BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4720 21. Wahlperiode 10.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dirk Nockemann und Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 03.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Der Fall des Hamburger IS-Kämpfers Asif N. – Hätte die Radikalisierung verhindert werden können? Nach einem Bericht der „Bild“-Zeitung vom 03.06.2016 soll sich ein aus Hamburg stammender deutscher Jihadist und IS-Terrorist namens Asif N. im März dieses Jahres in Syrien für die Terrorgruppe in die Luft gesprengt haben. Bei dem Anschlag im nordsyrischen Shaddadi sollen neben dem Attentäter mehrere Personen getötet oder verletzt worden sein. Die Zeitung berichtet weiter, dass Asif N. am 25. September 2015 über den türkischen Grenzübergang bei Jarabulus nach Syrien einreiste. In Hamburg soll der Jihadist zuvor als Verkäufer gearbeitet haben. Das Bundeskriminalamt soll im Dezember 2015 nach einem Bericht im „DER SPIEGEL“ eine Terrorwarnung herausgegeben haben. In dieser befürchteten die Sicherheitsbehörden, dass der Hamburger Jihadist Asif N. alias Abu Mumin sich für ISIS in die Luft sprengen wollte, weshalb das BKA mit einem Aushang die Ausbildungsmission der Bundeswehr im Nordirak vor ihm warnte . Nach dem Bericht der „Bild“-Zeitung soll ISIS ein Propaganda-Video mit Asif N. veröffentlicht haben, in dem dieser über seinen Weg zum Jihadismus und über das geplante Selbstmordattentat spricht. Aufgewachsen sei er in einer römisch-katholischen Familie, man sei in die Kirche gegangen und habe „ab und zu gebetet.“ Dann jedoch sei er mit „praktizierenden Muslimen“ in Kontakt gekommen, die ihn „eines Besseren belehrten.“ Zu dem geplanten Attentat wird Asif N. mit den Worten zitiert: "Du gehst auf den Feind zu, in einem Auto oder ohne Auto. Hast nur ihn vor dir, hinter dir ist niemand und du tötest so viele wie möglich.“ Sollten sich die Angaben bestätigen, wäre das neben dem IS-Kämpfer „Florent “ (siehe Drs. 21/3782) ein neuerlicher Fall eines jungen Hamburger Mannes , der sich trotz einer christlichen Prägung auf extreme Weise einer gewaltsamen politischen Ausformung des Islamismus zugewendet und mehrere Menschenleben zerstört hat. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Asif N. war bis zum Ende des Schuljahres 2010/2011 ein unauffälliger und guter Schüler. Ab dem Schuljahr 2011/2012 fiel er durch steigende Fehlzeiten auf, auf die die Schule mit gezielten Maßnahmen reagierte: Die Klassenlehrerin und die unterrichtenden Lehrerinnen und Lehrer führten regelmäßig und intensiv mit Asif und seiner sorgeberechtigten Mutter Gespräche und vereinbarten in schriftlicher Form weitere Drucksache 21/4720 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Verhaltensregeln, um einem Leistungsabfall von Asif entgegenzuwirken. Da Asif trotz diverser Maßnahmen (Attestpflicht, Null-Punkte-Warnung in Sport und andere) seine Fehlzeiten nicht sichtbar verringerte, wurde als zusätzliche Instanz der Beratungsdienst der Schule eingeschaltet. Die Beratungsgespräche fanden in der Anfangsphase zunächst wöchentlich mit Asif statt, dann monatlich, zuletzt am 13. Dezember 2012. Regelmäßig gab es neben den Gesprächen mit Asif auch immer wieder Gespräche mit der Mutter. Im Anschluss an die Begleitung des Schülers durch die Klassenlehrerin ging die Betreuung im Rahmen der Studienstufe an den Tutor über, der dann zusätzlich zur Beratungslehrerin ebenfalls Gespräche führte, gemäß den schulischen Regeln beriet und auf die Gefährdung des Abiturs hinwies. Im Rahmen der regelhaften Information der Schüler „Mitteilung des Leistungsstandes“ sind entsprechende Warnungen ausgesprochen und dann schriftlich übermittelt worden. Asif N. äußerte damals als Grund für seine Fehlzeiten, er müsse aufgrund seiner Religionszugehörigkeit zu bestimmten Zeiten seine Moschee besuchen. Aufgrund dieser deutlichen Absage