BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4592 21. Wahlperiode 31.05.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 25.05.16 und Antwort des Senats Betr.: Meldungen von Gewaltvorfällen in Schulen (III) Am 25. Mai 2016 kam es in einer Schule in Billstedt zu einer Massenschlägerei mit über 20 Schülern, in deren Verlauf auch Messer und Schusswaffen eingesetzt wurden. Die Polizei konnte acht Jugendliche und Heranwachsende vorläufig festnehmen (Polizeimeldung vom 25. Mai 2016, 14.08 Uhr, http://www.presseportal.de/blaulicht/pm/6337/3336200). Vor dem Hintergrund der zum Schuljahresbeginn 2015/2016 von SPD-Schulsenator Rabe geänderten „Richtlinie zur Bearbeitung und Meldung von Gewaltvorfällen in Schulen“ ist dieser Vorfall besonders brisant. Seitdem beschränkt sich die Meldepflicht der Schulen nämlich auf Raub, Erpressung, gefährliche Körperverletzung und Straftaten gegen das Leben. Mehrere andere Delikte sind in der neuen Richtlinie gestrichen worden. Das betrifft Straftaten wie Körperverletzung, schwere Fälle der Beleidigung und Diebstahl , Verstöße gegen das Waffengesetz und gegen das Betäubungsmittelgesetz (Anfrage der FDP-Fraktion, Drs. 21/1917). Das kann dazu führen, dass sich vermeintlich geringere Gewaltvorfälle in Schulen unbemerkt mehren . Die Karrieren von Gewalttätern müssen aber frühzeitig gestoppt werden. Sonst kann die Situation eskalieren. Einen Antrag der FDP-Fraktion zur Rückkehr zur alten Regel hatten SPD, GRÜNE und DIE LINKE am 10. Dezember 2015 in der Bürgerschaft abgelehnt (Drs. 21/2225). Eine Anfrage der FDP-Fraktion von Anfang Mai 2016, wie die Statistik über Gewaltvorfälle in Schulen nach dem neuen Meldewesen im ersten Schulhalbjahr 2015/2016 aussieht, konnte der Senat nicht beantworten (Drs. 21/4356). Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Nach den zurzeit vorliegenden Erkenntnissen begann in der Schule eine gewalttätige Auseinandersetzung, die sich dann außerhalb des Schulgeländes fortgesetzt hat. Nur ein Teil der daran beteiligten Personen war Schüler der Schule. Gemäß derzeitigem Ermittlungsstand der Polizei (30. Mai 2016, 10.00 Uhr) ist es am 24. Mai 2016 gegen 13.35 Uhr auf dem Gelände der Stadtteilschule Mümmelmannsberg zu einem verbalen Streit zwischen zwei Schülern der Schule gekommen. Dieser weitete sich im weiteren Verlauf zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen mehreren Personen aus, die sich von der Schule auf die Straße und dann in einen nahegelegenen Supermarkt verlagerte. Hierbei wurden vier Personen verletzt, eine Lehrkraft wurde entgegen zunächst anderslautenden Meldungen nicht verletzt. Um einen möglichen Ermittlungserfolg nicht zu gefährden, sieht die Polizei darüber hinaus von einer weiteren Beantwortung der Fragestellungen ab. Drucksache 21/4592 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die Auswertung der statistischen Daten zu den Gewaltvorfällen erfolgt regelhaft schuljahresbezogen . Damit verbunden ist eine umfangreiche Qualitätssicherung, bei der auch ein Abgleich zwischen den schulischen Gewaltmeldungen und den Daten der Polizei erfolgt, siehe auch Drs. 21/425 und 21/4356. Aus diesem Grund liegen für das erste Schulhalbjahr 2015/2016 noch keine Daten vor. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wann plant der Senat, die Statistiken über Gewaltvorfälle in Schulen für das erste Schulhalbjahr 2015/2016 vorzulegen? 2. Gibt es schon erste Erkenntnisse hieraus? Wenn ja: a. Wie viele anzeigepflichtige Gewalttaten sind im ersten Schulhalbjahr 2015/2016 jeweils i. von welcher Schule mit welchem Sozialindex, ii. an welcher Schulform, iii. in welchem Bezirk gegenüber welcher zuständigen Stelle gemeldet worden? b. Wie viele der unter 2.a. angezeigten Gewalttaten wurden angezeigt als i. Straftaten gegen die körperliche Unversehrtheit (§§ 223 bis 231 StGB), ii. Raub oder Erpressung (§§ 249 bis 256 StGB), iii. Sexualdelikte oder Straftaten gegen die sexuelle Selbstbestimmung (§§ 174 bis 184 c StGB), iv. Straftaten gegen das Leben (§§ 211 bis 222 StGB)? c. Als welche Art von Straftat wurden die angezeigten Fälle schließlich von der Polizei eingestuft? Bitte jeweils für 2.b.i. bis 2.b.iv. einzeln angeben. 3. Welche Erkenntnisse liegen den zuständigen Behörden vor über weitere Straftaten an Schulen im ersten Halbjahr 2015/2016? Bitte aufschlüsseln nach: a. schwerer Fall der Bedrohung (§ 241 StGB), b. Verstöße gegen das Waffengesetz (§§ 51 bis 53 Waffengesetz), c. Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz, d. besonders schwerer Fall des Diebstahls, Diebstahl mit Waffen (§§ 243 bis 244 a StGB). 4. Welche Erkenntnisse liegen den zuständigen Behörden vor über andere Straftaten in Schulen im ersten Halbjahr 2015/2016? 