BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4726 21. Wahlperiode 10.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien und Birgit Stöver (CDU) vom 03.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Wurden Flüchtlingskinder mit Wissen des Senats falsch geimpft? Ende letzten Jahres ging die Meldung durch die Medien, dass es bei mehreren Impfstoffen Lieferengpässe geben würde. „Bis zum Jahresende werden wir bestimmte Impfstoffe nicht bekommen, etwa den gegen Diphtherie, Keuchhusten, Kinderlähmung und Tetanus“, zitierte „Die Welt“ Wolfram Hartmann, den Präsidenten des Berufsverbandes der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ). Zudem sollte es Lieferengpässe beim Kombinationsimpfstoff gegen Masern, Mumps, Röteln und Windpocken sowie beim nasalen Grippe- Impfstoff für Kinder zwischen zwei und sieben Jahren gegeben haben. „Mit anderen Worten: Wir können die Bevölkerung, einheimische Kinder und Flüchtlinge gleichermaßen, nicht mit den Basisimpfstoffen versorgen“, warnte der Experte. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Lieferengpässe von Impfstoffen gegen Infektionskrankheiten beim Menschen werden auf Webseiten des Paul-Ehrlich-Instituts für Sera und Impfstoffe (PEI) veröffentlicht. Sie werden durch den pharmazeutischen Unternehmer gemeldet, wenn es zu einer über voraussichtlich zwei Wochen hinausgehenden Unterbrechung oder Verringerung des üblichen Umfangs der Auslieferung kommt. Der Bestand an dennoch verfügbaren Impfstoffdosen bei Arzneimittelimporteuren, im Arzneimittelgroßhandel, in den Apotheken oder den Arztpraxen wird nicht erfasst. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Gab es in Hamburg Ende 2015 Hinweise auf Lieferengpässe bei Impfstoffen ? Wenn ja, was war der Grund, um welche Impfstoffe handelte es und welche Auswirkungen hatte der Engpass für die Versorgung von Einheimischen und Flüchtlingen? Informationen über zurückliegende Engpässe können auf den Webseiten des PEI unter dem Link http://www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoff-impfstoffe-fuer-denmenschen /lieferengpaesse/archiv-lieferengpaesse-humanimpfstoffe/archivnode .html;jsessionid=52DD7E0C89C576FE4C3F354F5B50C1B4.1_cid344 abgerufen werden. Bei einzelnen Lieferengpässen werden Alternativen beziehungsweise Handlungsempfehlungen gelistet. 2. Gibt es derzeit Lieferengpässe? Wenn ja, warum, für welche Präparate und mit welchen Auswirkungen für die Versorgung von Einheimischen und Flüchtlingen? Drucksache 21/4726 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Derzeit bestehende Lieferengpässe können auf der Website des PEI abgerufen werden : http://www.pei.de/DE/arzneimittel/impfstoff-impfstoffe-fuer-denmenschen /lieferengpaesse/listen-lieferengpaesse-humanimpfstoffe/listen-node.html. Standardimpfstoffe zur Grundimmunisierung bei Säuglingen und Kleinkindern: Trotz einiger bestehender Lieferengpässe ist eine vollständige Grundimmunisierung möglich; es stehen für alle Impfstoffe alternative Optionen zur Verfügung. Standardimpfstoffe für Kinder, Jugendliche und Erwachsene: Bei allen gemeldeten Impfstoffengpässen sind Alternativimpfstoffe verfügbar (Angaben des PEI vom 25.05.2016). 3. Wie genau sind derzeit die Zuständigkeiten bei der medizinischen Versorgung von Flüchtlingen und auf welcher Rechtsgrundlage basiert diese Regelung? Die medizinische Erstuntersuchung basiert für Bewohnerinnen und Bewohnern von Aufnahmeeinrichtungen im Sinne des § 44 Absatz 1 Asylgesetz (AsylG) auf § 62 AsylG. Nach Abschnitt II Absatz 1 Nummer 21 der Anordnung über Zuständigkeiten im Ausländer- und Asylverfahrensrechts vom 17. Dezember 2004 („Amtlicher Anzeiger “ Seite 2621), zuletzt geändert durch Anordnung vom 29. September 2015 („Amtlicher Anzeiger“ Seiten 1697, 1703), ist für die Durchführung des Asylverfahrensgesetzes (seit 24. Oktober 2015: Asylgesetz) die Behörde für Inneres und Sport zuständig. Die nach § 62 Absatz 1 Satz 2 AsylG bestimmte Stelle ist die Behörde für Gesundheit und Verbraucherschutz (BGV). Im Übrigen siehe hierzu Drs. 20/11112, 21/548, 21/947, 21/973, 21/1132, 21/1434, 21/1701, 21/1801 sowie 21/4586. 