BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4589 21. Wahlperiode 31.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Birgit Stöver (CDU) vom 25.05.16 und Antwort des Senats Betr.: Ist der Naturcent nur ein Feigenblatt, um die rot-grüne Koalition zu kitten ? Nach der öffentlich ausgetragenen Koalitionskrise des rot-grünen Senats wurde nun ein Kompromiss gefunden: Um das Wohnungsbauprogramm der SPD zu retten und den grünen Koalitionspartner zufriedenzustellen, wird der Naturcent eingeführt. Zusätzliche Einnahmen aus der Grundsteuer, die aus der Neuerschließung von Flächen entstehen, sollen in ein Sondervermögen „Naturschutz und Landschaftspflege“ fließen. Der Zuwachs an Grundsteuereinnahmen durch die Bebauung soll somit direkt für Naturschutzmaßnahmen sowie für Maßnahmen zur Pflege von Grün- und Erholungsanlagen eingesetzt werden – so die Äußerungen des Senats. Die Zerstörung von Landschaftsschutzgebieten und anderen Grünflächen durch die überhastete Bebauung lässt sich jedoch durch finanzielle Investitionen in Naturschutzmaßnahmen nicht rückgängig machen. Auch wirft es einige Fragen auf, wenn der Senat die Absicht verkündet, mit diesem Naturcent Grün- und Erholungsflächen pflegen zu wollen, denn das gehört auch ohne Naturcent zu seinen Aufgaben und sollte durch die entsprechenden Mittel im Haushalt bereits abgesichert sein. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Mit der geplanten Regelung soll ein Teil des Grundsteueraufkommens für Maßnahmen des Naturschutzes und der Pflege und Unterhaltung von Grünanlagen zur Verfügung gestellt werden. Die Grundsteuer selbst bleibt in der Höhe unberührt, sodass aus dem vorgesehenen Mechanismus keine Zusatzbelastungen für die Bürger entstehen . Die Einführung der Regelung bedarf einer Änderung der Vorschriften des Gesetzes über das Sondervermögen „Naturschutz und Landschaftspflege“ betreffend die Festlegung der dem Sondervermögen zufließenden zusätzlichen Mittel sowie die Zweckbestimmung für die Verwendung dieser Mittel. Der Senat wird in der erforderlichen Mitteilung an die Bürgerschaft über Rahmenbedingungen und Einzelheiten berichten. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Seit 2001 gibt es in Hamburg das Sondervermögen „Naturschutz und Landschaftspflege“. Zweck des Sondervermögens ist eine beschleunigte , bezirksübergreifende und langfristig gesicherte Realisierung von Naturschutzmaßnahmen. Hat der Senat überprüft, a. ob Maßnahmen zur Pflege von Grün- und Erholungsanlagen vereinbar sind mit dem Zweck dieses Sondervermögens? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Drucksache 21/4589 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Siehe Vorbemerkung. b. ob es sinnvoll ist, durch einen Naturcent das Sondervermögen „Naturschutz und Landschaftspflege“ aufzustocken, wenn zugleich durch die hastige Bebauung immer mehr zu bewahrende Flächen wegfallen? Wenn ja, mit welchem Ergebnis? Mit der trotz weiterhin geltender Priorität für die Innenentwicklung erforderlich werdenden Inanspruchnahme von Grünflächen für den Wohnungsbau und die Gewerbeentwicklung findet auf der einen Seite eine Versiegelung und Beeinträchtigung von Landschaftsräumen statt. Auf der anderen Seite steigen die Einnahmen aus der Grundsteuer . Deshalb hält der Senat es für gerechtfertigt, aus den steigenden Grundsteuereinnahmen zusätzliche Finanzmittel für Maßnahmen zur Unterhaltung und Entwicklung des Stadtgrüns sowie der Naturschutzgebiete einzusetzen. 2. Bestehen Pläne, mithilfe des Naturcents neben den zwei bestehenden eine weitere Stelle aus dem Sondervermögen zu finanzieren? Wenn ja, wie ist diese dotiert? Über die genaue Ausgestaltung ist bisher nicht entschieden. 