BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4556 21. Wahlperiode 31.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 23.05.16 und Antwort des Senats Betr.: Verbreitung von Suchterkrankungen und Folgeproblemen bei Flüchtlingen „Afghanistan gilt … als eine Hochburg des Drogenanbaus“, so die Bundesregierung in ihrer aus dem vergangenen Jahr stammenden Bilanz des Afghanistaneinsatzes . Dort, wo 90 Prozent des weltweiten Opiumanbaus erfolgt, gelten rund 1 Million Afghanen als süchtig. Afghanistan ist das Hauptherkunftsland derjenigen Flüchtlinge, die nach Hamburg kommen. Es stellt sich die Frage, ob und in welchem Umfang sich Menschen mit Suchtproblemen unter ihnen befinden. Zugleich sind Krieg, Flucht und die Sorge um eine unsichere Zukunft traumatisierende Erlebnisse, die Betroffene in die Sucht treiben können. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Gibt es bereits eine Untersuchung/Studie, statistische oder sonstige Erkenntnisse beim Senat und seinen Behörden über die Verbreitung von Suchtproblemen unter den Flüchtlingen allgemein und aus bestimmten Herkunftsländern? Wenn ja, welche Erkenntnisse ergeben sich daraus? Wenn nein, wurde das Problem bereits auf andere Weise erörtert und was sind die daraus resultierenden Erkenntnisse? Spezielle Untersuchungen und Studien liegen bisher nicht vor. Das Thema ist aber Gegenstand unterschiedlicher Gremien und Arbeitszusammenhänge. So wurde die Frage in Zusammengang mit der medizinischen Versorgung von Asylsuchenden in den Erstaufnahmeeinrichtungen behandelt. Der Fachrat der ambulanten Suchtkrankenhilfe hat sich mit der Frage der künftigen Versorgung von suchtkranken Flüchtlingen beschäftigt und beobachtet die Entwicklung. Die Ständige Arbeitsgruppe Suchtprävention setzte sich im Januar 2016 mit der Frage auseinander. Der Arbeitskreis „Migration und Sucht“ der Hamburger Landesstelle für Suchtfragen widmete sich in der Sitzung im September 2015 dieser Thematik. Eine Fortbildungsveranstaltung „Flüchtlinge in der Medizin“ hat in der Ärztekammer am 12. Mai 2016 stattgefunden, um Ärztinnen und Ärzte, medizinisches Assistenzpersonal, Einrichtungsleiterinnen und -leiter sowie Sozialarbeiterinnen und Sozialarbeiter der Aufnahmeeinrichtungen über das Suchthilfesystem in Hamburg zu informieren und sich über anstehende Fragen auszutauschen. Zentrale Themen in allen Gesprächen sind die Fragen, wie die Zugänge zu den Betroffenen bestmöglich gestaltet werden können und wie die Integration ins vorhandene Hilfesystem sichergestellt werden kann. Die Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen. 2. Wie viele Flüchtlinge haben 2015 und 2016 eine Suchtberatung besucht? Bitte nach Monaten aufschlüsseln. Drucksache 21/4556 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Wie viele wurden deswegen medizinisch behandelt? Bitte nach Monaten aufschlüsseln. 4. Wie viele der süchtigen Flüchtlinge stammen aus jeweils welchem Herkunftsland ? 5. Um welche Art von Suchterkrankung handelt es sich jeweils? 6. Bei wie vielen lag vermutlich bereits eine Suchtvorerkrankung vor der Flucht vor? Bei wie vielen ist sie erst infolge der Flucht entstanden? Es kann nicht in jedem Einzelfall einer Behandlung festgestellt werden, ob diese Folge einer Suchterkrankung ist. In den Fällen, in denen ein Zusammenhang zur Suchterkrankung feststeht, müsste eine aufwändige und umfangreiche Einzeldatenanalyse durch die jeweilige Krankenkasse durchgeführt werden. Das Merkmal „Flüchtling“ wird im Zusammenhang mit Suchtberatung auch statistisch nicht erfasst. Darüber hinaus liegen der zuständigen Behörde keine Erkenntnisse vor. 7. Kann eine vorliegende Suchterkrankung die Duldung eines abgelehnten Asylbewerbers bewirken? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen und liegen hierzu Zahlen vor? In Fällen, in denen aus medizinischen Gründen eine Abschiebung nicht durchgeführt werden kann, kann die Abschiebung gemäß § 60a Absatz 2 Satz 1 Aufenthaltsgesetz ausgesetzt werden. Eine Erkrankung kann ein inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis darstellen, wenn die Wahrscheinlichkeit besteht, dass die Abschiebung zu einer wesentlichen oder sogar lebensbedrohlichen Verschlechterung des Gesundheitszustands führen würde. Die Gefahr muss sich aus dem Abschiebevorgang und seinen Folgen ergeben; das heißt, die Rückführung würde eine Verschlechterung des Gesundheitszustandes mit sich bringen. Dies kann auch für Suchterkrankungen gelten. Daten im Sinne der Fragestellung werden bei der zuständigen Behörde nicht erhoben. 