an das Regelsystem der Schule gab es zahlreiche weitere Versuche unterschiedlicher Personen, Asif im Beratungsgespräch für die Fortsetzung seiner Schullaufbahn zu motivieren. Schulleitungsmitglieder waren in die Handlungskette eingebunden, die zuständige Schulaufsicht war ebenfalls einbezogen. Der schulische Beratungsdienst empfahl außerschulische professionelle Hilfe, die von Asif abgelehnt wurde. Auch die Unterstützung des Jugendamtes nahm Asif nicht an. Wegen seines Leistungsabfalls und hoher unentschuldigter Fehlzeiten hat Asif die Studienstufe seiner Stadtteilschule im Juni 2013 mit dem mittleren Schulabschluss und mit Beendigung der Schulpflicht verlassen. Asif N. bekannte sich als Muslim, zeigte an der Schule aber weder im Unterricht noch gegenüber seinen Mitschülern oder Lehrkräften im Schulalltag Radikalisierungstendenzen. Aufgrund der gesellschaftlichen Brisanz des Themas der Religionszugehörigkeit und ihren möglichen Folgen fand an der Stadtteilschule ab 2010 eine schulinterne Lehrerfortbildung zum Umgang mit religiösen Konflikten statt, die von der verantwortlichen Lehrkraft für interkulturelles Training initiiert und mit der Unterstützung durch das Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) durchgeführt wurde. Diese Fortbildungsreihe hat die Schule mit Folgeveranstaltungen fortgesetzt. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Kann der Senat die Angaben und Vorgänge um den mutmaßlichen Hamburger Dschihad-Kämpfer Asif N. bestätigen? Bitte die Erkenntnisse des Landesamtes für Verfassungsschutz sowie der Polizeibehörden und der Kriminalämter mit einbeziehen. Der Sachverhalt ist Gegenstand eines laufenden Ermittlungsverfahrens, welches beim Generalbundesanwalt beim Bundesgerichtshof (GBA) geführt wird. Eine Beteiligung des GBA war in der für die Beantwortung dieser Schriftlichen Kleinen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 2. Verfügte Asif N. über einen Migrationshintergrund? Wenn ja, bitte diesen näher angeben. Nach den Erkenntnissen der Polizei wurde Asif N. in Deutschland geboren. Er ist im Besitz der deutschen und der polnischen Staatsangehörigkeit; darüber hinaus sehen die Sicherheitsbehörden aus Gründen des Persönlichkeitsschutzes von weiteren Angaben ab. 3. Welche Schule(n) besuchte Asif N. in Hamburg von wann bis wann? Der Senat hält an seiner bisherigen Praxis fest, die Namen der Schulen nicht öffentlich zu benennen, siehe Drs. 20/13716. Von bis Schulform 01.01.2002 31.07.2006 Katholische Schule (Grundschule) 01.08.2006 17.12.2006 Gymnasium Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4720 3 Von bis Schulform 18.12.2006 31.07.2008 Katholische Schule (damals Haupt- und Realschule) 01.08.2008 19.06.2013 Aufbaugymnasium bzw. Stadtteilschule Eine berufsbildende Schule in Hamburg hat Asif N. nicht besucht. 4. Hat Asif N. an einer Hamburger Schule eine Abschlussprüfung erfolgreich absolviert? Wenn ja, mit welchem Abschluss? 5. Gab es in der zuletzt besuchten Schule Hinweise auf eine Radikalisierung des jungen Mannes? Wenn ja, wie haben die verantwortlichen Akteure (Lehrer, Schulleitung, Schulaufsicht, Behörde für Schule und Berufsbildung) darauf reagiert? Bitte den Inhalt der stattgefundenen Gespräche und Maßnahmen erläutern . Siehe Vorbemerkung. 6. Wo hat Asif N. als Verkäufer gearbeitet? War er noch in Ausbildung oder bereits in einer Anstellung nach einer abgeschlossenen oder nicht abgeschlossenen Berufsausbildung? Der Senat hat sich damit nicht befasst. Der zuständigen Behörde liegen hierzu keine Erkenntnisse vor. Jobcenter team.arbeit.hamburg hat hierzu unter Berufung auf den (Bundes-)Sozialdatenschutz keine Informationen übermittelt. 7. Welche Schlussfolgerungen zieht der Senat aus dem mutmaßlich wiederholten Fall einer extremen politisch-religiösen Radikalisierung eines jungen Hamburger Mannes? Welche konkreten Maßnahmen sind geplant? Siehe Drs. 21/3782.