BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4526 21. Wahlperiode 27.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 20.05.16 und Antwort des Senats Betr.: Fünf Jahre nach Bekanntwerden des NSU: Wie wird das Thema in den Schulen behandelt? Im November 2011 wurde bekannt, dass eine rechtsextreme und mutmaßlich terroristische Vereinigung, der Nationalsozialistische Untergrund (NSU), in den Jahren zwischen 1998 und 2007 verschiedene schwere Straftaten, darunter Mord, Sprengstoffanschläge und Raubüberfälle, verübt hat. Der Mordserie des NSU fielen zehn Menschen zum Opfer, darunter auch der türkischstämmige Hamburger Lebensmittelhändler Süleyman Taşköprü. Der aktive Kern des NSU bestand aus den in Jena aufgewachsenen Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt sowie Beate Zschäpe. Mundlos und Bönhardt nahmen sich kurz vor ihrer Festnahme mutmaßlich das Leben. Der Strafprozess gegen Beate Zschäpe ist noch nicht beendet. Die Straftaten des NSU vor dem Hintergrund ihrer ausländerfeindlichen Motivik und auch die Versäumnisse verschiedener Ämter während der Ermittlungsarbeiten waren und sind noch Bestandteil einer umfangreichen Berichterstattung in den Medien sowie einer intensiven parlamentarischen Aufarbeitung in den Untersuchungsausschüssen des Bundestages und verschiedener Landtage. Die Taten und Hintergründe des NSU sowie die Ermittlungspannen der Ämter sollten auch in den Hamburger Schulen angemessen behandelt worden sein. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Inwieweit und in welchem Umfang wurde und/oder wird der NSU im Geschichts- oder PGW-Unterricht der Hamburger Stadtteilschulen und Gymnasien explizit thematisiert? Die für Bildung zuständige Behörde erhebt nicht die konkreten Einzelthemen, die Lehrkräfte im Geschichts- oder Politik-Gesellschaft-Wirtschaft-(PGW)-Unterricht an Stadtteilschulen beziehungsweise Gymnasien mit ihren Schülerinnen und Schülern bearbeiten. Die in den Rahmenplänen enthaltenen inhaltlichen Vorgaben in den Fächern Geschichte und PGW orientieren sich in der Regel an übergreifenden, grundsätzlichen Themenfeldern und -schwerpunkten, nicht aber an einzelnen Ereignissen oder Themen. Über die Konkretisierung der inhaltlichen und kompetenzbezogenen Rahmenplanvorgaben in Einzelthemen entscheiden die Lehrkräfte im Rahmen ihrer pädagogischen Drucksache 21/4526 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Verantwortung für die Gestaltung des Unterrichts eigenständig; dabei sind die geltenden rechtlichen Vorgaben zu beachten. 2. Inwieweit war und/oder ist der NSU (auch teilweise) expliziter Bestandteil von Lehrerfortbildungen, Handreichungen oder Broschüren, veranstaltet oder herausgegeben von der Behörde für Schule und Berufsbildung? Im Aufgabengebiet Sozial- und Rechtserziehung des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) der für Schule zuständigen Behörde wird die zentrale Aufgabe wahrgenommen, die zivilgesellschaftlichen Kompetenzen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen für ein soziales Miteinander und die Partizipation in der Demokratie zu entwickeln und zu fördern. Zunehmende Bedeutung kommt dabei der Präventionsarbeit gegen jegliche Formen von Menschenrechts- und Demokratiefeindlichkeit zu, zu der auch Rechtsextremismus in all seinen Erscheinungsformen zählt. Das LI bietet diesbezüglich Beratung und Fortbildung für Lehrkräfte an; das aktuelle Fortbildungsprogramm enthält entsprechende Angebote. In dem Aufgabengebiet wird eng mit dem Hamburger Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus der für Schule zuständigen Behörde sowie verschiedenen Trägern und Projekten gegen Rechtsextremismus zusammengearbeitet. In Fortbildungen und Beratungen, in denen die Themen Rechtsextremismus beziehungsweise „Nationalsozialistischer Untergrund“ (NSU) aufgegriffen werden, wird auf das bundesweit zur Verfügung gestellte Unterrichtsmaterial verwiesen. Dazu gehören beispielsweise über das Informations-Portal zur politischen Bildung, ein Angebot der Landeszentralen für politische Bildung (siehe http://www.politische-bildung.de/ rechtsextremismus.html), bereitgestellte Materialien sowie diverse Medien der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) zum NSU beziehungsweise zu Rechtsextremismus allgemein (siehe http://www.bpb.de/). Darüber hinaus wurden von der für Bildung zuständigen Behörde keine spezifischen Eigenpublikationen zu diesem Thema erstellt. 