BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4579 21. Wahlperiode 31.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Detlef Ehlebracht und Dr. Bernd Baumann (AfD) vom 24.05.16 und Antwort des Senats Betr.: Automatische U5 Auf der Sitzung des Verkehrsausschusses am 10.05.2016 wurde den Ausschussmitgliedern von den Vertretern der Hamburger Hochbahn das Konzept für die neue U5 vorgestellt. Demnach ist es heute Stand der Technik, nur noch sogenannte vollautomatische U-Bahnen zu planen, bei denen nicht nur der Fahrbetrieb (ohne Fahrer im Zug), sondern auch die Abfertigung auf den Stationen automatisch abläuft. Dies bedingt, dass die Haltestellen bahnsteigseits zum Gleis hin mit Abtrennungen und Türen versehen sind, sodass sichergestellt ist, dass kein Fahrgast versehentlich auf das Gleis gerät, wenn der führerlose Zug einfährt. Aufgrund dieses Aufwandes an den U-Bahn- Stationen ist es leicht nachvollziehbar, dass dieses System nicht auf dem bestehenden Netz zur Anwendung kommen kann, da dies jeden finanziellen Rahmen sprengen würde. Die Folge dieser Entscheidung bedeutet jedoch, dass es künftig zwei U-Bahn-Systeme in Hamburg geben würde, die nicht miteinander kompatibel wären. Das heißt, die Fahrzeuge des neuen Systems könnten nicht auf dem alten Netz verkehren, da sie gar keine Führerstände mehr besitzen werden, und umgekehrt können die alten Züge nicht auf der neuen Strecke eingesetzt werden, da ihnen die notwendigen technischen Einrichtungen dazu fehlen. Für das neue System müsste also notwendigerweise eine komplette neue Strecke (mit einer kompletten neuen Unterquerung der gesamten Stadt) gebaut werden, die Streckenergänzungen nach Steilshoop/Bramfeld oder Lurup/Osdorfer Born ließen sich nicht einfach durch kurze (auch finanziell schneller realisierbare) Ergänzungen der vorhandenen Linien erzielen, die ja durchaus noch erhebliche Kapazitätsreserven aufweisen. Mit genau dem Argument der fehlenden Systemkompatibilität hat der SPDgeführte Senat letztendlich die Stadtbahn abgelehnt. Dies vorausgeschickt fragen wir den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen auf der Grundlage von Auskünften der Hamburger Hochbahn AG (HOCHBAHN) wie folgt: 1. Von wem und wann wurde die Entscheidung, eine vollautomatische und mit dem übrigen Netz somit nicht kompatible U5 zu planen, getroffen? Auf der Grundlage der von der Bürgerschaft beschlossenen Drs. 21/1736 vertieft die HOCHBAHN derzeit die Planungen für eine neue U-Bahn-Linie U5. Im Rahmen dieser Planungen wird auch geprüft, ob und in welchem Umfang die Planungsparameter des bestehenden U-Bahn-Netzes auf die U5 übertragen werden sollten. Hierbei stehen insbesondere Fragen der Fahrzeugabmessungen und einer teil- oder vollständigen Drucksache 21/4579 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 automatischen Betriebsführung zur Untersuchung an. Eine endgültige Entscheidung über die Realisierung wird damit noch nicht getroffen. 2. Was waren die Gründe einer derartigen Festlegung? Eine automatische Betriebsführung entspricht dem aktuellen technischen Standard bei neu zu bauenden U-Bahn-Systemen. Sie bietet erhebliche Vorteile für die Fahrgäste und für die Verkehrsunternehmen. Einige Beispiele hierfür sind: Komfortable Bahnsteige (reduzierte Zugluft und Fahrgeräusche), Verringerung der Gefährdung durch Stürze in den Gleisbereich, komfortable, gleichmäßige Fahrweise, Möglichkeit höherer Taktdichten, flexible schnellere Anpassung an Nachfrageschwankungen, Reduzierung der Betriebskosten (kein reines Fahrpersonal notwendig, energieoptimiertes Fahren). Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 3. Ist bei der Entscheidung auch berücksichtigt worden, dass es bereits in den Achtzigerjahren einmal einen automatisierten Fahrbetrieb zwischen Großhansdorf und Volksdorf gab, der 1985 jedoch wegen mangelnder Akzeptanz der Fahrgäste wieder eingestellt wurde? Ja. In den 1980er Jahren waren vollautomatische Schnellbahnen noch im Entwicklungsstadium . Heute setzen weltweit bereits über 30 Verkehrsunternehmen vollautomatische Schnellbahnen mit einer Gesamtstreckenlänge von über 500 km erfolgreich ein. Dazu gehören unter anderem die Städte Nürnberg und Kopenhagen. Bis zum Jahr 2020 soll die weltweite Gesamtlänge der vollautomatischen Strecken auf über 2.000 km steigen (Quelle: UITP, World Metro Figures, Oktober 2015). 4. Inwieweit spielt die Inkompatibilität der neuen Strecke mit dem übrigen U-Bahn-Netz nun keine Rolle mehr? Die Strecke der Linie U5 wird nach derzeitigem Stand der Planungen kompatibel zum Bestandsnetz geplant. So gelten die gleichen Spurweiten und Lichtraumprofile. Dies führt dazu, dass die bereits vorhandenen Bau- und Wartungsfahrzeuge der HOCH- BAHN über den geplanten Gleisanschluss an der Sengelmannstraße auf die Trasse der U5 gelangen können und somit die neue Strecke mit Bestandsfahrzeugen gewartet werden kann. Darüber hinaus ist geplant, dass die Fahrzeuge der U5 über den genannten Gleisanschluss in das Bestandsnetz gelangen und in die Hauptwerkstatt in Barmbek überführt werden können. In der Hauptwerkstatt soll die Instandhaltung der Fahrzeuge erfolgen. Für diese Überführung sind Hilfsführerstände in den Fahrzeugen der U5 vorgesehen, an denen ein U-Bahn-Fahrer den manuellen Betrieb übernimmt. 5. Ist nicht die Inkompatibilität auch der Grund dafür, dass hier kurze und erheblich kostengünstigere Streckenergänzungen, etwa von Barmbek (Ausfädelung aus der vorhandenen U3) oder von Alter Teichweg (aus der U1) in den bisher erstellten Untersuchungen und Machbarkeitsstudien gar nicht ausreichend betrachtet worden sind? Nein. In der Konzeptstudie der HOCHBAHN zur U-Bahn-Netzerweiterung wurde zunächst sorgfältig abgewogen, ob Potenzialgebiete wie Steilshoop oder Bramfeld mit Ausfädelungen beziehungsweise Linienverlängerungen angebunden oder mit einer neuen Durchmesserlinie sinnvoll verknüpft werden sollten. Erst nach der Entscheidung für eine neue Linie wurden Systemparameter analysiert. 6. Inwiefern glaubt man seitens des Senats, die Forderung des Koalitionsvertrages nach Anbindung der Großsiedlungen Steilshoop und Osdorfer Born an die Innenstadt mit der jetzt geplanten Gesamtstrecke der automatischen U5 innerhalb des genannten Zeitrahmens von 15 Jahren verwirklichen zu können? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4579 3 7. Hält der Senat es somit für möglich, die Gesamtstrecke der U5 zwischen Osdorfer Born und Bramfeld in 15 Jahren zu finanzieren und zu realisieren ? Oder hat man damit in jedem Fall nur eine Umsteigeverbindung gemeint? Es ist vorgesehen, dass die neue U-Bahn-Linie U5 vom Osten von Bramfeld über die Innenstadt zum Osdorfer Born führen soll. Die HOCHBAHN hat auf der Grundlage der Drs. 21/1736 mit der Planung begonnen. Der Senat setzt sich das Ziel, in 15 Jahren die wichtigsten Streckenabschnitte fertigzustellen. Diese Zielerreichung ist abhängig von den Planungsergebnissen, von der Zustimmung der Bürgerschaft sowie von der Finanzierbarkeit. 