4. Wo sind derzeit externe Dienstleister eingesetzt? Wie sind hier die Laufzeiten der Verträge und die Kosten? Der Auftrag zur Durchführung der Erstuntersuchung wurde im Jahr 2014 ausgeschrieben . Der Vertrag trat zum 1. März 2014 in Kraft und ist für eine Laufzeit von längstens vier Jahren ausgelegt. Für die Erstuntersuchung (ohne die Untersuchungen der unbegleiteten minderjährigen Ausländer) sind im Jahr 2015 Kosten in Höhe von 4.038.830,94 Euro und im 1. Quartal 2016 in Höhe von 492.968,43 Euro angefallen. Über das Fachamt Gesundheit Altona sind zurzeit auf Honorarbasis Ärztinnen und Ärzte und Assistenzkräfte in dezentralen Erstaufnahmeeinrichtungen (EAs) eingesetzt . Siehe hierzu im Einzelnen Drs. 21/4586. Zudem sind fünf Krankenhäuser in die Versorgung eingebunden. Die Verträge der Honorarkräfte laufen auf unbestimmte Zeit. Sie können unter Einhaltung einer Frist von zwei Wochen zum Monatsende gekündigt werden. Eine Kostenübersicht kann in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht zur Verfügung gestellt werden. 5. Welche Behörde überwacht die Tätigkeit der Dienstleister? Wann sind diese Kontrollen seit Juli 2015 wo erfolgt? (Bitte nach Monaten auflisten.) Die zuständige Behörde befindet sich im regelhaften Austausch mit dem vertraglich betrauten ärztlichen Dienstleister und führt anlassbezogen Gespräche. Es handelt sich um einen laufenden Prozess. Die Standards für die medizinische Basisversorgung durch die Praxisteams in den EAs werden im Rahmen von Begehungen und der Durchführung von Teamsitzungen durch das Fachamt Gesundheit Altona überwacht. Darüber hinaus finden regelmäßige Fortbildungsveranstaltungen zu relevanten Themen der Flüchtlingsmedizin für die Praxisteams in der Ärztekammer Hamburg statt. 6. An welchen Standorten wird aktuell die Eingangsuntersuchung für Flüchtlinge durchgeführt? Werden auch Kinderärzte eingesetzt? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4726 3 Die Erstuntersuchung durch den vertraglich betrauten Dienstleister erfolgt im Ankunftszentrum Rahlstedt (Bargkoppelstieg). Die unbegleiteten minderjährigen Ausländer werden entweder im Gesundheitsamt Altona oder in der Außenstelle beim Kinder- und Jugendnotdienst in der Feuerbergstraße von Mitarbeiterinnen des Gesundheitsamts Altona erstuntersucht. Im Übrigen siehe Antwort zu 7. 7. Welche Qualifikationen haben die eingesetzten Ärzte? Die vom vertraglich betrauten ärztlichen Dienstleister eingesetzten Ärztinnen und Ärzte sind Fachärzte für Allgemeinmedizin, Fachärzte für Innere Medizin, Gastroenterologie oder Fachärzte für Physikalische und Rehabilitative Medizin. Alle Ärztinnen und Ärzte sind berufsrechtlich befugt und befähigt, Kinder zu behandeln. Die für die Untersuchung der unbegleiteten minderjährigen Ausländer derzeit eingesetzten Ärztinnen sind Fachärztinnen für Pädiatrie und Allgemeinmedizin. 8. Gibt es offizielle Anweisungen von Behördenseite bezüglich der Impfung von Flüchtlingen? Wenn ja, wie lauten sie? Bei der Erstuntersuchung durch den vertraglich betrauten ärztlichen Dienstleister sind der Impfstatus zu überprüfen und gegebenenfalls Empfehlungen zur Schließung von Impflücken zu geben. Darüber hinaus ist die Unterstützung des zuständigen Gesundheitsamtes bei gegebenenfalls erforderlichen Impfungen nach dem Infektionsschutzgesetz zu leisten. Auch bei der Erstuntersuchung der unbegleiteten minderjährigen Ausländer wird der Impfstatus erhoben und, wenn vorhanden, die Impfausweise kontrolliert hinsichtlich in der Vergangenheit durchgeführter Impfungen. In Abhängigkeit vom Impfstatus wird nach den Empfehlungen der Ständigen Impfkommission (STIKO) ein Impfangebot gemacht. Im Übrigen siehe Antwort zu 9. 