BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4559 21. Wahlperiode 31.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 23.05.16 und Antwort des Senats Betr.: Imame in Hamburger Moscheen – Ein Dunkelfeld Als zweitgrößte Stadt Deutschlands beherbergt Hamburg seit Jahrzehnten eine stetig wachsende islamische Gemeinde. Der BASFI zufolge hat diese im Jahr 2013 bereits 130.000 Mitglieder gezählt, was gegenwärtig einem Anteil von 8 Prozent der Gesamtbevölkerung entspricht.1 Darüber hinaus gehören die Imam-Ali-Moschee und das Islamische Zentrum Hamburg zu den ältesten islamischen Einrichtungen Deutschlands. Obwohl sich die Muslime der Hansestadt auf eine Vielzahl unterschiedlicher konfessioneller Gruppen verteilen, ist ihnen allen das Beten in Moscheen gemein. Bei den mittlerweile 2.600 Moscheen, die es gegenwärtig in Deutschland gibt, handelt es sich mehrheitlich um Einrichtungen mit peripherer Lage wie Hinterhöfen, Fabrikgeländen oder ehemaligen Ladenlokalen, die über keine Minarette verfügen. Erst seit den 1990er Jahren ist eine Entwicklung zu beobachten, der zufolge Muslime verstärkt Wert darauf legen, ihre Religion sichtbar zu leben, weshalb sie immer öfter den Bau von repräsentativen Moscheen fordern. Diese Tatsache belegt, dass Menschen muslimischen Glaubens Deutschland zunehmend als neue Heimat verstehen. Dabei handelt es sich um eine Tendenz, von der auch Hamburg nicht ausgenommen ist. Da der Senat den Muslimen bei derartigen Anliegen sehr entgegenkommt2 und den Islam im Rahmen eines Staatsvertrages als elementaren Bestandteil des religiösen Lebens in Hamburg gewürdigt hat, ist nicht nachvollziehbar, warum er offenbar kein Interesse an Gegenleistungen hat. Denn bislang hat sich der Senat lediglich darauf beschränkt, von den islamischen Trägerverbänden ein Bekenntnis zum Prinzip von „Offenheit und Transparenz“ zu fordern 3, das – wie er selbst sagt – aber nur als „akzeptanzfördernde Maßnahme für ein gedeihliches Miteinander der muslimischen und nichtmuslimischen Bevölkerung“ ohne jedwede Verbindlichkeiten gedacht ist.4 Für großes Unverständnis sorgt zudem, dass der Senat bislang nicht einmal elementare Informationen abfragt. So hat er nach eigener Aussage keine Kenntnis davon, welche Personen in Hamburger Moscheen als Imame wirken und inwiefern diese eine geeignete Ausbildung dafür mitbringen.5 Auch hat er eingeräumt, die Anzahl der in Hamburg betriebenen Moscheen nicht immer genau zu kennen und sieht zudem keinen Grund dafür, die Imame auf ihre Eignung hin zu prüfen, da darin eine „Verletzung der Religionsfreiheit“ beste- 1 Confer BASFI 2013. 2 So hat der Senat bislang etwa die Genehmigung zum Bau einer Großmoschee in Wilhelmsburg für 1.000 Gläubige genehmigt. 3 Confer Drs. 21/2578. 4 Confer ibidem. 5 Confer Drs. 21/1987. Drucksache 21/4559 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 he.6 Damit nicht genug, müssen Hamburger Imame nach gegenwärtiger Rechtslage noch nicht einmal einen Nachweis über ihre Deutschkenntnisse erbringen7 – eine Voraussetzung, die mittlerweile für alle anderen Ausländer, die zum Leben nach Deutschland kommen, obligatorisch ist und von der man längst weiß, dass Integration ohne sie niemals gelingen kann. Gleichwohl nimmt man es als gegeben hin, dass die Moscheegemeinden ihr Personal im Ausland rekrutieren, mit der Folge, dass die Messen in den meisten Moscheen nicht auf Deutsch, sondern in den jeweiligen Landessprachen gefeiert werden. Man kann konstatieren, dass sich die Ausgestaltung des muslimischen Lebens innerhalb der Moscheegemeinden in Hamburg faktisch in einem Dunkelfeld abspielt, das einen staatlichen Einblick aus den genannten Gründen nahezu unmöglich macht – ein Zustand, der besonders in Hinblick auf die Flüchtlingskrise untragbar ist und umso wichtiger sein muss, als die Anzahl der Muslime in Hamburg stark angestiegen ist. Infolgedessen sind Einrichtungen wie die Al-Nour-Moschee in St. Georg, in der sich zum