BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4601 21. Wahlperiode 03.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 26.05.16 und Antwort des Senats Betr.: Gewalteskalation auf Hamburgs Schulhöfen – Massenschlägerei an der Stadtteilschule Mümmelmannsberg Ein Streit zwischen zwei Schülern in der Stadtteilschule Mümmelmannsberg ist am Dienstag eskaliert und endete in einer Massenschlägerei mit mehr als 20 Mitschülern, bei der mehrere Personen verletzt wurden. Medienberichten zufolge verlagerte sich der Konflikt in einen Supermarkt. Dort habe eine Angestellte die Gruppe der Flüchtenden in einen Lagerraum sperren und die Polizei verständigen können. Die Polizei musste mit 13 Einsatzfahrzeugen anrücken, um die Lage zu beruhigen. Zeugenaussagen zufolge sollen sogar ein Messer und eine Schusswaffe während der Auseinandersetzung im Spiel gewesen sein. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie stellt sich der Sachverhalt, der an der Stadtteilschule Mümmelmannsberg begann, nach den derzeitigen Ermittlungen im Einzelnen dar? 2. Waren die Tatbeteiligten Schüler? Wenn ja, genau welcher Schule und welcher Klassenstufen? 3. Was ist nach den derzeitigen Ermittlungen der konkrete Hintergrund des Vorfalls? Inwiefern gibt es Hinweise auf eine religiös beziehungsweise politisch gefärbte Konfliktlage? Nach den zurzeit vorliegenden Erkenntnissen begann in der Schule eine gewalttätige Auseinandersetzung, die sich dann außerhalb des Schulgeländes fortgesetzt hat. Nur ein Teil der daran beteiligten Personen war Schüler der Schule. Gemäß derzeitigem Ermittlungsstand der Polizei (30. Mai 2016, 10.00 Uhr) ist es am 24. Mai 2016 gegen 13.35 Uhr auf dem Gelände der Stadtteilschule Mümmelmannsberg zu einem verbalen Streit zwischen zwei Schülern der Schule gekommen. Dieser weitete sich im weiteren Verlauf zu einer körperlichen Auseinandersetzung zwischen mehreren Personen aus, die sich von der Schule auf die Straße und dann in einen nahe gelegenen Supermarkt verlagerte. Hierbei wurden vier Personen verletzt, eine Lehrkraft wurde entgegen zunächst anderslautenden Meldungen nicht verletzt. Um einen möglichen Ermittlungserfolg nicht zu gefährden, sieht die Polizei darüber hinaus von einer weiteren Beantwortung der Fragestellungen ab. Im Übrigen siehe Drs. 21/4592. 4. Wie viele Polizeibeamte waren im Rahmen des Einsatzes vor Ort? 32 Polizeibeamtinnen und -beamte. 5. Welche Maßnahmen wurden im Rahmen des Einsatzes getroffen? Drucksache 21/4601 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die Polizei hat im Rahmen des Einsatzes folgende Maßnahmen getroffen: - Erste Hilfe bei Verletzten - Tatortbefundaufnahme - Suche nach und Sicherstellung von Beweismitteln - Anzeigenaufnahme - Fahndung nach Tatverdächtigen - Vorläufige Festnahmen von Tatverdächtigen - Identitätsfeststellungen - Erkennungsdienstliche Maßnahmen bei Tatverdächtigen - Vernehmungen von Zeugen und Beschuldigten - Gefährderansprachen sowie normenverdeutlichende Gespräche bei den Beteiligten - Einleitung kriminaltechnischer Untersuchungen Am 30. Mai 2016 fand ein Gespräch zwischen Vertretern der Schule und der Polizei statt. Ziel waren die Absprache von präventiven Maßnahmen sowie der Informationsaustauch über das weitere Vorgehen bezüglich der Beteiligten. 6. Wie viele Ermittlungsverfahren gegen wie viele Personen aufgrund welcher Tatvorwürfe beziehungsweise Straftatbestände wurden daraufhin eingeleitet? Die Polizei hat ein Ermittlungsverfahren von Amts wegen eingeleitet. Das Ermittlungsverfahren richtet sich gegen acht Beschuldigte aufgrund des Verdachts der Beteiligung an mindestens wechselseitig begangenen Beleidigungen, Körperverletzungen und/oder gefährlichen Körperverletzungen. 