BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4686 21. Wahlperiode 07.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Alexander Wolf, Dirk Nockemann und Prof. Dr. Jörn Kruse (AfD) vom 01.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Auswahl des in Flüchtlingsunterkünften eingesetzten Sicherheitspersonals In der Vergangenheit hat es vielfach in Deutschland Gewalttaten gegen Flüchtlinge und Schikanierungen selbiger durch zweifelhaftes Sicherheitspersonal gegeben. Häufig wurden dabei Christen von muslimischen Sicherheitskräften drangsaliert. Der Steglitzer Pfarrer Gottfried Martens, der in seiner Gemeinde vor allem Christen aus dem Iran und Afghanistan betreut, sagte gegenüber „Der Welt“, dass Überfälle auf Christen keine Einzelfälle, sondern ein „massives strukturelles Problem“ seien. „Der erste Teil des Problems ist, dass Christen in den Heimen von Mitbewohnern drangsaliert werden , der zweite Teil, dass die Wachleute sich solidarisieren.“ Viele Vorfälle lägen dabei an der Grenze des Anzeigbaren. Der Sprecher der Berliner Gewerkschaft der Polizei (GdP) Benjamin Jendro äußerte in diesem Zusammenhang: „Meistens geht es ja nicht darum, dass konservativ-islamische Sicherheitsangestellte Christen verprügeln oder ihnen Bibeln wegnehmen, sondern sie einfach unfreundlicher behandeln oder bei ganz alltäglichen Dingen wie der Essensausgabe oder dem Gang zur Dusche benachteiligen.“ Infolge der sich häufenden Vorfälle hat nun die Bundesregierung ein Gesetz zur Änderung bewachungsrechtlicher Vorschriften vorgelegt, das am 13.05.2016 dem Bundesrat zur Beratung vorlag. Vorgesehen ist vor allem eine Verschärfung der Zuverlässigkeitsprüfung für das Wachgewerbe. Der Vollzug soll in allen Bundesländern einheitlich geregelt werden. Die Fragesteller begrüßen grundsätzlich die Gesetzesinitiative, begehren aber Auskunft über die Vorfälle der geschilderten Art und über die aktuelle Auswahlpraxis des Sicherheitspersonals in Hamburg. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Der Senat beantwortet die Fragen teilweise basierend auf Angaben der Betreiber f & w fördern und wohnen AöR (f & w), Deutsches Rotes Kreuz Landesverband Hamburg e.V. (DRK HH), Kreisverband Hamburg-Harburg e.V. (DRK Harburg) und Kreisverband Hamburg Altona und Mitte e.V. (DRK Altona), ASB Flüchtlingshilfe Hamburg GmbH (ASB), Arbeiterwohlfahrt (AWO), Malteser Hilfsdienst gemeinnützige GmbH (Malteser) und Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. (JUH). 1. Gibt es gegenwärtig festgelegte Auswahlkriterien für das Sicherheitspersonal in Flüchtlingsunterkünften? Wie sehen diese aus und wer achtet auf die Einhaltung? Drucksache 21/4686 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Ja. Zu Erstaufnahmeeinrichtungen siehe Drs. 21/3278 und 21/4216. Die Einhaltung dieser Vorgaben wird sowohl von den beauftragten Sicherheitsunternehmen als auch von den Betreibern der Erstaufnahmeeinrichtungen und der Behörde für Inneres und Sport überprüft. Darüber hinaus fordert der JUH eine Sicherheitskraft mit arabischen Sprachkenntnissen und Kenntnissen in Dari/Farsi. Das DRK Harburg behält sich vor, zusätzlich im Rahmen der Vorstellung von neuen Mitarbeitern des Sicherheitsdienstes diese aus nicht näher bezeichneten Gründen auch abzulehnen und nicht einzustellen. Zu Folgeunterkünften siehe Drs. 21/3549. 2. Überprüfen die Behörden insbesondere das von den Sicherheitsdiensten eingesetzte Personal? Wenn ja, auf welche Weise und seit wann? a) Müssen die Bediensteten insbesondere ein polizeiliches Führungszeugnis oder sogar ein erweitertes polizeiliches Führungszeugnis vorlegen? b) Gibt es Regelanfragen beim Verfassungsschutz? Siehe Drs. 21/3278. 