BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4604 21. Wahlperiode 03.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Daniel Oetzel und Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 26.05.16 und Antwort des Senats Betr.: Wie ist es um die Inklusion im Ganztag bestellt? Die Inklusion und flächendeckende Ganztagsangebote wurden in Hamburg nahezu zeitgleich eingeführt. Der Rechtsanspruch von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf auf den Besuch einer allgemeinen Schule nach § 12 des Hamburgischen Schulgesetzes hat auch eine verstärkte Nachfrage nach Ganztagsangeboten in allgemeinen Schulen zur Folge. Dabei stellt sich die Frage, inwieweit beides aufeinander abgestimmt wurde und wird. Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf haben spezifische Bedürfnisse hinsichtlich der Räumlichkeiten, des Personals und so weiter. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Erstreckt sich der Rechtsanspruch nach § 12 HmbSG von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf, allgemeine Schulen zu besuchen, auch und vollständig auf die Wahrnehmung von Ganztagsangeboten? Wenn nein: in welchem Umfang und warum nicht? Ja. 2. Wie viele Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf nehmen Ganztagsangebote in Anspruch? Wie viel Prozent aller Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf entspricht dies? Bitte aufschlüsseln nach Jahrgangsstufe und Bezirk. 3. Wie viel Prozent aller Kinder ohne sonderpädagogischem Förderbedarf nehmen Ganztagsangebote in Anspruch? Bitte aufschlüsseln nach Jahrgangsstufe und Bezirk. 4. Wie viel Prozent der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an der Schulform Grundschule nehmen Ganztagsangebote in Anspruch? 5. Wie viel Prozent der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an der Schulform Stadtteilschule nehmen Ganztagsangebote in Anspruch? 6. Wie viel Prozent der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an der Schulform Gymnasium nehmen Ganztagsangebote in Anspruch? 7. Wie viel Prozent der Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf an der Schulform Förderschule nehmen Ganztagsangebote in Anspruch? Die Daten von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf werden in den jeweiligen Datenbanken der Schulen erfasst, siehe Drs. 21/3000. Sofern ein Betreuungsbedarf für den Ganztag in GBS vorliegt, wird das Merkmal Förderbedarf automatisch von der Datenbank der Schule in das Trägerabrechnungssystem GBS/GTS-IT übernom- Drucksache 21/4604 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 men. So wird sichergestellt, dass die Kooperationspartner die vereinbarten zusätzlichen Betreuungsentgelte erhalten. Eine schulübergreifende Auswertung der erfragten Daten ist mit der bisherigen Programmierung nicht möglich, ein entsprechendes Tool befindet sich jetzt in der Entwicklung . Derzeit müssten für die Erhebung der gefragten Daten die schulbezogenen Listen jeder einzelnen Trägerabrechnung ausgewertet werden. Solch eine händische Auswertung der Daten für alle Schulen ist angesichts der rund 54.000 am Ganztag teilnehmenden Schülerinnen und Schüler an den Grundschulen sowie der rund 60.500 an Ganztagsangeboten teilnehmenden Schülerinnen und Schüler an weiterführenden Schulen in der für eine Parlamentarische Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 8. In welchem Umfang gibt es besondere Beratungsangebote für das Thema Ganztag für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf beziehungsweise deren Eltern? Bitte erläutern. Die Beratungsangebote der Beratungsabteilungen der ReBBZ, des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) (siehe http://li.hamburg.de/inklusion/) sowie die Beratungsangebote der einschlägigen Referate der zuständigen Behörde schließen Fragen des schulischen Ganztags ein und können von Schulleitungen, Fachkräften und Eltern in Anspruch genommen werden. 9. Werden zusätzliche Haushaltsmittel aufgewendet für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Ganztag an Regelschulen oder gelten für alle Kinder die gleichen finanziellen Bedingungen? Wenn ja: in welchem Umfang? 10. In welchem Umfang wird für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Ganztag an Regelschulen zusätzliches Personal eingesetzt? Bitte die Kriterien dafür angeben. Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die eine Ganztagsschule nach Rahmenkonzept besuchen, lösen eine höhere Stellenzuweisung aus als Schülerinnen und Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf, die eine Halbtagsschule besuchen (siehe Drs. 20/3641). Insofern werden zusätzliche Haushaltsmittel für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Ganztag in Regelschulen aufgewendet. Ihr Umfang hängt von der Anzahl der Schülerinnen und Schüler mit entsprechendem Förderbedarf ab. Im Schuljahr 2015/2016 werden den staatlichen allgemeinbildenden Schulen insgesamt 938 Lehrerstellen zur zusätzlichen Förderung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf am Vor- und Nachmittag zugewiesen . Die personalwirtschaftliche Besetzung dieser zusätzlichen Stellenzuweisungen obliegt den einzelnen Schulen. An GBS-Standorten werden dem Kooperationspartner für die Betreuung von Kindern mit einem sonderpädagogischen Förderbedarf für die Betreuungszeiten zusätzliche Entgelte gezahlt (siehe Anlage 1 Buchstabe B des Landesrahmenvertrages für die Ganztägige Bildung und Betreuung an Schulen in Kooperation