3. Ist der Senat der Meinung, dass die zur Pflege von Grün- und Erholungsanlagen bereitgestellten Mittel im Haushaltsplan nicht ausreichend sind und deshalb ein Naturcent herhalten muss? Wenn ja, um wie viel müssten seiner Meinung nach die Mittel im Haushaltsplan erhöht werden? Der Naturcent soll von seiner Konzeption her eine Kompensation für den durch den verstärkten Wohnungsbau bedingten Flächenverbrauch darstellen, siehe auch Vorbemerkung . Zu den Mitteln für die Pflege und Unterhaltung von Grün- und Erholungsanlagen siehe im Übrigen Drs. 20/13000. 4. Mit wie viel Geldern für Maßnahmen zur Pflege von Grün- und Erholungsanlagen rechnet der Senat über die Einführung des Naturcents? 5. Mit wie viel Geldern für Naturschutzmaßnahmen rechnet der Senat über die Einführung des Naturcents? Die Überlegungen hierzu sind noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 6. Wie groß sind die zu erwartenden Flächenverluste an Landschaftsschutzgebieten und anderen Grünflächen, die in den kommenden Jahren auf die Hamburger zukommen? Die genaue Flächennutzung für Wohnen und Gewerbe lässt sich aufgrund der frühen und unterschiedlichen Planungsstände derzeit nicht darstellen. Andere Grünflächen (städtische Parkanlagen, Kleingärten, Friedhöfe) sind im Grundsatz nicht betroffen. 7. Mit welchen konkreten Maßnahmen will der Senat die übrig gebliebenen Landschaftsschutzgebiete und andere Grünflächen mithilfe des Naturcents ökologisch und qualitativ verbessern? Über konkrete Maßnahmen ist bisher nicht entschieden worden. Dies bedarf zunächst eines Planungsprozesses insbesondere unter Einbeziehung der Bezirke. 8. An welchen Kriterien orientiert sich der Senat, denen zufolge ein Landschaftsschutzgebiet oder eine andere Grünflächen „Bestandsschutz“ genießen und nicht dem ehrgeizigen Wohnungsbauprogramm zum Opfer fällt? Die Aufhebung von Landschaftsschutzgebieten sowie die Inanspruchnahme von anderen Grünflächen unterliegen einem Abwägungsprozess, in den die Belange des Naturschutzes sowie die Versorgung der Bevölkerung mit Grün- und Erholungsanlagen auf der einen Seite und das Interesse an einer ausreichenden Bereitstellung von Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4589 3 Flächen für Wohnungsbau und Gewerbeentwicklung auf der anderen Seite einfließen. In dem dargestellten Abwägungsprozess muss in jedem Einzelfall ein adäquates Ergebnis gefunden werden. Generelle Kriterien für einen „Bestandschutz“ können daher nicht benannt werden. 9. Der grüne Umweltsenator kündigte außerdem an, dass beim Wohnungsbau in Hamburg hohe Standards für Energieeffizienz und ökologische Nachhaltigkeit angelegt werden sollen. Wie sehen diese Standards konkret aus? 10. Was unterscheidet die vom Umweltsenator angekündigten Standards von den bereits bestehenden, sehr hohen Umweltstandards im Wohnungsbau ? Im Rahmen der Umsetzung des Wohnungsbauprogramms haben sich die zuständigen Fachbehörden darauf verständigt, dass die städtische Wohnungsbaugesellschaft SAGA GWG den Wohnungsbau unter Beachtung hoher architektonischer und energetischer Standards entwickelt, der zu geringeren Kosten als bisher realisiert wird. Dies wird in jedem Fall dem KfW-Effizienzhaus 55 entsprechen und damit über dem aktuell gesetzlichen Standard liegen. Mit dieser Zielsetzung befindet sich Hamburg auf dem Weg hin zum zukünftigen gesetzlichen Niedrigstenergiehaus-Standard. 11. Mit welchen erhöhten Kosten müssen Bauherren, Mieter und Vermieter bei diesen Standards rechnen? Gemäß Gutachten des Bundesinstituts für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR) im Bundesamt für Bauwesen und Raumordnung (BBR) vom Ingenieurbüros Prof. Hauser vom Februar 2016 zur Novellierung des Energieeinsparrechts werden die Investitionsmehrkosten für das Effizienzhaus-55 mit 58 Euro/qm Wohnfläche beziffert. Dem stehen Energiekosteneinsparungen in mindestens gleicher Höhe über die Nutzungsphase von 30 Jahren gegenüber. Zusätzlich abgezogen werden muss hiervon die Förderung durch die KfW mit 5 Prozent Tilgungszuschuss für ein KfW- Effizienzhaus-55 auf maximal 100.000 Euro Kreditvolumen pro Wohneinheit, also 5.000 Euro/WE. Investitionsmehrkosten für ein Effizienzhaus-55 sind damit abgedeckt .