BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4501 21. Wahlperiode 24.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Daniel Oetzel und Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 17.05.16 und Antwort des Senats Betr.: Spezialabteilung Kinderschutz in der Staatsanwaltschaft Hamburg (III) In der Drs. 21/3503 teilte der Senat mit, wie hoch das Fallaufkommen und die durchschnittliche Bearbeitungszeit eines Falls für die Jahre 2010 bis 2015 in der Hauptabteilung IV und der Abteilung 72 sind. Stoßrichtung dieser Drucksache sowie der Drs. 21/3264 ist die Empfehlung des PUA Yagmur (Drs. 20/14100), eine Schwerpunktstaatsanwaltschaft Kinderschutz einzurichten. Da die Antworten des Senates auf die Einrichtung einer solchen Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Drs. 21/741 nur peripher beantwortet wurden, folgten die bisherigen Anfragen (siehe oben) an den Senat. Um den tatsächlichen Bedarf einer eigenen Abteilung und somit einer Abtrennung von der Hauptabteilung IV und der Abteilung 72 zu beurteilen, bedarf es weiterer Informationen. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Welche Delikte wurden jeweils in den in der Drs. 21/3503 angegebenen Sachgebieten in den Jahren 2011 bis 2016 verfolgt? Die für die Statistikführung maßgebliche Beschreibung der Sachgebiete ist der Anlage zu entnehmen. 2. Aus welchen Gründen ist die durchschnittliche Verfahrensdauer für Jugendschutzsachen höher als die durchschnittliche Dauer in der Hauptabteilung IV und der Abteilung 72? In die Berechnung der durchschnittlichen Verfahrensdauer der in der Hauptabteilung IV bearbeiteten Verfahren gegen Jugendliche und Heranwachsende fließen auch eine Vielzahl von Verfahren wegen einfacher jugendlicher Verfehlungen ein, die unmittelbar nach Eingang eingestellt werden können oder ohne weitere Ermittlungen anklagereif sind. Jugendschutzverfahren erfordern im Vergleich dazu generell deutlich umfangreichere Ermittlungshandlungen mit einer erheblichen Ermittlungstiefe. Es sind regelmäßig zeitaufwändigere Untersuchungen, Zeugenbefragungen oder Gutachten erforderlich, die die Dauer eines derartigen Ermittlungsverfahrens beeinflussen. Auch im Bereich der Sexualstraftaten weisen Verfahren mit kindlichen Opfern Besonderheiten auf, die die Verfahrensdauer gegenüber den normalen Sexualstrafverfahren verlängern . So sind etwa zum Teil Verfahrenspfleger zu bestellen, die die Rechte des Kindes etwa gegenüber einem Angehörigen als Täter vertreten. 3. Wie hoch ist die durchschnittliche Verfahrensdauer eines strafrechtlichen Verfahrens von 2011 bis 2016 in Hamburg? Die durchschnittliche Verfahrensdauer der staatsanwaltschaftlichen Ermittlungsverfahren in Hamburg der Jahre 2011 bis 2016 liegt bei: Drucksache 21/4501 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2011 2012 2013 2014 2015 2016* 1,3 Monate 1,3 Monate 1,4 Monate 1,4 Monate 1,8 Monte 2,4 Monate * 1. Quartal Der Anstieg der Verfahrensdauern ist insbesondere auch durch hohe Erledigungszahlen der Staatsanwaltschaft begründet. Allein im 1. Quartal 2016 sind 42.000 Verfahren erledigt worden. Das sind 4.000 Verfahren mehr, als im Quartals-Durchschnitt des Vorjahres erledigt wurden. Bei diesen Erledigungen ist zu beobachten, dass der Anteil von älteren Verfahren erhöht ist, was den Gesamtdurchschnitt der Verfahrensdauern verlängert. 4. Wie hoch ist in etwa der Anteil an Kinderschutzverfahren an den Jugendschutzverfahren? Vergleiche Drs. 21/3503. Der Begriff des Kinderschutzverfahrens ist dem Strafrecht fremd; es würde der Begriff der Jugendschutzsache verwandt (vergleiche § 26 Absatz 1 S. 1 Gerichtsverfassungsgesetz). Hiernach sind Jugendschutzsachen Straftaten, durch die ein Kind oder ein Jugendlicher im Sinne des § 1 Absatz 2 Jugendschutzgesetz unmittelbar oder mittelbar verletzt oder unmittelbar gefährdet wird, oder solche gegen Vorschriften, die dem Jugendschutz oder der Jugenderziehung dienen. Sollten unter dem Begriff Kinderschutzverfahren Verfahren im Sinne der obigen Definition zum Nachteil von Kindern bis zum vollendeten 13. Lebensjahr verstanden werden , sind derartige Verfahren im Vorgangsverwaltungs- und Vorgangsbearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg nicht gesondert erfasst. Es müssten daher sämtliche Jugendschutzverfahren händisch danach ausgewertet werden, ob es sich bei dem Opfer um ein Kind oder eine Jugendliche beziehungsweise einen Jugendlichen handelt. Angesichts der bereits in Drs. 21/3503 benannten Verfahrensanzahl ist dies in der für die Beantwortung Parlamentarischer Anfragen zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 5. Wie viele Verfahren hat die Hauptabteilung IV in den Jahren 2011 bis 2016 gegen Jugendliche und Heranwachsende bearbeitet? Wie stellt sich dies im Vergleich zu den Verfahren der Jugendschutzsachen dar? Siehe Drs. 21/3503. Im 1. Quartal 2016 waren es 7.356 erledigte Verfahren, davon 156 Jugendschutzsachen. 