BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4678 21. Wahlperiode 07.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein (FDP) vom 31.05.16 und Antwort des Senats Betr.: Situation in der Hamburger Justiz – Weiterhin hohe Belastung (II) Der eingerichtete Stellenpool1 schafft noch keine langfristige Lösung für die Justiz. Vielmehr ist die durchschnittliche Dauer der Verfahren beim Landgericht in Zivilsachen von 8,5 Monaten in 2011 auf 10,3 Monate in 2015 angestiegen. Ebenso ist ein Anstieg bei den Strafsachen erster Instanz zu verzeichnen. Hinzu kommt, dass in 2015 insgesamt 1685 Neuzugänge bei Klagen in Asylsachen am Verwaltungsgericht eingegangen sind, in 2013 waren es noch 889.2 Die Neueingänge der Klagen am Sozialgericht sind von 7.920 in 2011 auf 8.956 in 2015 angestiegen.3 Trotzdem fehlt es bisher an langfristigen Ideen und Konzepten des Justizsenators , um die Situation an Gerichten und Staatsanwaltschaft zu verbessern. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Verfahrensdauern sind auch von Faktoren abhängig, die nicht im Zusammenhang mit der Belastung der Gerichte stehen. Dazu gehören etwa das Prozessverhalten der Parteien und zeitliche Vorgaben seitens Sachverständiger genauso wie gesetzliche Fristen. Außerdem wird die Verfahrensdauer von der Anzahl und der Struktur der erledigten Verfahren beeinflusst. So steigt in Zeiten des Bestandsabbaus regelmäßig die Verfahrensdauer zumindest eine Zeitlang an. Dem Anstieg der Verfahrensdauern in Zivilsachen des Landgerichts stehen gleichbleibende beziehungsweise leicht sinkende Eingangszahlen gegenüber. Eine ähnliche Entwicklung ist auch bei den Bundeszahlen zu beobachten. Die Ursache ist noch nicht abschließend geklärt. Die Anzahl der Neuzugänge bei den Strafsachen erster Instanz beim Landgericht ist nicht gestiegen. Vielmehr bewegt sich die Eingangszahl im Bereich der normalen Schwankungsbreite zwischen rund 350 (zum Beispiel in 2012) und rund 300 (zum Beispiel im Jahr 2015). Dennoch waren auch hier verlängerte Verfahrensdauern im letzten Jahr zu beobachten. 1 Vergleiche Drs. 21/1979 vom 20.10.15, Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 3. September 2015 „Stärkung der Justiz“ (Drucksache 21/1425). 2 Vergleiche Drs. 21/3455. 3 Vergleiche Drs. 21/4134. Drucksache 21/4678 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Gerade für solche nicht ganz eindeutig zu belegenden oder kurzfristig auftretenden Belastungssituationen hat der Senat mit der Schaffung des Richterpools ein wirksames und flexibles Instrument zur Stützung der Gerichte und der Staatsanwaltschaft geschaffen. Aktuell liegt die Verfahrensdauer in erstinstanzlichen Strafverfahren des Landgerichts bei 5,3 Monaten im Verhältnis zu 7,3 Monaten im Vorjahr und die Staatsanwaltschaft hat mit rund 42.000 erledigten Ermittlungsverfahren in Bekanntsachen rund 4.000 Verfahren mehr erledigt als im Vergleichsquartal des Vorjahres. Die Eingangsentwicklung bei Verwaltungs- und Sozialgericht hat den Senat veranlasst , mit Neueinstellungen zu reagieren. Die zuständige Behörde wird weiterhin gemeinsam mit der Leitung der Staatsanwaltschaften und den Präsidentinnen und Präsidenten der Gerichte die Belastungssituation bewerten und im Bedarfsfall, wie geschehen, mit geeigneten Maßnahmen reagieren . Daneben setzt sich die zuständige Behörde auf Bundesebene für eine Vereinfachung von materiellen und verfahrensrechtlichen Regelungen ein. Des Weiteren finden verschiedene Projekte beziehungsweise Aktivitäten zur zeitgemäßen Unterstützung der Arbeitsprozesse bei den Gerichten und Staatsanwaltschaften unter weitgehender Ausnutzung neuer technischer Hilfsmittel, dem Ausbau der elektronischen Kommunikation und einer begleitenden Untersuchung beziehungsweise Optimierung der Organisationsprozesse statt. Die Antwort des Senats zur Frage nach neu eingestelltem beziehungsweise reduziertem Personal bezieht sich auf Veränderungen der im Haushalt 2015 fortfolgende geplanten personellen Ausstattung. Sämtliche im Haushalt 2015/2016 finanzierten Stellen, die im Wege der Fluktuation frei werden, werden nachbesetzt. Wenn es im Einzelfall zu Verzögerungen kommt, hat das arbeits- beziehungsweise dienstrechtliche Gründe. Um qualitativ hochwertig nachbesetzen zu können, ist die Zahl der Auszubildenden für den Servicebereich, die Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher sowie der studierenden Rechtspfleger deutlich erhöht worden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Seit