7. Welche Erkenntnisse liegen den zuständigen Behörden über die mutmaßlichen Täter vor? Bitte Alter und Nationalität angeben. Siehe Drs. 21/4592. 8. Waren die mutmaßlichen Täter der Polizei bereits bekannt? Falls ja, mit welchen Delikten oder in welchen Zusammenhängen waren sie jeweils gegebenenfalls wann aufgefallen? 9. Welche Erkenntnisse liegen den zuständigen Behörden über die Opfer vor? Welche Verletzungen haben sie jeweils erlitten? Bitte Alter und Nationalität angeben. Nach derzeitigem Ermittlungsstand der Polizei ist es im vorliegenden Sachverhalt zu wechselseitig begangenen Straftaten von allen Beteiligten gekommen, sodass alle Opfer auch gleichzeitig Beschuldigte sind. Sieben der Beschuldigten sind bereits aufgrund der Begehung von Eigentums- und Gewaltdelikten, Straßenverkehrsdelikten, Bedrohungen und Sachbeschädigungen polizeilich in Erscheinung getreten; im Übrigen siehe Anlage. Es gab gemäß derzeitigem Ermittlungsstand vier Verletzte mit folgenden Verletzungen : Platzwunde am Kopf, Hautabschürfung an der Nase, Stichverletzung am Unterschenkel sowie leichte Schnittverletzung an der Hand. Im Übrigen siehe Drs. 21/4592. 10. Wie viele Meldungen wurden von den Schulen im laufenden Schuljahr 2015/2016 entsprechend der Richtlinie zur Meldung und Bearbeitung von Gewaltvorfällen in Schulen vorgenommen? Bitte insgesamt und nach Bezirken geordnet unter Angabe der Anzahl sowie Delikte der jeweiligen Meldungen auflisten; dabei bis zum Inkrafttreten der Neufassung der Richtlinie am 9. Oktober nach Kategorie I und II Delikten differenzieren . Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4601 3 11. An welchen Schulformen fanden die gemeldeten Vorfälle jeweils statt? Bitte Anzahl der Gewaltmeldungen pro Schulform im Bezirk und insgesamt darstellen. a. Auf welche Altersgruppen bezogen sich die gemeldeten Fälle jeweils? b. In wie vielen Fällen waren Jungen Täter? c. In wie vielen Fällen waren Mädchen Täterinnen? d. In wie vielen Fällen fanden die Taten im Setting von Internationalen Vorbereitungsklassen (IVK) oder Alphabetisierungsklassen statt? Bitte nach Standorten mit IVK und ABC-Klassen aufschlüsseln. 12. Wie viele Schüler/-innen, Lehrkräfte, Erzieher/-innen, Sozialpädagogen und sonstige Bedienstete an Schulen wurden jeweils bislang im laufenden Schuljahr Opfer entsprechender Vorfälle? Siehe Drs. 21/4356 und Drs. 21/4592. 13. Wie viele Fälle wurden bislang im laufenden Schuljahr vom Case- Management bearbeitet? 128 Fälle. 14. Wie viele Cop4U gibt es aktuell an Hamburger Schulen? a. Wie viele Veranstaltungen wurden von den Cop4U bislang im laufenden Schuljahr durchgeführt? b. Wie viele Sprechzeiten wurden von den Cop4U bislang im laufenden Schuljahr durchgeführt? Die Polizei setzt derzeit 238 Beamte als Cop4U an Hamburger Schulen ein. Die Cop4U haben bis zum Stichtag 30. April 2016 im laufenden Schuljahr an 504 schulischen Veranstaltungen teilgenommen und 1.009 Sprechzeiten durchgeführt. 15. Wie viele Unterrichtsstunden Präventionsunterricht wurden bislang an wie vielen Schulen im laufenden Schuljahr durchgeführt? Die Polizei hat mit Stand 27. Mai 2016 im laufenden Schuljahr 5.162 Unterrichtsstunden an 148 Schulen durchgeführt. 