8. Gibt es Berichte des Drob Inn oder anderer Drogenberatungs- und Betreuungsstellen zum Thema Flüchtlinge und Sucht? Wenn ja, was ist deren Inhalt? Im Rahmen der Sachberichte 2015 haben die Suchtmittelhilfeträger über das Thema berichtet. Die Einrichtungen führen aus, dass in den Beratungsstellen von Betroffenen um Unterstützung nachgefragt wird. Problematisch sei unter anderem die Überwindung der Sprachbarriere. 9. In wie vielen Fällen wurden bisher in den Unterkünften jeweils welche illegalen Drogen von Mitarbeitern konfisziert? Bitte nach Monaten für 2015 und 2016 aufschlüsseln. Nach Auskunft der jeweiligen Betreiber der Erstaufnahmeeinrichtungen wurden in zwei Fällen nicht bestimmbare Substanzen gefunden. In einem weiteren Verdachtsfall wurde festgestellt, dass es sich um kein Betäubungsmittel handelte. In dem Bereich der öffentlich-rechtlichen Unterbringungen wird keine Statistik geführt. 10. Wie viele Drogendurchsuchungen/-razzien in ZEA und Folgeunterkünften gab es seit 2015? Bitte nach Monaten aufschlüsseln. Was war jeweils das Ergebnis und an welchen Standorten wurden sie durchgeführt ? Bei der zuständigen Behörde werden statistische Daten im Sinne der Fragestellung nicht erhoben. Für die Beantwortung der Frage wäre eine Durchsicht aller Vorgänge an den für Delikte im Sinne der Fragestellung zuständigen Dienststellen erforderlich. Eine Auswertung von mehreren Tausend Vorgängen des erfragten Zeitraumes ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 11. Werden in den Unterkünften Informationen über den Umgang mit Drogen und die Möglichkeiten für Süchtige in Deutschland verteilt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4556 3 Wenn ja, wie erfolgen die Informationen und was sind die Kernpunkte? Wenn nein, warum nicht? In Erstaufnahmeeinrichtungen werden Informationen zu diesem Thema auf unterschiedlichen Wegen gegeben, beispielsweise durch das Auslegen und Aushängen von Flyern in unterschiedlichen Sprachen, präventive und fallorientierte persönliche Gespräche unter Mithilfe der Dolmetscher, Verweis an örtliche Beratungsstellen oder Beratung durch Ärzte. In den öffentlich-rechtlichen Unterbringungen informieren die Unterkunfts- und Sozialmanager die Bewohnerinnen und Bewohner bei entsprechendem Bedarf über fachlich spezialisierte Beratungs- und Betreuungseinrichtungen und unterstützen bei Kontaktaufnahme und Vermittlungen in die einschlägigen Einrichtungen des Hilfesystems für drogenabhängige Menschen. 12. Was passiert, wenn ein Flüchtling mit illegalen Drogen aufgegriffen wird: a) innerhalb einer Unterkunft? b) außerhalb einer Unterkunft? Die zuständige Behörde leitet bei ihr zur Kenntnis gelangten Sachverhalten ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren ein und führt unabhängig vom Ort die im Einzelfall erforderlichen Maßnahmen durch. 13. Werden Flüchtlinge in Flüchtlingsunterbringungen substituiert? Wenn ja, auf welcher Rechtsgrundlage und unter welchen Voraussetzungen ? Wenn, nein, wie wird mit suchtkranken Flüchtlingen in den Unterkünften umgegangen? Werden diese gegebenenfalls beim Entzug medizinisch betreut? Nein. Im Rahmen der Erstbehandlung in der Erstaufnahmeeinrichtung gibt es keine Fälle von Substituierung. Im Rahmen der Regelversorgung über die Betreuung durch die AOK Bremen/Bremerhaven (Gesundheitskarte) oder durch den jeweiligen gesetzlichen Krankenversicherer ist eine Substitution aber grundsätzlich möglich und wird im Einzelfall vom behandelnden Arzt verordnet, soweit sie medizinisch indiziert ist. Nach Auskunft der AOK Bremen/Bremerhaven sind Einzelfälle von Substitutionsbehandlungen bekannt. Genaue Daten könnten darüber hinaus jedoch nur durch eine aufwändige Einzeldatenanalyse aller Bewohner durch sämtliche Krankenkassen ermittelt werden . Dies ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 14. Kann dies Auswirkungen auf sein Asylverfahren oder seinen Aufenthaltsstatus haben? Wenn ja, unter welchen Voraussetzungen sind welche Auswirkungen zu erwarten? Nein. 15. Wie viele mit illegalen Drogen handelnde Flüchtlinge wurden seit Erfassung dieses Merkmals in der Statistik festgenommen? Bitte nach Monaten aufschlüsseln. In der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) werden ermittelte Tatverdächtige erfasst. Eine statistische Erfassung festgenommener Personen erfolgt in der PKS nicht; darüber hinaus siehe Antwort zu 9. 16. Gibt es Erkenntnisse zum Thema Beschaffungskriminalität durch süchtige Flüchtlinge? Wenn ja, welche? Der zuständigen Behörde liegen keine Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung vor.