wann hat der Senat das Verwaltungsgericht personell verstärkt? a. Wie viele Personen welcher Entgeltgruppe sind in welchen Bereichen im Verwaltungsgericht neu eingestellt worden? Im Zusammenhang mit dem Anstieg der Asylverfahren sind folgende Neueinstellungen vorgenommen worden: Dienststelle* Anzahl Entgelt-/ Bezügegruppe Einstellung zum Verwaltungsgericht 1,00 R 2 01.03.2015 1,00 R 1 13.04.2015 1,00 R 1 13.04.2015 1,00 R 2 01.11.2015 1,00 R 1 01.12.2015 1,00 R 1 01.01.2016 1,00 EG 6 01.01.2016 1,00 EG 6 01.01.2016 1,00 EG 6 23.02.2016 1,00 EG 6 23.02.2016 1,00 R 2 01.07.2016 1,00 R 1 15.04.2016 1,00 R 1 01.05.2016 1,00 A 9 Einstellungs-/ Auswahlverfahren nicht abgeschlossen 1,00 EG 6 Einstellungs-/ Auswahlverfahren nicht abgeschlossen * Neueinstellungen erfolgen immer für die gesamte Dienststelle. b. Sollen weitere Stellen am Verwaltungsgericht neu besetzt werden? Wenn ja, wann und wie viele Stellen? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4678 3 c. Wie wird der Senat mittelfristig und langfristig das Verwaltungsgericht bei der Bewältigung der zunehmenden Asylverfahren entlasten ? Welche Konzepte hat der Senat, die über den bereits beschlossenen Stellenpool hinausgehen? Die Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. d. Wie haben sich die Zahlen der Neuzugänge in 2016 am Hamburger Verwaltungsgericht bezogen auf i. Klagen in allgemeinen Sachen, ii. Klagen in Asylsachen, iii. Verfahren im einstweiligen Rechtsschutz in allgemeinen Sachen, iv. Verfahren im asylrechtlichen Eilverfahren entwickelt? v. Wie viele Klagen bei „Dublin-Verfahren“ sind darunter? vi. Wie viele erledigte Verfahren gab es in 2016? Verwaltungsgericht Hamburg, Anzahl der Verfahren im 1. Quartal 2016 Klagen in allgemeinen Sachen Neuzugänge 406 Erledigungen 373 Klagen in Asylsachen Neuzugänge 322 Erledigungen 329 davon Dublin-Verfahren Neuzugänge k.A.* Erledigungen 0 Einstweiliger Rechtsschutz in allgemeinen Sachen Neuzugänge 485 Erledigungen 259 Einstweiliger Rechtsschutz in Asylsachen Neuzugänge 242 Erledigungen 267 davon Dublin-Verfahren Neuzugänge k.A.* Erledigungen 10 *) Die Geschäftsstatistik weist bezüglich der sogenannten Dublin-Verfahren nicht die Anzahl der Neuzugänge, sondern nur die Anzahl der Erledigungen aus. 2. Seit wann hat der Senat das Sozialgericht personell verstärkt? a. Wie viele Personen welcher Entgeltgruppe sind in welchen Bereichen im Sozialgericht neu eingestellt worden (bitte das Datum der Einstellung benennen)? Im Zusammenhang mit dem Anstieg der Neuzugänge bei den Klagen in Sozialrechtssachen wurden folgende Neueinstellungen veranlasst: Dienststelle* Anzahl Entgelt-/ Bezügegruppe Einstellung zum Sozialgericht 1,00 R 1 04.01.2016 1,00 R 1 04.01.2016 1,00 R 1 01.01.2016 1,00 EG 6 01.02.2016 1,00 EG 6 01.02.2016 1,00 EG 6 01.12.2015 * Neueinstellungen erfolgen immer für die gesamte Dienststelle. b. Sollen weitere Stellen am Sozialgericht neu besetzt werden? Wenn ja, wann und wie viele Stellen? c. Wie wird der Senat mittelfristig und langfristig das Sozialgericht entlasten ? Welche Konzepte hat der Senat, die über den bereits beschlossenen Stellenpool hinausgehen? Die Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. Drucksache 21/4678 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 3. Seit wann hat der Senat das Landgericht personell verstärkt? a. Wie viele Personen welcher Entgeltgruppe sind in welchen Bereichen im Landgericht neu eingestellt worden (bitte nach Stellen in Zivil- und Strafjustiz darstellen)? Zur personellen Verstärkung des Landgerichts um zwei Richterinnen/Richter siehe Drs. 21/4290. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. b. Sollen weitere Stellen am Landgericht neu besetzt werden? Wenn ja, wann und wie viele Stellen (bitte nach Stellen in Zivil- und Strafjustiz darstellen)? c. Wie wird der Senat mittelfristig und langfristig das Landgericht entlasten ? Welche Konzepte hat der Senat, die über den bereits beschlossenen Stellenpool hinausgehen? Die Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 4. Seit wann hat der Senat welches Amtsgericht in welchem Bezirk personell verstärkt? a. Wie viele Personen welcher Entgeltgruppe sind in welchen Amtsgerichten welchen Bezirks neu eingestellt worden? Zur personellen Verstärkung des Amtsgerichts um eine Richterin/Richter und vier Servicekräfte siehe Drs. 21/4290. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. b. Sollen weitere Stellen an Amtsgerichten neu besetzt werden? Wenn ja, wann und wie viele Stellen (gegebenenfalls in welcher Kammer)? c. Wie wird der Senat mittelfristig und langfristig die Amtsgerichte entlasten ? Welche Konzepte hat der Senat, die über den bereits beschlossenen Stellenpool hinausgehen? Die Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Seit wann hat der Senat die Staatsanwaltschaft personell verstärkt? a. Wie viele Personen welcher Entgeltgruppe sind in der Staatsanwaltschaft neu eingestellt worden? Zur personellen Verstärkung der Staatsanwaltschaft um zwei Staatsanwältinnen/ Staatsanwälte und eine Servicekraft siehe Drs. 21/4290. Im Zuge der Änderung des Haushaltsbeschlusses im Zusammenhang mit langzeiterkrankten Staatsanwältinnen und Staatsanwälten (Drs. 21/1979) sind zwei Neueinstellungen R 1 zum 23. Februar 2016 erfolgt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. b. Sollen weitere Stellen in der Staatsanwaltschaft besetzt werden? Wenn ja, wann und wie viele Stellen? c. Wie wird der Senat mittelfristig und langfristig die Staatsanwaltschaft entlasten? Welche Konzepte hat der Senat, die über den bereits beschlossenen Stellenpool hinausgehen? Die Überlegungen sind noch nicht abgeschlossen. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 6. Plant der Senat, das Arbeitsgericht personell zu verstärken? Wenn ja, wann? Wenn nein, warum nicht und wie wird der Senat das Arbeitsgericht mittel - und langfristig durch welche Maßnahmen entlasten? Nein, da die aktuelle Geschäftslage des Arbeitsgerichts dazu keinen Anlass gibt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 7. In welchen Gerichten ist Personal in welchen Bereichen reduziert worden (bitte unterteilen nach Amtsgerichten, Landgericht (Zivil- und Straf- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4678 5 justiz), Oberlandesgericht, Verwaltungsgericht, Oberverwaltungsgericht, Arbeitsgericht, Sozialgericht)? Aus welchen Gründen wurde an welchem Gericht Personal abgebaut? Siehe Vorbemerkung. 8. Um wie viele Stellen/Plätze hat der Senat die Ausbildungskapazitäten im Bereich der Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger, der Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher sowie des Servicepersonals im Vergleich zu den Jahren 2011 bis 2015 erhöht? a. Wie viele Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger machen derzeit eine Ausbildung in Hamburg? Wie viele waren es im Vergleich dazu in den Jahren 2011 bis 2015? Derzeit studieren 16 künftige Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger an der Hochschule Nord und absolvieren die fachpraktischen Abschnitte in den hamburgischen Gerichten und der Staatsanwaltschaft. Ab 1. Oktober 2016 werden weitere neun Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger das Studium aufnehmen. In den Jahren 2011 bis 2015 studierten 15 Rechtspflegerinnen und Rechtspfleger. Die Ausbildungskapazitäten sind jeweils der Zahl der Studierenden angepasst. b. Wie viele Gerichtsvollzieherinnen und Gerichtsvollzieher machen derzeit eine Ausbildung in Hamburg? Wie viele waren es im Vergleich dazu in den Jahren 2011 bis 2015? Derzeit absolvieren zwölf Gerichtsvollzieheranwärterinnen und -anwärter die Sonderlaufbahn zum Gerichtsvollzieherdienst. Ab 1. Juli 2016 werden weitere zwei Anwärterinnen die Sonderlaufbahn einschlagen. In den Jahren 2011 bis 2015 haben insgesamt neun Gerichtsvollzieheranwärter die Sonderlaufbahn absolviert. Die Ausbildungskapazitäten wurden jeweils der Anzahl der Teilnehmer angepasst. c. Wie hat der Senat die Servicekräfte an welchen Gerichten personell verstärkt? Wie viele Servicekräfte machen derzeit eine Ausbildung in Hamburg (bitte nach Gerichten darstellen)? Wie viele waren es dazu im Vergleich in den Jahren 2011 bis 2015? Zur Verstärkung der Servicekräfte siehe Vorbemerkung, siehe Antworten zu 1. und 2. sowie Drs. 21/4290. Die Ausbildung von Justizfachangestellten und Anwärterinnen und Anwärtern für den allgemeinen Justizdienst werden für alle Gerichte und die Staatsanwaltschaften zentral von der Justizbehörde gemeinsam mit dem Amtsgericht Hamburg durchgeführt. Derzeit befinden sich 13 Justizfachangestellte und 22 Justizsekretärinnen und Justizsekretäre in der Ausbildung. Zum 1. September 2016 werden weitere 15 Justizfachangestellte und zum 1. Oktober 2016 weitere 15 Justizsekretärinnen und Justizsekretäre die Ausbildung aufnehmen. 2011 bis 2015 waren 43 Justizsekretärinnen und Justizsekretäre in der Ausbildung sowie 39 Justizfachangestellte.