BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4464 21. Wahlperiode 20.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Deniz Celik (DIE LINKE) vom 13.05.16 und Antwort des Senats Betr.: Menschen ohne Krankenversicherung Mit Inkrafttreten des GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes (GKV-WSG) besteht seit Januar 2009 für Personen mit Erstwohnsitz in Deutschland eine Krankenversicherungspflicht. Wer dieser Pflicht nicht nachkommt beziehungsweise Lücken im Versicherungszeitraum aufweist, muss seine Beiträge rückwirkend nachzahlen. Wer nicht versichert ist, häuft somit automatisch Schulden an. Trotz der bestehenden Pflicht gibt es zahlreiche Menschen, die zumeist aus Geldnot keine Versicherung neu aufnehmen können und teilweise seit Jahren schon ohne Krankenversicherung sind. Häufig handelt es sich um Freiberufler /-innen und Selbständige mit niedrigem Einkommen. Aber auch junge Berufseinsteiger/-innen können in der Zeit zwischen Ausbildungsabschluss und Berufseinstieg aus der Versicherung fallen. Für „Rückkehrer/-innen“ stellen die hohen Nachforderungen eine große Hürde dar, erneut in Versicherungsschutz zu gelangen. Darüber hinaus sind zahlreiche Menschen, die ohne Obdach und somit festen Wohnsitz sind, ohne Krankenversicherung. Besonders betroffen sind auch die Migranten/-innen, die hier leben und behördlich nicht gemeldet sind. Ich frage den Senat: Seit April 2007 sind alle Personen, die der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zuzuordnen sind, verpflichtet, eine Krankenversicherung abzuschließen. Für Personen , die der privaten Krankenversicherung (PKV) zuzuordnen sind, gilt eine entsprechende Pflicht seit Anfang 2009. Mit dem „Gesetz zur Beseitigung sozialer Überforderung bei Beitragsschulden in der Krankenversicherung“ wurde eine Stichtagsregelung eingeführt; danach wurden alle Nichtversicherten, die bis zum 31. Dezember 2013 eine Mitgliedschaft bei einer Krankenversicherung beantragen, von Säumniszuschlägen und nachzuzahlenden Beiträgen befreit. Ab dem 1. Januar 2014 gelten grundsätzlich Säumniszuschläge von 1 Prozent pro Monat. Auch sollen die Krankenkassen den Neuversicherten die nachzuzahlenden Beiträge angemessen ermäßigen. Wenn eine Ermäßigung gewährt wird, entfallen auch die Säumniszuschläge. Im Bereich der PKV erfolgte ebenso eine Niederschlagung der dort erhobenen Prämienzuschläge und wurde ein Notlagentarif eingeführt. Im Übrigen siehe Drs. 20/13179 und 20/12211. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Informationen liegen dem Senat darüber vor, wie viele Menschen mit erstem Wohnsitz in Hamburg keinen Krankenversicherungsschutz haben? Bitte aufgliedern nach Gesamtanzahl, Altersstruktur, Verteilung nach Geschlecht und beruflichem Hintergrund. Drucksache 21/4464 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Daten zur Krankenversicherung werden alle vier Jahre vom Statischen Bundesamt (Destatis) erhoben. Danach waren auf der Grundlage des Zusatzprogramms „Angaben zur Krankenversicherung“ im Mikrozensus im Jahr 2011 in Deutschland rund 137.000 Personen nicht krankenversichert und hatten auch keinen sonstigen Anspruch auf Krankenversorgung. Gegenüber 2007 mit rund 196.000 Personen ohne Krankenversicherungsschutz ist die Zahl somit um 30 Prozent zurückgegangen. Aktuelle Daten für 2015 liegen bisher nicht vor. Laut Rechenschaftsbericht 2014 der PKV ist die Zahl der Versicherten, die wegen der Nichtzahlung von Beiträgen in den Notlagentarif umgestuft wurden, von 93.600 im Jahr 2013 auf 114.700 im Jahr 2014 gestiegen. Darüber hinaus haben weder die Bundesregierung noch der Senat weitere Erkenntnisse zur Anzahl der Nichtversicherten und ihrer demografischen Merkmale. Vom Statistikamt Nord werden entsprechende Daten nicht erhoben. 2. Falls dem Senat keine auf Hamburg bezogenen Daten zu 1. vorliegen: a. warum nicht, bei einer derart wichtigen Thematik? b. wann gedenkt der Senat eine Erhebung dieser Zahlen zu veranlassen ? Mit den bundesweit erhobenen Daten liegen Informationen zur Krankenversicherung vor. Darüber hinaus ist die Krankenversicherung durch Bundesrecht geregelt. Der Senat hat keine Rechtsgrundlage, die entsprechenden Daten zu erheben. 3. Welche Informationen liegen dem Senat darüber vor wie viele Menschen ohne Krankenversicherung ihren Lebensmittelpunkt in Hamburg habenm ohne hier gemeldet zu sein? Siehe Antworten zu 1. und zu 2. a. und b. 4. Welche Hilfeangebote gibt es in Hamburg, an die sich Personen ohne Krankenversicherung im Krankheitsfall wenden können? In Hamburg lebende, hilfsbedürftige ausländische Menschen ohne Krankenversicherungsschutz können sich im Krankheitsfall an die Clearingstelle „Gesundheitsversorgung Ausländer“ beim Flüchtlingszentrum Hamburg wenden. Zu den Hilfsangeboten und Unterstützungsmöglichkeiten der Clearingstelle sowie weiteren medizinischen Anlaufstellen in Hamburg siehe Drs. 20/12211. 5. Werden diese in 4. abgefragten Hilfeeinrichtungen öffentlich gefördert? a. Falls ja, in welcher Höhe? b. Falls nein, wie finanzieren sie sich? Die Clearingstelle erhält eine jährliche Zuwendung in Höhe von 250.000 Euro zur Übernahme von medizinischen Behandlungen für nicht versicherte Personen. Hierin enthalten sind auch Mittel für den Betrieb der Clearingstelle. c. Wie hoch ist die Frequentierung dieser Einrichtungen seitens Hilfesuchender ? Im Zeitraum vom 1. Januar 2015 bis 31. Dezember 2015 hat die Clearingstelle 493 Personen in 1.314 Beratungsgesprächen betreut. 6. Welche Unterstützungsmöglichkeiten sind für Menschen ohne Krankenversicherungsschutz vorgesehen, die die Rechnungen für notwendige medizinische Hilfeleistungen nicht selbst bezahlen können? Im Rahmen der Beratung durch die Clearingstelle sieht das Konzept für die Sicherstellung der medizinischen Versorgung der Ausländerinnen und Ausländer, die nicht in die Regelversorgungssysteme integriert werden können, einen Rückgriff auf den sogenannten „Notfallfonds“ vor, welcher über die Zuwendung an die Clearingstelle finanziert wird. Im Übrigen besteht gegebenenfalls ein Anspruch auf Übernahme der Beiträge zur Krankenversicherung durch den Träger der Sozialhilfe, wenn die persönlichen Voraussetzungen vorliegen.