3. Welche Fälle sind dem Senat bekannt, in denen in der Vergangenheit Personen als Sicherheitsbedienstete gearbeitet haben, bei denen es Hinweise auf eine Verbindung zu kriminellen oder extremistischen Strömungen gab? Bitte ab 01.01.2015 angeben. Im Bereich der Folgeunterbringung gab es keine entsprechenden Vorkommnisse. Im angefragten Zeitraum ist in mindestens 56 Fällen nach Rückmeldung der Polizei ein Einsatz in einer Erstaufnahmeeinrichtung untersagt worden. Im Rahmen der Zuverlässigkeitsüberprüfung von in Erstaufnahmeeinrichtungen eingesetztem Wachpersonal wurden vom Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg gegenüber der zuständigen Behörde zu drei Personen Hinweise im Sinne der Fragestellung mitgeteilt. Ob, insbesondere bei vorliegenden strafrechtlichen Verurteilungen, eine „Verbindung zu kriminellen oder extremistischen Strömungen“ vorlag, ist nicht ermittelbar. Auch relevante individuelle Verurteilungen schließen einen Einsatz in einer Flüchtlingsunterkunft grundsätzlich aus. Sachverhalte im Sinne der Fragestellung werden durch die Polizei nicht statistisch erfasst. Für die Beantwortung der Frage wäre eine händische Auswertung von mehreren Hunderttausend Vorgängen erforderlich. Dieses ist im Rahmen der zur Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 4. Welche Fälle von Fehlverhalten von Sicherheitsmitarbeitern in Flüchtlingsunterkünften sind dem Senat seit dem 01.01.2015 bekannt? Bitte tabellarisch Ort und Art des Fehlverhaltens angeben sowie die Konsequenzen des Fehlverhaltens, inklusive etwaiger strafrechtlicher Folgen beziehungsweise Ermittlungen. Siehe Drs. 21/454. Darüber hinaus siehe Antwort zu 3. 5. Gab es darunter Fälle, die einen spezifischen religiösen Hintergrund hatten ? Wenn ja, bitte konkret angeben. Etwaige religiös motivierte Straftaten werden im Landeskriminalamt im Rahmen politisch motivierter Kriminalität erfasst und bearbeitet. Für die Beantwortung der Frage wäre eine händische Auswertung aller Vorgänge aus dem Bereich der politisch motivierten Kriminalität erforderlich. Eine Auswertung von über tausend Vorgängen ist in der zur Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 6. Wird generell ein religiöser Hintergrund bei Vorfällen in Unterkünften erfasst, an denen Sicherheitspersonal beteiligt ist? Die Betreiber erfassen grundsätzlich jeden besonderen Vorfall in den Erstaufnahmeeinrichtungen . Die Vorfälle werden mit den relevanten Details entsprechend dokumen- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4686 3 tiert, wenn diese bekannt oder ermittelbar sind, dazu gehören auch Vorfälle mit religiösem Hintergrund. Die Dokumentation besonderer Vorkommnisse erfolgt jedoch nicht in statistisch auswertbarer Form. Die zur Beantwortung erforderliche händische Auswertung mehrerer Tausend Vorgänge zu besonderen Vorkommnissen ist in der zur Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 7. Welche Sicherdienste sind in den Hamburger Flüchtlingsunterkünften seit 01.01.2015 eingesetzt? Von f & w werden folgende Sicherheitsdienste eingesetzt: Firma WEKO Sicherheitsdienste GmbH, Firma SECURA-Personal Dienstleistungs GmbH & Co. KG, Firma W.I.S. Sicherheit + Service GmbH & Co. KG, Firma KÖTTER GmbH & Co. KG Verwaltungsdienstleistungen . Der Malteser nutzt die Dienstleitung der Firma SICHER- HEIT NORD GmbH & Co. KG. Die JUH setzt die Firma SECURA-Personal Dienstleistungs GmbH & Co. KG und Firma Pütz Security AG ein, der ASB die Firma ESCO Security, das DRK Harburg die Firma WEKO Sicherheitsdienste GmbH, das DRK Altona die Firma KÖTTER und das DRK HH die Firma SOD Bergedorf GmbH. 8. Hat es einen Wechsel von Sicherheitsdiensten gegeben? Wenn ja, welcher Sicherheitsdienst wurde mit welcher Begründung ausgewechselt ? Im Rahmen der öffentlich-rechtlichen Unterbringung von Zuwanderern und Wohnungslosen ist es zu keiner Auswechselung des Wachdienstes gekommen. In Erstaufnahmeeinrichtungen wechselte f & w in drei Fällen von der Firma Securitas zu den Firmen W.I.S. beziehungsweise Secura. Die Gründe für den Wechsel betreffen die Vertragsbeziehungen mit Dritten. Im Übrigen siehe Drs. 21/4216.