Freitagsgebet mittlerweile 2.500 Gläubige8 einfinden, mittlerweile darauf angewiesen , mehrere Gottesdienste abzuhalten. Dass der Senat sich nicht darum kümmert, auf wen diese Menschen bei einem Moscheebesuch treffen und daher auch nicht weiß, welchen Einflüssen sie dort ausgesetzt sind, ist nicht hinnehmbar; gerade auch deshalb, weil das Beispiel von Brüssel-Molenbeek gezeigt hat, dass eine derart lasche Politik dafür verantwortlich gewesen ist, dass in Moscheen Islamisten ungestört ihre Ideologie verbreiten konnten. Vollends erkennbar wird die Dimension des Problems allerdings erst vor dem Hintergrund des 11. September. Denn wie in Molenbeek hatten auch seine Attentäter eine jahrelange Radikalisierung in Hamburger Moscheen durchlaufen , weil man zu keinem Zeitpunkt wusste, was für Personen dort predigten. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Artikel 137 Absatz 3 der deutschen Verfassung vom 11. August 1919, der über Artikel 140 des Grundgesetzes zu dessen Bestandteil geworden ist, lautet: „Jede Religionsgemeinschaft ordnet und verwaltet ihre Angelegenheiten selbständig innerhalb der Schranken des für alle geltenden Gesetzes. Sie verleiht ihre Ämter ohne Mitwirkung des Staates und der bürgerlichen Gemeinde.“ Der Senat anerkennt und achtet das hierin zum Ausdruck kommende Selbstbestimmungsrecht der Religionsgemeinschaften als wesentlichen Teil der grundgesetzlich garantierten Religionsfreiheit. Dies gilt unterschiedslos für alle Religionsgemeinschaften . Die Sicherheits- und Ausländerbehörden gehen ihren Aufgaben dementsprechend nach Recht und Gesetz unabhängig davon nach, ob und gegebenenfalls welcher Religionsgemeinschaft die Betroffenen angehören. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Moscheen werden gegenwärtig in Hamburg betrieben (Die Studie „Hamburg postmigrantisch“ nennt eine Anzahl von 509)? Bitte anhand der Trägerverbände (DiTiP, SCHURA, Verband der islamischen Kulturzentren) aufschlüsseln. 2. Wie viele betriebene Moscheen stehen außerhalb dieser Trägerverbände ? Siehe Drs. 20/1437 und 20/4886. 6 Confer ibidem. 7 Confer ibidem. 8 Wo Hamburgs Muslime im Akkord beten. „Hamburger Abendblatt“ online vom 5. März 2016. 9 Confer „Hamburg postmigrantisch“. Seite 31. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4559 3 3. Welchen Nationen (arabisch, türkisch, persisch et cetera) lassen sich die Moscheen im Einzelnen zuordnen? Zu den verbandsangehörigen Moscheen siehe die von der zuständigen Behörde unterstützte Studie „Moscheen und Gebetsräume in Hamburg“, http://www.schurahamburg.de/images/stories/downloads/ Bericht_Moscheen_und_Gebetsraeume_in_Hamburg_2013.pdf. Eine flächendeckende staatliche Erfassung der ethnischen Ausrichtung von Religionsgemeinschaften findet im Übrigen nicht nur im islamischen Bereich nicht statt. 4. Wie viele Imame sind momentan in Hamburger Moscheen beschäftigt? Bitte anhand der Trägerverbände sowie den übrigen Moscheegemeinden aufschlüsseln. 5. Aus welchen Herkunftsländern stammen diese Imame? Bitte einzeln aufschlüsseln. Eine Datenerfassung im Sinne der Fragestellung erfolgt nicht. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 6. In wie vielen Fällen erhalten die Imame ihr Gehalt aus dem Ausland? Bei Entsendung von Imamen durch das Türkische Amt für religiöse Angelegenheiten (siehe Antwort zu 8. a)) wird die Bezahlung von dort übernommen. Im Übrigen erfolgt eine Datenerfassung im Sinne der Fragestellung nicht. 7. Hat der Senat Kenntnis darüber, für wie lange Imame jeweils eine Stelle in den Moscheen versehen? Die Entsendung von Imamen durch das Türkische Amt für religiöse Angelegenheiten (siehe Antwort zu 8. a)) ist regelhaft auf fünf Jahre befristet. Im Übrigen erfolgt eine Datenerfassung im Sinne der Fragestellung nicht. 