16. Welche Gewaltpräventionsangebote und Trainingsmaßnahmen wurden bislang im laufenden Schuljahr für welche Zielgruppen jeweils durchgeführt ? Trainingsmaßnahmen und Gewaltpräventionsangebote werden sowohl für Schülerinnen und Schüler als auch für Schulpersonal angeboten. Die Schulen haben die Wahl zwischen behördlichen Angeboten der Beratungsstelle Gewaltprävention und des Landesinstitutes für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) und Angeboten des freien Marktes. Im Rahmen des Handlungskonzepts „Handeln gegen Jugendgewalt“ werden in verschiedenen Schulen im Schuljahr 2015/2016 folgende Trainingsmaßnahmen für Schülerlinnen und Schüler durchgeführt: „Soziales Kompetenztraining“, „Koole Kerle – Lässige Ladies“ und „Cool in School“. Das SuchtPräventionsZentrum (SPZ) und die Beratungsstelle Interkultureller Erziehung (BIE) des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) beraten und bilden schulische Pädagoginnen und Pädagogen zur Durchführung von Lebenskompetenzförderung (Life-Skills) im Unterricht und zu Anti-Bias-Trainings mit Schülerinnen und Schülern aus. Beides sind primärpräventive Maßnahmen, die unter anderem die Selbst- und Fremdwahrnehmung sowie emotionale Kontrolle von Schülerinnen und Schülern in Stresssituationen sowie Erprobungsmöglichkeiten für gewaltfreie Lösungsstrategien aufgreifen. Die in den Schulen durchgeführten Trainings werden nicht zentral erfasst; Module zur Lebenskompetenzförderung werden an zunehmend Drucksache 21/4601 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 mehr Schulen direkt in den Unterricht integriert, sodass sie als ein eigenständiges Training nicht ausgewiesen werden können. Im Bereich der Lebenskompetenzförderung bietet das LI eine Fortbildungsreihe zum Thema „Lebenskompetenzen in heterogenen Lerngruppen im Unterricht trainieren“ mit den Modulen „Selbstwahrnehmung/Empathie und Kommunikation“, „Umgang mit Stress und belastenden Gefühlen“ und „Problemlösestrategien“ an. Diese Fortbildungen für schulische Pädagoginnen und Pädagogen werden schulintern als auch zentral am LI durchgeführt. Im laufenden Schuljahr (2015/2016) fanden dazu bisher elf Veranstaltungen mit 219 Teilnehmerinnen und Teilnehmern statt. Des Weiteren werden im laufenden Schuljahr insgesamt 40 pädagogische Fachkräfte in zwei 40-stündigen Qualifizierungsmaßnahmen zum Thema „Interkulturelles Kompetenz -Training/Anti-Bias-Trainings“ geschult. Die pädagogischen Fachkräfte werden durch diese „Train-the-Trainer-Qualifizierung“ befähigt, in ihren Schulen Trainings mit Schülerinnen und Schülern zum respektvollen und somit gewaltfreien Umgang mit Vielfalt und zum Abbau von Vorurteilen durchzuführen. Aufgrund der Nachfrage besteht seit Kurzem zusätzlich zu dieser zentral am LI durchgeführten Qualifizierung das Angebot, diese Qualifizierung als schulinterne Fortbildung zu buchen. Pädagogische Fachkräfte werden seit vielen Jahren von der Beratungsstelle Gewaltprävention in einer 65-stündigen Multiplikatorenfortbildung zur Streitschlichtung ausgebildet , um im Anschluss die Methode der Streitschlichtung systematisch in ihrer Schule zu verankern. Zurzeit sind in rund 100 Schulen mehr als 1.700 Schülerinnen und Schüler als Streitschlichter tätig. Im laufenden Schuljahr wurden von der Beratungsstelle Gewaltprävention folgende Fortbildungen zum Thema Mobbing und Cybermobbing angeboten: „Anti- Mobbingwoche – Wir bleiben dran!“, Multiplikatorenschulung „Mobbingfreie Schule- Gemeinsam Klasse sein“, „Umgang mit Cybermobbing im Kontext Schule“, „Umgang mit Mobbing im Kontext Schule“, „No Blame Approach: Intervention bei Mobbing“, „Intervention bei Schülermobbing: Entwicklung einer Handlungskette“, Zielgruppe Beratungslehrkräfte, „Gegen den Strich: Mobbingprävention in der Grundschule“. Außerdem bietet die Beratungsstelle Gewaltprävention den Schulen schulinterne Fortbildungen an, zum Beispiel: „Umgang mit schwierigen Situationen mit Schülern“, „Deeskalationstraining für Lehrkräfte“, „Zivilcourage können alle“, „Was tun, wenn es brennt? Sofortmaßnahmen und Aufgabenverteilungen nach schweren Gewaltvorfällen “, „Lernförderliche Gruppenentwicklung“. a. Wie viele Plätze standen für die einzelnen Programme jeweils zur Verfügung und wie viele Kinder und Jugendliche haben daran jeweils teilgenommen? Eine