9. Nach welchen Richtlinien/Vorgaben werden Kinder geimpft? Gibt es Impfungen, die den Eltern angeboten werden müssen? Wenn ja, welche und wie viele davon nehmen anteilig das Angebot für ihre Kinder an? Die Impfungen sind freiwillig und werden den Eltern mittels Sprachmittler und Merkblatt erläutert. Eine Durchführung erfolgt nur nach schriftlicher Einverständniserklärung . Die unbegleiteten minderjährigen Ausländer werden von der Ärztin mithilfe eines Dolmetschers aufgeklärt und die fehlenden Impfungen nach Einverständnis durchgeführt. Die durchgeführten Impfungen werden im Impfausweis dokumentiert und eine Empfehlung für Folgeimpfungen gegeben. Als Grundlage dient das Konzept zur Umsetzung frühzeitiger Impfungen bei Asylsuchenden des Robert Koch-Institutes (RKI) in Abstimmung mit der STIKO und die aktuell gültige STIKO-Empfehlung. Im Übrigen siehe Drs. 21/2467. 10. Welche Stelle bestellt die benötigten Impfstoffe und wer kontrolliert Bestellung, Auswahl und Verwendung? Das Institut für Hygiene und Umwelt/Impfzentrum (HU) bestellt und bevorratet für die Fachämter Gesundheit die entsprechenden Impfstoffe für unter anderem Riegelungsimpfungen bei Ausbruchssituationen und anlassbezogene Impfungen. Für die Grippesaison 2015/2016 wurden durch das HU Impfstoffe gegen Influenza zentral beschafft. Das Bezirksamt Altona bestellt die Impfstoffe für die Erstuntersuchung der unbegleiteten minderjährigen Ausländer ebenfalls über das HU. Drucksache 21/4726 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Beschaffung von Impfstoffen für die Erstuntersuchung erfolgt zudem durch den vertraglich betrauten ärztlichen Dienstleister. Die korrekte Auswahl und Verwendung obliegt den jeweiligen impfenden Ärztinnen und Ärzten. 11. Gab es Beschwerden von niedergelassenen Ärzten oder in ZEA tätigen Ärzten über in Erstunterkünften durchgeführte Impfungen? Wenn ja, wann, wem gegenüber wurden sie getätigt und was ist ihr Inhalt? An das Gesundheitsamt Altona wurden pauschale Beschwerden über eingesetzte Impfstoffe und Einträge im Impfbuch herangetragen. Der allgemeine Charakter der Beschwerden ohne Vorlage entsprechender Dokumente oder Nennung von Namen ließ eine Überprüfung nicht zu. Die zuständige Behörde hat dies dennoch zum Anlass genommen, den vertraglich betrauten ärztlichen Dienstleister über die Beschwerden zu informieren und erneut auf die korrekte Verfahrensweise hinzuweisen. Der Dienstleister hat eine entsprechende Information der angestellten Ärztinnen und Ärzte zugesagt . Seit dem 8. Juni 2016 liegt der für Gesundheit zuständigen Behörde eine per E-Mail übersandte Kopie der Innenseite eines Impfausweises über eine Impfung Ende 2015 vor. Eine verbindliche Beurteilung dieses Impfausweises ist nicht möglich, da es sich zum einen um eine Kopie handelt, deren Authentizität nicht überprüfbar ist, zum andern zur Überprüfung die Angaben der Vorderseite des Ausweises (zum Beispiel zum Alter und der Identität der Impfperson) fehlen. Die zuständige Behörde hat das Gesundheitsamt Altona mit der zunächst stichprobenhaften Überprüfung ausgestellter Impfausweise in den Erstaufnahmeeinrichtungen beauftragt, die gegebenenfalls auch ausgeweitet werden kann. Die für Inneres zuständige Behörde hat ihren vertraglich betrauten Dienstleister für die Erstuntersuchung zur Stellungnahme aufgefordert. 12. Ist es zutreffend, dass Kinder für ihr Alter nicht zugelassene Impfstoffe erhalten haben? Wenn ja, a) wann, b) wo, c) wieso, d) um welche Chargennummern handelt es sich, e) wie alt waren die Betroffenen f) und hatte der Fehler gesundheitliche Folgen für sie? Siehe Antwort zu 11.