforderlichen Maßnahmen vor, wie zum Beispiel Festlegen des Flugtermins, Flugbuchung, Sicherheitsbegleitung durch die Bundespolizei und Transport zum Flughafen. Die Haftanstalt wird dann in diesem eingespielten Verfahren über den Zeitpunkt der Übergabe des Gefangenen an das Einwohner-Zentralamt informiert. Ist eine Abschiebung aus der Haft heraus aus rechtlichen oder tatsächlichen Gründen nicht möglich, wird dem Gefangenen bei der Entlassung aufgegeben, sich unverzüglich bei der Ausländerbehörde zu melden. Soweit ein ausreisepflichtiger Gefangener Drucksache 21/4453 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 gemäß § 57 Absatz 1 oder 2 Strafgesetzbuch bedingt aus der Haft entlassen wird, wird ihm im Entlassungsbeschluss in der Regel als Auflage aufgegeben, sich sofort nach seiner Entlassung bei seiner Ausländerbehörde zu melden. Die Belehrung dazu erfolgt dann schriftlich durch die entlassende Anstalt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4453 5 Anlage erteilt gültig bis Duldung 26.01.1999 12.08.1999 Duldung 11.02.1999 07.09.1999 Duldung 18.10.2001 09.04.2002 Duldung 10.08.2004 10.02.2005 Duldung 10.02.2005 09.08.2005 Duldung 08.08.2005 06.02.2006 Duldung 27.10.2005 06.02.2006 Duldung 10.02.2006 01.08.2006 Duldung 15.08.2006 13.02.2007 Duldung 17.05.2011 15.11.2011 Duldung 18.11.2011 28.11.2011 Duldung 28.11.2011 29.05.2012 Duldung 21.03.2013 02.04.2013 Duldung 02.04.2013 07.05.2013 Duldung 07.05.2013 05.06.2013 Duldung 17.10.2014 02.02.2015 Duldung 10.03.2015 20.03.2015 Duldung 20.03.2015 20.04.2015 Duldung 21.04.2015 19.05.2015 Duldung 28.05.2015 17.11.2015 Duldung 28.09.2015 17.11.2015 Duldung 26.11.2015 26.02.2016 Darüber hinaus siehe Antwort zu 2.