BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4636 21. Wahlperiode 07.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 30.05.16 und Antwort des Senats Betr.: Einsatz der verdeckt ermittelnden Beamtin „Astrid Schütt“ (II) Erneut wurde eine Polizeibeamtin enttarnt, die von 2006 bis 2013 in verschiedenen linken Szenen verdeckt ermittelt haben soll. Sie soll sich 2006 zunächst in eine Einrichtung der freien Jugendhilfe eingeschlichen haben, um dann in verschiedenen linken Organisationsstrukturen mitzumachen zum Zweck verdeckter Ermittlung. Einsatzzeit und Einsatzgebiete der verdeckt ermittelnden Beamtin überschneiden sich teilweise mit dem Einsatz der VE „Maria Block“. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Sofern und soweit „Astrid Schütt“ als BfL eingesetzt war: a. Wie lautete die zu erfüllende „bestimmte() polizeiliche() Aufgabe“ (§2 Absatz 3 Satz 3 PolDVG), deren Erfüllung ohne verdeckte Datenerhebung „erheblich erschwert oder gefährdet“ worden wäre? Bitte die je nach Einsatzgebiet im Laufe der Zeit möglicherweise wechselnden „bestimmten polizeilichen Aufgaben“ darstellen. b. Wie viele Wohnungen in welchen politischen Zusammenhängen hat „Astrid Schütt“ wie oft als BfL betreten? c. Welche weiteren Räume hat „Astrid Schütt“ als BfL betreten, die sie der „Analyse der strukturellen Abläufe im LKA 7“ (dem Revisionsbericht der Innenrevision, siehe dort Seiten 31 folgende) zufolge grundsätzlich nicht hätte betreten dürfen? 2. Sofern und soweit „Astrid Schütt“ als VE eingesetzt war: a. auf welcher Rechtsgrundlage? b. Waren Bundesbehörden oder Behörden anderer Bundesländer involviert? c. Welche konkreten Ermittlungsverfahren lagen zugrunde? d. Führte der Einsatz von „Astrid Schütt“ zum Abschluss von Ermittlungsverfahren durch Einstellung oder Übergabe ans Gericht? Wenn ja, bitte darstellen, einschließlich möglicher Urteile. e. Welche Prüfung nahm die Staatsanwaltschaft (jeweils) vor, bevor sie ihre Zustimmung erteilte? f. Hat die Staatsanwaltschaft über die Gespräche mit der Polizei, über die Mitwirkung der VE und über die getroffenen Entscheidungen (ohne Nennung des Namens der VE) (jeweils) Vermerke angelegt? Drucksache 21/4636 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 g. Hat der für die Entscheidung über die Zustimmung zum Einsatz zuständige Staatsanwalt beziehungsweise die Staatsanwältin (jeweils) verlangt, dass ihm/ihr gegenüber die Identität der VE offenbart wird? h. Hat „Astrid Schütt“ zu irgendeinem Zeitpunkt technische Hilfsmittel zur verdeckten Datenerhebung eingesetzt? Wenn ja, lag eine richterliche Anordnung vor? 3. In welchem Zusammenhang und mit welchem Auftrag ermittelte „Astrid Schütt“ in der Ultra-Szene St. Pauli? 4. Für mindestens drei Räumlichkeiten hat sich „Astrid Schütt“ Schlüssel angeeignet, für das selbstverwaltete Jugendzentrum „Unser Haus e.V.“ (Café Flop), die Rote Flora und die Schwarze Katze – in jeweils welcher Funktion, auf welcher Rechtsgrundlage und wie wurde jeweils von den Schlüsseln Gebrauch gemacht? 5. Anders als in den bisher bekannt gewordenen Fällen soll „Astrid Schütt“ ihre Legende durch wirkliche oder angebliche Privatpersonen aus ihrem Umfeld gestützt haben. Kann der Senat diese Darstellung bestätigen? a. Wenn ja, aa. waren diese Personen über den Einsatz von Astrid Schütt, ihre eigene „Rolle“ und ihre mögliche Gefährdung informiert, und von wem? bb. erhielten sie Geld oder sonstige Vergünstigungen? cc. war die Staatsanwaltschaft informiert und hat sie dem zugestimmt ? b. Wenn nein, in welchem Verhältnis stehen die als Freund, Freundin, Oma eingesetzten Personen zur Freien und Hansestadt Hamburg? 6. Wurden Berichte von „Astrid Schütt“ auch dem LfV zugeleitet? 