5. Wie viele Schulen nehmen am Meldewesen teil? Wie viele tun dies nicht und aus welchen Gründen? Wie reagiert die zuständige Behörde in solchen Fällen? Siehe Vorbemerkung und Drs. 21/4356. 6. Welche Hintergründe sind über den genannten Vorfall in Billstedt bislang bekannt? Die Hintergründe werden von der Polizei derzeit ermittelt, siehe auch Antwort zu 9. und 10. sowie Vorbemerkung. 7. An welcher Schule hat sich der Vorfall ereignet? Wie viele Schüler besuchen diese Schule? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4592 3 Es handelt sich um die Stadtteilschule Mümmelmannsberg mit zurzeit 1.185 Schülerinnen und Schülern. 8. Wie viele Flüchtlinge werden in dieser Schule aktuell beschult? Bitte aufschlüsseln nach Basisklassen, IVK (im Falle einer Berufsschule entsprechend ) sowie nach Flüchtlingen in Regelklassen. In den vier Internationalen Vorbereitungsklassen (IVK) der Schule werden zurzeit 51 Jugendliche beschult. Die Schule führt keine Basisklassen. Das Merkmal „Flüchtling“ wird nicht erfasst. Flüchtlinge und andere Zuwanderer besuchen gemeinsam IVK und gehen in der Regel nach einem Jahr in die Regelklasse über. Im Übrigen siehe Antwort zu 11. 9. Wie viele Personen waren an der Tat beteiligt? Wie viele davon sind Schüler der Schule? 10. Waren auch Personen, die nicht Schüler dieser Schule sind, beteiligt? Wenn ja: Wie sind sie auf das Schulgelände gelangt? Die Polizei geht nach gegenwärtigem Ermittlungsstand davon aus, dass über 20 Personen beteiligt waren. Im Rahmen der Fahndung wurden sieben Personen vorläufig festgenommen. Eine achte Person wurde anschließend im Laufe der ersten Ermittlungen identifiziert. Alle acht Personen werden im Ermittlungsverfahren als Beschuldigte geführt. Die Ermittlungen sind noch nicht abgeschlossen. Von den acht beschuldigten Schülern sind vier Schüler der Stadtteilschule Mümmelmannsberg . 11. Welcher Nationalität sind die Tatverdächtigen? Sind auch Flüchtlinge unter den tatverdächtigen Schülern? Vier der acht Beschuldigten sind deutsche Staatsangehörige, davon haben drei außerdem eine afghanische Staatsangehörigkeit. Zwei Beschuldigte besitzen die mazedonische, ein Beschuldigter die serbische und ein Beschuldigter die türkische Staatsangehörigkeit. Im Übrigen siehe Antwort zu 9. und 10. 12. Wie viele Tatverdächtige gibt es nach aktuellem Ermittlungsstand? Nach wie vielen Personen wird noch gefahndet? Die Polizei ermittelt derzeit gegen acht Beschuldigte. Es wird derzeit nach keiner Person gefahndet. 13. Wie alt sind die Tatverdächtigen jeweils? Drei Beschuldigte sind 16 Jahre alt, zwei Beschuldigte sind 17 Jahre alt und je ein Beschuldigter ist 15, 18 beziehungsweise 20 Jahre alt. 14. Welche Delikte werden den einzelnen Tatverdächtigen jeweils vorgeworfen ? Die acht Beschuldigten stehen im Verdacht, an wechselseitigen Beleidigungen, Körperverletzungen und gefährlichen Körperverletzungen beteiligt gewesen zu sein. 15. Wie viele Verletzte gibt es und welcher Art sind diese Verletzungen jeweils? Nach derzeitigem Ermittlungsstand der Polizei gab es vier Verletzte mit folgenden Verletzungen: Platzwunde am Kopf, Hautabschürfung an der Nase, Stichverletzung am Unterschenkel, leichte Schnittverletzung an der Hand. Die in der Pressemeldung der Polizei erwähnte Lehrerin ist nach derzeitigem Ermittlungsstand nicht verletzt. 16. Was haben die Lehrkräfte als Aufsichtspersonen unternommen bis zum Eintreffen der Polizei? Die Aufsichtsperson und vier weitere anwesende Lehrkräfte haben unmittelbar deeskalierend und entschlossen eingegriffen und die Erstversorgung eines verletzten Schülers sichergestellt. Drucksache 21/4592 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 17. Wurde die Schusswaffe auf dem Schulgelände mitgeführt und verwendet ? Wenn ja: Wie können Schusswaffen in eine Schule gelangen? Welche Maßnahmen unternehmen nun die zuständigen Behörden? Der Polizei sind Einzelheiten bezüglich der Schusswaffe derzeit nicht bekannt. Einer der Beschuldigten gab in seiner Vernehmung lediglich an, dass eine andere Person eine Schusswaffe in seiner Hand kurz vorgezeigt habe. Dies geschah demnach angeblich während der Flucht abseits der Schule vor dem in der Pressemeldung erwähnten Supermarkt. Im Übrigen trifft die Polizei alle rechtlich zulässigen und notwendigen gefahrenabwehrenden und strafprozessualen Maßnahmen. Am 30. Mai 2016 fand ein Gespräch zwischen Vertretern der Schule und der Polizei statt. Ziel waren die Absprache von präventiven Maßnahmen sowie der Informationsaustauch über das weitere Vorgehen bezüglich der Beteiligten. Ferner wurden normenverdeutlichende Gespräche mit den am Vorfall beteiligten Schülern geführt.