3. Inwieweit war der NSU (auch teilweise) Bestandteil von schriftlichen oder mündlichen Prüfungen in den allgemeinbildenden Bildungsgängen der Hamburger Schulen bis heute? Zum Erwerb des ersten allgemeinbildenden und des mittleren Schulabschlusses finden zentrale schriftliche Prüfungen in den Fächern Deutsch, Englisch und Mathematik statt. Im Rahmen dieser schriftlichen Prüfungen wurde das genannte Thema nicht behandelt. Das gilt auch für die seit 2014 im Abitur schriftlich zentral geprüften Fächer Geschichte und PGW. Die zuständige Behörde hat keine Kenntnisse darüber, ob das genannte Thema möglicherweise in Einzelfällen im Rahmen dezentraler schriftlicher Abiturprüfungen behandelt wurde. Die Themen für die im Rahmen des Erwerbs der genannten Abschlüsse durchzuführenden mündlichen Prüfungen werden individuell durch die prüfenden Schulen vorgegeben und von der zuständigen Behörde nicht erfasst. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 4. Welche schulischen Unterrichtsprojekte gab es seit 2011 zum NSU? Siehe Antwort zu 1. 5. Inwieweit gab oder gibt es von der Stadt organisierte und/oder geförderte Begegnungen von Hamburger Schülern oder Hamburger Bürgern mit Opfern des NSU und/oder deren Angehörigen? Im Rahmen einer Gedenkfahrt der Hinterbliebenen der NSU-Opfer sowie der Ombudsfrau der Bundesregierung, Prof. Barbara John, am 12. Oktober 2015 nach Hamburg wurde die Gruppe der Opfer beziehungsweise Angehörigen durch den Staatsrat der für Arbeit, Soziales, Familie und Integration zuständigen Behörde zu einem Gespräch empfangen sowie durch das Mobile Beratungsteam gegen Rechtsextremismus , die Beratungsstelle „empower“ für Betroffene rechter, rassistischer und antisemitischer Gewalt und durch das Ausstiegsprojekt „Kurswechsel“ über Konzepte und Beratungsangebote gegen Rechtsextremismus informiert. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4526 3 Vom 1. bis 17. März 2016 hat die für Arbeit, Soziales, Familie und Integration zuständige Behörde die öffentliche, kostenlos zugängliche Ausstellung „Die Opfer des NSU und die Aufarbeitung der Verbrechen“ des Institutes für sozialwissenschaftliche Forschung , Bildung und Beratung (ISFBB) e.V.“ (Nürnberg) in der Diele des Hamburger Rathauses präsentiert. Ergänzend fand am 11. März 2016 ein Senatsempfang unter anderem mit Hinterbliebenen von NSU-Opfern sowie der Ombudsfrau der Bundesregierung für die Hinterbliebenen statt. 6. Gibt oder gab es städtische Projekte (ständige Ausstellungen, Wanderausstellungen , Broschüren) zum Thema NSU? Siehe Antwort zu 5. Darüber hinaus wird über die Ausstellung im Newsletter des Beratungsnetzwerkes gegen Rechtsextremismus, Ausgabe 1/2016, berichtet; vergleiche www.hamburg.de/gegen-rechtsextremismus (dort unter: Beratungsnetzwerk gegen Rechtsextremismus). Darüber hinaus werden im 5. Monitoringbericht (erschienen im April 2016) des Mobilen Beratungsteams gegen Rechtsextremismus Hamburger Verbindungen zum NSU-Komplex beleuchtet; vergleiche http://hamburg.arbeitundleben.de/img/daten/D298836830.pdf. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg informiert im Rahmen der gesetzlich vorgesehenen Öffentlichkeitsarbeit mit dem jährlich erscheinenden Verfassungsschutzbericht umfassend über die Gefahren, die von Extremisten ausgehen. Seit 2012 wird auch der Nationalsozialistische Untergrund (NSU) in den Verfassungsschutzberichten ausführlich thematisiert. Darüber hinaus hat es vonseiten der Sicherheitsbehörden keine Projekte zum Thema NSU gegeben. Im Übrigen siehe auch Antwort zu 2. 7. Aus welchen Mitteln der öffentlichen Hand und in welchem Umfang wurden Projekte, die die Verbrechen des NSU thematisieren, finanziert (bitte auch die konkrete Haushaltsposition angeben)? Die in der Antwort zu 5. benannte Ausstellung wurde mit 3.528 Euro aus Mitteln der für Arbeit, Soziales, Familie und Integration zuständigen Behörde finanziert (Produktgruppe 255.03). Die Kosten des Auf- und Abbaus der Ausstellung in Höhe von 714 Euro wurden aus der Produktgruppe 203.01 der Senatskanzlei finanziert. 8. Welche Maßnahmen hat die Behörde für Schule und Berufsbildung seit 2011 ergriffen, um die Erinnerung an und die Aufarbeitung über den NSU wachzuhalten beziehungsweise voranzutreiben? Siehe Antworten zu 1. und zu 2.