8. Ausgehend von der Annahme, auch mit dem jetzt aktuell vorgestellten Teilabschnitt eine eigenständige Verkehrsbedeutung erreichen zu wollen , welche Fahrgastzahlen und welche Zugfolgen sind für den Teilabschnitt Sengelmannstraße – Bramfeld prognostiziert? Der erste Bauschnitt der U5 von Bramfeld bis in die City Nord hat einen hohen, eigenständigen Verkehrswert. Durch den bahnsteig- und zeitgleichen Übergang von U5 und U1 an der Sengelmannstraße erhalten die Fahrgäste aus Richtung Bramfeld und Steilshoop einen schnellen, komfortablen und zuverlässigen Anschluss in Richtung City und umgekehrt. Erste Abschätzungen zu den Fahrgastzahlen zeigen, dass eine U-Bahn-Verbindung angemessen ist. 9. Wann wird man die theoretisch mögliche Zugfolge von 90 Sekunden auf dieser Strecke erreichen? Die Verkehrsunternehmen und der Hamburger Verkehrsverbund überprüfen laufend die Nachfrageentwicklung und die Angemessenheit des Verkehrsangebotes des Bestandnetzes. Dies wird auch im Fall der geplanten U5 gelten. Mit der Frage, wann eine Zugfolge von 90 Sekunden auf dem ersten Bauabschnitt der U5: Bramfeld – City Nord erreicht wird, hat sich die zuständige Behörde nicht befasst. 10. Wurde dabei auch berücksichtigt, dass der Teil der Bramfelder beziehungsweise Steilshooper, der nur nach Barmbek möchte, auch weiterhin den Bus benutzen wird? Es werden auch nach Inbetriebnahme der U5 direkte Busverbindungen von Bramfeld, Steilshoop und Barmbek Nord zum Bahnhof Barmbek als Quartierserschließung bestehen. 11. Wurde dabei auch berücksichtigt, dass die Innenstadt über Jahre nur mit Umsteigen erreichbar sein wird, und das Umsteigen für einen Teil der Fahrgäste (auch wenn es am gleichen Bahnsteig stattfindet) durchaus beschwerlich sein kann und oft zum Verlust des Sitzplatzes führt, wenn zum Beispiel an der Station Sengelmannstraße in eine bereits voll besetzte Bahn aus Norderstedt gewechselt werden muss? Eine nach derzeitigem Planungsstand fertiggestellte U5 wird eine umsteigefreie Verbindung von Bramfeld und Steilshoop in die Innenstadt bieten. Da nicht alle Bauabschnitte gleichzeitig gebaut werden können, wird sich eine vorläufige, aber komfortable Umsteigesituation an der Sengelmannstraße ergeben. 12. Nach den Ausführungen der HOCHBAHN im Verkehrsausschuss ließe sich die Zugfolge auf dem bestehenden Netz auf 120 Sekunden steigern . Welche Maßnahmen wären auf dem bestehenden U-Bahn-Netz konkret notwendig, um dort die Zugfolge auf 120 Sekunden zu steigern und welcher Kostenaufwand würde dabei entstehen? Theoretisch kann bereits heute eine Zugfolge von zwei Minuten gefahren werden, allerdings nicht stabil und damit nicht pünktlich. Die geringsten Verzögerungen im Ablauf würden zum Aufstauen der Züge führen. Für einen stabilen 120-Sekunden-Takt wären verschiedene Investitionen erforderlich, wie zum Beispiel: Drucksache 21/4579 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Installation zusätzlicher Zwischensignale, um mehr Zugsicherungsabschnitte zu schaffen. Damit würde auch eine Anpassung der Stellwerke einhergehen. Für einen umfangreichen 120-Sekunden-Takt wären außerdem deutlich mehr Fahrzeuge und Fahrer erforderlich. Während auf Teilen des Netzes heute in der Hauptverkehrszeit bis zu drei, maximal vier Züge in zehn Minuten pro Richtung fahren, wären es dann fünf. Um einen automatischen Betrieb im Bestandsnetz der U-Bahn einführen zu können, müssten zunächst ausführliche Analysen über die infrage kommenden Abschnitte und Maßnahmen erstellt werden, um Aussagen zum Kostenrahmen treffen zu können. 13. Wie hoch ist die derzeitige Auslastung der vorhandenen U-Bahn- Strecken? Bitte für alle relevanten Streckenabschnitte der bestehenden Linien angeben in Zügen/Stunde, jeweils heutige Zuganzahl und technisch mögliche Zuganzahl bei einer Zugfolge von 120 Sekunden. Auf der Linie U2/U4 verkehren derzeit 18 Züge pro Stunde. Ähnlich verhält sich in den Spitzenstunden auf der U1 und U3. Die technisch mögliche Zuganzahl bei einer Zugfolge von 120 Sekunden sind 30 Züge pro Stunde.