zentrale Erfassung der Maßnahmen des freien Marktes erfolgt nicht. Die behördlichen Angebote werden zum Ende des Schuljahres evaluiert. b. Inwiefern ist seitens der zuständigen Behörden eine Ausweitung oder Veränderung von entsprechenden Gewaltpräventionsangeboten und Trainingsmaßnahmen geplant? Die Umsetzung der behördlichen Gewaltpräventionsangebote und Trainingsmaßnahmen wird weitergeführt und nach Bedarf ausgeweitet. c. Gibt es spezielle Gewaltpräventionsangebote oder Trainingsmaßnahmen für IVK? Falls ja, welche? Falls nein, inwiefern bestehen Planungen der zuständigen Behörde derartige Angebote zu schaffen? Das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung hat umfangreiche Materialien zur Wertebildung für den Unterricht mit geflüchteten Kindern und Jugendlichen erstellt. Die Materialien bieten Impulse und Materialien, um in Internationalen Vorbereitungsklassen (IVK) zu Grundwerten wie Meinungsfreiheit, Religionsfreiheit, Gleichheit der Geschlechter und anderen zu arbeiten. Durch die Vermittlung von Grundwer- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4601 5 ten und die breit angelegte Wertebildung wird so ein Beitrag zur primären Gewaltprävention geleistet. Die Schulen binden die IVK in ihre sonstigen Angebote und Maßnahmen mit ein. 17. Wie viele Meldungen und Einträge wurden bislang seitens der Schulen im laufenden Schuljahr im Zentralen Schülerregister (ZSR) wegen andauernder Schulpflichtverletzungen vorgenommen? Am 27. Mai 2016 waren im ZSR 1.127 Schülerinnen und Schüler als anhaltend fehlend gekennzeichnet. Eine Auswertung, wie viele Datensätze von Schülerinnen und Schüler während eines Schuljahres in dieser Weise gekennzeichnet wurden und wie viele Kennzeichnungen wieder aufgehoben wurden, lässt das ZSR nicht zu. Drucksache 21/4601 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Anlage Bisherige strafrechtliche Auffälligkeiten der Beschuldigten bei der Polizei Hamburg a) Beschuldigter A Vorgangsbezeichnung Datum 1 Gefährliche Körperverletzung 24.05.2016 2 § 21 Straßenverkehrsgesetz 02.08.2015 b) Beschuldigter B Vorgangsbezeichnung Datum 1 Gefährliche Körperverletzung 24.05.2016 2 Gefährliche Körperverletzung 15.09.2011 c) Beschuldigter C Vorgangsbezeichnung Datum 1 Gefährliche Körperverletzung 24.05.2016 d) Beschuldigter D Vorgangsbezeichnung Datum 1 Gefährliche Körperverletzung 24.05.2016 2 Erpressung 26.02.2016 3 Hehlerei Handy 24.02.2016 4 Gefährliche Körperverletzung 29.09.2015 5 Fahrraddiebstahl 26.03.2014 6 Nötigung 06.02.2014 e) Beschuldigter E Vorgangsbezeichnung Datum 1 Gefährliche Körperverletzung 24.05.2016 f) Beschuldigter F Vorgangsbezeichnung Datum 1 Gefährliche Körperverletzung 24.05.2016 2 Gefährliche Körperverletzung 08.04.2016 3 Ladendiebstahl 05.03.2016 4 Erpressung 26.02.2016 5 Hehlerei Handy 24.02.2016 6 Ladendiebstahl 27.01.2016 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4601 7 Vorgangsbezeichnung Datum 7 Anstiftung zum Ladendiebstahl 26.01.2016 8 Ladendiebstahl 08.01.2016 9 Ladendiebstahl 12.12.2015 10 Ladendiebstahl 05.11.2015 11 Körperverletzung 19.08.2015 12 Ladendiebstahl 24.07.2015 13 Ladendiebstahl 06.07.2015 14 Bedrohung 27.01.2015 15 Ladendiebstahl 25.11.2014 16 Ladendiebstahl 03.11.2014 17 Ladendiebstahl 19.08.2014 18 Diebstahl 11.07.2014 19 Diebstahl 11.07.2014 20 Diebstahl 20.06.2014 g) Beschuldigter G Vorgangsbezeichnung Datum 1 Gefährliche Körperverletzung 24.05.2016 2 Ladendiebstahl 20.05.2016 3 Handydiebstahl 05.05.2016 4 Ladendiebstahl 12.01.2016 h) Beschuldigter H Vorgangsbezeichnung Datum 1 Gefährliche Körperverletzung 24.05.2016 2 Missbrauch von Ausweisdokumenten 12.03.2016 3 Sachbeschädigung 18.03.2015 4 Hehlerei 16.02.2015 5 Diebstahl 15.02.2015 6 Körperverletzung 09.02.2015