mit Trägern der Kinderund Jugendhilfe (LRV), http://www.hamburg.de/contentblob/3293528/data/gbslandesrahmenvertrag .pdf). Der Personaleinsatz liegt in der Verantwortung des Kooperationspartners . Zusätzliche Leistungsentgelte für die Integration von Kindern im inklusiven Betreuungsauftrag Betreuungszeit Zusätzliches Entgelt pro Kind und Jahr von 6 bis 8 Uhr 448,12 € 13 bis 16 Uhr 2.240,57 € 16 bis 18 Uhr 448,12 € Ferien von 8 bis 16 Uhr 1.120,28 € Ferien von 6 bis 18 Uhr 224,05 € Stand: Schuljahr 2015/2016 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4604 3 Über alle Schulen hinweg werden im Schuljahr 2015/2016 rund 777.000 Euro für zusätzliche Leistungsentgelte an die Kooperationspartner ausgezahlt. Schülerinnen und Schüler mit Anspruch auf Schulbegleitung im Schulvormittag können bei Bedarf ebenfalls Begleitung in Ganztagsangeboten erhalten. 11. Welche Qualifikation muss das Personal für die Betreuung von Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Ganztag in Regelschulen vorweisen? Bitte die Kriterien dafür angeben. Wie im früheren Hortbereich und in den Kitas obliegt es auch im GBS-Modell den Trägern der Nachmittagsangebote, pädagogisch qualifiziertes Personal einzusetzen. Die Kooperationspartner an den GBS-Standorten erhalten die zusätzlichen Leistungsentgelte , um im Rahmen der Betreuung auch heilpädagogisch qualifiziertes Personal einzusetzen. Für die Unterrichtsangebote am Vor- und Nachmittag haben sich für die Gestaltung inklusiver Pädagogik multiprofessionelle Teams von Lehrerinnen und Lehrern, Sonderpädagoginnen und Sonderpädagogen, Erzieherinnen und Erziehern, Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen sowie weiteren pädagogisch-therapeutischen Fachkräften bewährt. Dabei ist es von entscheidender Bedeutung, dass die sonderpädagogische Kompetenz an Schulen durch fachlichen Austausch, fachliche Kontrolle und Fortbildung weiterentwickelt wird. 12. Gibt es Fortbildungen für das Personal? Wenn ja: bitte darstellen. Wenn nein: warum nicht? Alle Fachkräfte können an Fortbildungsangeboten des LI teilnehmen (siehe http://li.hamburg.de/inklusion/). Bei sehr spezifischen Fragestellungen können individuelle Termine unter anderem mit dem Ganztagsreferat sowie dem Referat Inklusion der zuständigen Behörde vereinbart werden. Die Kooperationspartner an den GBS-Standorten sind gemäß LRV gehalten, ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern eine angemessene Fortbildung zu stellen und erhalten dafür entsprechende Ressourcen. 13. Gibt es Unterschiede in der Personalausstattung und -qualifizierung zwischen den Schulformen? Wenn ja: bitte darstellen und begründen. Zusätzlich zu den in der Antwort zu 11. genannten Berufsgruppen werden im Ganztag in Grundschulen grundsätzlich Erzieherinnen und Erzieher eingesetzt, während in Stadtteilschulen überwiegend Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen zum Einsatz kommen. 14. Gibt es gesonderte Konzepte für den Umgang mit Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Ganztag an Regelschulen? Wenn ja: bitte darstellen. Wenn nein: warum nicht? Zu den konzeptionellen Grundlagen für den Umgang mit Kindern mit sonderpädagogischem Förderbedarf an Regelschulen siehe Drs. 20/3641. Diese Grundlagen gelten auch für den Ganztag. An den GBS-Standorten entwickeln Schule und Kooperationspartner gemäß § 5 Absatz 1 LRV ein gemeinsames pädagogisches Konzept für die Wahrnehmung des inklusiven Betreuungsauftrags. 15. Wie wird sichergestellt, dass Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Ganztag an Regelschulen eine passgenaue Betreuung erhalten , die ihren individuellen Bedürfnissen gerecht wird? Den Regelschulen werden systemische und schülerbezogene personelle Ressourcen für die sonderpädagogische Förderung zugewiesen. Diese Ressourcen setzen die Schulen eigenverantwortlich ein und entscheiden im Rahmen ihres pädagogischen Drucksache 21/4604 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Ermessens selbst über Art, Dauer und Umfang der sonderpädagogischen Förderung des einzelnen Kindes. Diese Flexibilität sichert einen zielgenauen und effizienten Einsatz der Ressourcen. Im Übrigen siehe Antwort zu 9. und 10. 16. Wie stellt sich die Raumsituation im Hinblick auf Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Ganztag an Regelschulen dar? Gibt es für Kinder mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Musterflächenprogramm andere Kriterien als für Kinder ohne Förderbedarf? Wenn ja: bitte darstellen. Wenn nein: warum nicht? Alle Hamburger Schulen arbeiten grundsätzlich inklusiv. Deshalb berücksichtigt das Musterflächenprogramm von vornherein für Hamburgs Schulen Raum- und Flächenbedarfe , die den besonderen Anforderungen inklusiver Schulen entsprechen. Das Musterflächenprogramm ist zudem bewusst so gestaltet, dass unterschiedliche Anforderungen , die sich an den jeweiligen Schulstandorten ergeben, durch individuelle Nutzungskonzepte berücksichtigt werden können. Hier ist nicht vorrangig der Flächenbedarf , sondern die bedarfsgerechte Ausstattung der vorhandenen Räume und Flächen zu beachten. Im Übrigen stehen für Schülerinnen und Schüler mit spezifischen Anforderungen an den Raumbedarf wie zum Beispiel im Förderschwerpunkt Hören oder Sehen, körperlich-motorische Entwicklung oder Autismus Schwerpunktschulen zur Verfügung, in denen ihnen die geeigneten Räumlichkeiten während des gesamten Schultages zur Verfügung stehen.