7. Fanden direkte Zusammenkünfte von „Astrid Schütt“ und dem LfV statt? Wenn ja, wie viele und zu welchem Zweck? Eine Beamtin des Landeskriminalamtes Hamburg war unter der Legende Astrid Schütt ab dem 1. März 2007 bis zum 3. Oktober 2013 durch die Abteilung Staatsschutz verdeckt eingesetzt. Der Einsatz erfolgte nach den aktuell vorliegenden Erkenntnissen als verdeckte Ermittlerin gemäß § 12 des Gesetzes über die Datenverarbeitung der Polizei (PolDVG). Hierfür liegen aufeinander folgende Anordnungen über den Einsatzzeitraum vor. Aus den vorliegenden Anordnungsunterlagen ergeben sich zwischen einzelnen Anordnungen zeitliche Lücken, die derzeit noch geklärt werden. Die Anordnung erfolgte damit zu gefahrenabwehrenden, nicht strafverfolgenden Zwecken. Die Anordnungen zum Einsatz nach § 12 PolDVG wurden durch den jeweiligen Polizeipräsidenten oder seinen Vertreter im Amt getroffen. Nach derzeitigem Erkenntnisstand stimmte die Staatsanwaltschaft entsprechend der gesetzlichen Vorschriften den Anträgen zum Einsatz als verdeckte Ermittlerin zu. Da für einen erfolgreichen operativen Einsatz eine ausreichende Flexibilität bei situativ notwendigen Entscheidungen über Einsatzorte oder die Aufnahme von Kontakten erforderlich ist, können Detailregelungen in diesen Anordnungen nicht enthalten sein. Die operative Durchführung des jeweiligen Einsatzes sowie die Aktenführung oblagen und obliegen der Polizei. Nach derzeitigem Kenntnisstand erfolgte die erforderliche Information anderer Behörden und kam es nicht zum Einsatz technischer Hilfsmittel. Aus der dargestellten Situation zur dokumentierten Anordnungslage erfolgt derzeit die Prüfung der Tätigkeiten in den Zwischenzeiten. Ob zum Beispiel Wohnungen als Beobachterin für Lagebeurteilung betreten wurden, kann weder bestätigt noch dementiert werden. Erkenntnisse zu einem Betreten von Räumen, für die ein Betreten aus besonderen gesetzlichen Schutzgründen nicht zulässig gewesen wäre, liegen der Polizei ausgehend von den derzeitigen Informationen nicht vor. Einzelne Berichte der Beamtin wurden auch dem Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4636 3 Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg zur Verfügung gestellt. Darüber hinaus gab es nach derzeitigem Informationsstand drei Treffen der Beamtin mit Vertretern des LfV Hamburg zu einem allgemeinen Informationsaustausch über Entwicklungen im Bereich Linksextremismus. Der Senat hat deutlich gemacht, dass der verdeckte Einsatz von Beamtinnen und Beamten zur Gewinnung von für die Abwehr von Gefahren für die öffentliche Sicherheit erforderlichen Informationen nur noch auf Grundlage des § 12 PolDVG erfolgt. Darüber hinaus ist auch die Verfahrensweise zum Austausch von Informationen mit dem LfV Hamburg deutlich restriktiver geregelt worden. Diese Entscheidung galt zum Zeitpunkt des Einsatzes der Beamtin unter der Legende Astrid Schütt jedoch noch nicht. Bei dem Einsatz verdeckter Ermittler kann es zur Erlangung der für die Gefahrenabwehr erforderlichen Informationen notwendig sein, auch in Objekten tätig zu werden, in denen sich Angehörige/Mitglieder von relevanten Gruppen beziehungsweise Zusammenhängen aufhalten, auch wenn das Objekt beziehungsweise dessen Träger selbst nicht Gegenstand des Einsatzauftrages ist. Soweit das Objekt beziehungsweise dessen Träger nicht einem besonderen spezifischen gesetzlichen Schutz unterliegt, ist dies von den Einsatzaufträgen umfasst. Der Einsatz erfolgt dabei unter Beachtung der Voraussetzungen aus den einschlägigen Rechtsvorschriften, abhängig von dem Zweck des Einsatzes nach Strafverfolgung oder Gefahrenabwehr (§ 110b StPO beziehungsweise § 12 PolDVG). Im Rahmen des Einsatzes wurden der Beamtin von Verfügungsberechtigten auch Schlüssel zu einer Tür der Roten Flora überlassen. Einer besonderen Rechtsgrundlage für eine solche Überlassung bedarf es für den Verfügungsberechtigten und die Entgegennehmende nicht. Die Beamtin nutzte den Schlüssel in Einzelfällen zur Öffnung der Tür des entsprechenden Objektes, um Personen zu Gruppentreffen einzulassen. Zugangsschlüssel für andere Objekte wurden ihr nach derzeitigem Informationsstand nicht überlassen . Den speziellen Anforderungen eines verdeckten Einsatzes folgend werden über solche Einsätze grundsätzlich nur die Personen informiert, die für die Einsatzführung zwingend informiert sein müssen. Das beschränkt sich grundsätzlich auf die Beamtinnen und Beamten in der Abteilung Staatsschutz des Landeskriminalamtes.