8. Auf welcher rechtlichen Grundlage werden Imame in Hamburg eingestellt ? a) Schließen die Moscheen dazu mit ihnen Verträge? Die religiöse Funktion von Imamen in Hamburger Moscheegemeinden wird nach Kenntnis des Senats sowohl auf der Grundlage von Arbeitsverträgen als auch ehrenamtlich sowie im Fall der DITIB aufgrund Entsendung von Mitarbeitern seitens des Türkischen Amtes für religiöse Angelegenheiten (Diyanet) wahrgenommen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. b) Inwieweit nimmt der Senat darauf Einfluss? Gibt es womöglich Vorgaben ? Eine Einflussnahme erfolgt nicht. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Drs. 21/1987. 9. Wird der Senat im Vorfeld über die Einstellung von Imamen informiert? 10. Hat der Senat Kenntnisse darüber, ob Imame im Rahmen ihres Aufenthalts an mehreren Moscheen wirken und bekommt er mit, wenn diese ihren Arbeitsplatz wechseln? Jenseits etwaiger in ausländerrechtlichen Verfahren erlangter Kenntnisse (siehe Antworten zu 11. bis 13.) : nein. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 11. Was für Voraussetzungen muss ein ausländischer Bürger erfüllen, um in Hamburg als Imam arbeiten zu können? Sofern ein ausländischer Staatsangehöriger bereits einen Aufenthaltstitel mit der Möglichkeit der Arbeitsaufnahme besitzt, steht es ihm aufenthaltsrechtlich grundsätzlich frei, diese Tätigkeit auszuüben. Für die Einreise und den Aufenthalt von Imamen aus dem Ausland gelten die allgemeinen, im Aufenthaltsgesetz (AufenthG) geregelten Voraussetzungen für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern in Deutschland. Sofern für das jeweilige Herkunftsland Visumspflicht nach Maßgabe der Verordnung (EG) Nummer 539/2011 (EG-Visa-VO) besteht, entscheidet die zuständige Auslandsvertretung nach Maßgabe des § 31 Absatz 2 Aufenthaltsverordnung ohne Beteiligung Drucksache 21/4559 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 der hiesigen Ausländerbehörde. Nach Maßgabe der §§ 72 a fortfolgende AufenthG finden im Rahmen des Visumsverfahrens sowie bei der Verlängerung der Aufenthaltstitel Sicherheitsüberprüfungen statt. Imamen, die bei einer Moschee beschäftigt werden sollen, kann eine Aufenthaltserlaubnis nach § 18 AufenthG zum Zweck der Beschäftigung als Imam erteilt werden. Dafür bedarf es nach § 14 Absatz 1 Nummer 2 Beschäftigungsverordnung keiner Zustimmung durch die Bundesagentur für Arbeit, sofern keine weitere sonstige Beschäftigung ausgeübt werden soll. Im Übrigen müssen die allgemeinen Erteilungsvoraussetzungen nach § 5 AufenthG erfüllt sein. 12. Werden die Bewerber vor ihrer Einstellung in Rücksprache mit den Behörden ihrer Herkunftsländer polizeilich überprüft (so wie etwa auch die Mehrheit der deutschen Arbeitnehmer, von denen bei einer Einstellung gewöhnlich ein polizeiliches Führungszeugnis verlangt wird)? Unabhängig von der jeweiligen Berufstätigkeit finden seitens der Ausländerbehörden im Rahmen des Visumsverfahrens sowie bei der Verlängerung der Aufenthaltstitel nach Maßgabe der §§ 72 a fortfolgende AufenthG Sicherheitsüberprüfungen statt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 13. Worin besteht heute im Vergleich zu 2001 der Unterschied, wenn es darum geht, dass der Senat Informationen über als Imame in Hamburger Moscheen wirkende Personen verfügt? 2001 galt für die Einreise und den Aufenthalt ausländischer Imame eine andere Rechtsgrundlage, nämlich § 10 Ausländergesetz i.V.m. § 5 Nummer 6 Arbeitsaufenthalteverordnung . Dabei wurde lediglich geprüft, ob die Antragsteller in den polizeilichen Auskunftssystemen notiert waren. Inzwischen finden bei der Einreise von Ausländern in weitaus stärkerem Maße Sicherheitsüberprüfungen nach §§ 72a fortfolgende AufenthG statt, deren Ergebnis in den jeweiligen Ausländerakten dokumentiert wird. Davon sind auch ausländische Imame betroffen. Die Sicherheitsbehörden unterhalten im Rahmen ihrer Aufgabenerfüllung direkte Kontakte zu Vertretern Moscheegemeinden sowie dort tätigen Imamen. Eine systematische Erfassung von Informationen über Imame findet nicht statt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung und Drs. 21/1987.