6. Wie hoch ist die Arbeitsbelastung der Hauptabteilung IV und in der Abteilung 72? Bitte Fehltage und Krankenstand in den Jahren 2011 bis 2014 angeben? In der Hauptabteilung IV und in der Abteilung 72 stellen sich für den erfragten Zeitraum die Erledigungen auf Dezernentenebene pro Vollzeitäquivalent wie folgt dar: 2011 2012 2013 2014 HA IV 1.035 930 965 1.078 Abt. 72 227 232 219 211 Siehe auch Drs. 21/3503. Fehlzeiten werden für die gesamte Staatsanwaltschaft gesamt erhoben (siehe zum Beispiel Drs. 21/4134). Eine Differenzierung auf Hauptabteilungs- beziehungsweise Abteilungsebene findet nicht statt und kann auch nicht nachträglich ermittelt werden. 7. Plant der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde eine Ausweitung der Sonderzuständigkeiten für Jugendschutzsachen und damit auch für den Kinderschutz? Wenn ja, in welchen Abteilungen der Staatsanwaltschaft? Wenn nein, warum nicht? Eine Ausweitung der Sonderzuständigkeiten für Jugendschutzsachen ist nicht geplant. Im Übrigen siehe Drs. 21/3264. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4501 3 Anlage Bei der Staatsanwaltschaft sowie der Ordentlichen Gerichtsbarkeit verwendete Sachgebietsschlüssel in Strafsachen: 10 Staatsschutzsachen 11 Politische Strafsachen 12 Vergehen nach § 131 StGB 15 Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (soweit nicht Sachgebiet 20) 16 Verbreitung pornografischer Schriften (§§ 184 bis 184d StGB) 20 Kapitalverbrechen im Sinne von § 74 Absatz 2 GVG (soweit nicht Sachgebiete 52 oder 53) 21 vorsätzliche Körperverletzungen (soweit nicht Sachgebiete 20, 51, 53 oder 90) Eigentums- und Vermögensdelikte 25 Diebstahl und Unterschlagung (soweit nicht Sachgebiet 51) 26 Betrug und Untreue (soweit nicht Sachgebiete 40, 41 oder 51) 30 Straftaten der Serien- und Bandenkriminalität sowie Gewaltkriminalität mit mehreren Tätern, für die das Gesetz Freiheitsstrafen von nicht unter einem Jahr vorsieht (soweit nicht Sachgebiete 55, 56 oder 60) - Sachgebiet wurde 2014 gestrichen 31 sonstige Straftaten der Serien- und Bandenkriminalität sowie Gewaltkriminalität mit mehreren Tätern (soweit nicht Sachgebiete 55, 56 oder 61) - Sachgebiet wurde 2014 gestrichen 35 Verkehrsstraftaten mit fahrlässiger Tötung sowie gemeingefährliche Straftaten nach den §§ 315 bis 315d StGB, ausgenommen Vergehen nach § 315c Absatz 1 Nummer 1 Buchstabe a StGB 36 sonstige Verkehrsstraftaten 41 sonstige Wirtschaftsstrafsachen (soweit nicht Sachgebiet 44) 42 Steuerstrafsachen (soweit nicht Sachgebiet 40) 43 Geldwäschedelikte nach § 261 StGB 44 Straftaten im Sinne des § 74c Absatz 1 GVG, die von nicht gewerbsmäßigen Abnehmern über das Internet begangen wurden (soweit nicht Sachgebiet 40) 45 Umweltschutzstrafsachen 51 Verfahren gegen Justizbedienstete, Richter, Notare, sonstige Amtsträger und Rechtsanwälte wegen Straftaten, die im Zusammenhang mit ihrer Berufsausübung stehen (ohne Korruptionsdelikte) (soweit nicht Sachgebiete 40 oder 41) ohne die besonderen, von Polizeibediensteten in Ausübung des Dienstes begangenen Straftaten (Sachgebiete 52 bis 54) 53 Gewaltausübung und Aussetzung durch Polizeibedienstete 54 Zwang und Missbrauch des Amtes durch Polizeibedienstete 55 Einschleusung von Ausländern 56 sonstige Straftaten nach dem Aufenthalts- und dem Asylverfahrensgesetz und dem Freizügigkeitsgesetz/EU 60 Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz, für die das Gesetz eine Freiheits-strafe von nicht unter einem Jahr vorsieht 61 sonstige Straftaten nach dem Betäubungsmittelgesetz 65 Ärztesachen und Straftaten nach dem Heilpraktikergesetz 66 Pressestrafsachen 90 sonstige, allgemeine Straftaten, für die das Gesetz Freiheitsstrafen von nicht unter einem Jahr vorsieht 98 Verfahren gegen Strafunmündige 99 sonstige allgemeine Straftaten