BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4735 21. Wahlperiode 14.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Philipp Heißner (CDU) vom 06.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Geschäftsprozess zur Abrechnung der Kinderbetreuungsleistungen (ProCAB) Pro Haushaltsjahr werden in der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) Leistungen in Höhe von rund 600 Millionen Euro an Kindertageseinrichtungen oder Tagespflegepersonen für die Betreuung von rund 70.000 Kindern gezahlt. Verbunden über eine SAP-Schnittstelle wird derzeit das HRK-Verfahren ProCAB zum Antragsmanagement und zur Abrechnung dieser Leistungen eingesetzt. In der Ergänzung zum Jahresbericht 2016 des Rechnungshofs der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) wird im Abschnitt „Ordnungsmäßigkeiten beim Einsatz von IT-Verfahren“ unter anderem auf ProCAB eingegangen. Dabei wird die Abrechnung der Kintertagsbetreuungskosten als nicht sicher klassifiziert. Unter anderem wird hervorgehoben, dass das Vier-Augen-Prinzip, angeordnet im Sinne der Verwaltungsvorschriften für Zahlungen, Buchführung und Rechnungslegung (VV-ZBR), nicht ordnungsgemäß angewendet wird. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie ist der Prozess für Auszahlungen der FHH an Kindertageseinrichtungen und Pflegepersonen organisiert? Welche genauen Stellen sind jeweils für Bewilligung, Berechnung, Buchung und Zahlung der Leistungen zuständig? Bitte nach Fachstelle und Prozessschritt aufschlüsseln. Der Abrechnungsprozess für die Kindertageseinrichtungen und die Kindertagespflege ist in aufeinander aufbauenden Teilprozessen organisiert. Im Teilprozess „Leistungsentgelte/Tagespflegegelder“ werden für jede Kindertageseinrichtung die Leistungsentgelte für die dort angebotenen Kita-Leistungen berechnet und mit den Kita-Trägern vereinbart. Das Leistungsentgelt besteht aus drei Teilentgelten : Betreuung und Leitung, Sachkosten sowie Gebäudekosten. Die Berechnung der Leistungsentgelte erfolgt dabei in zwei Stufen. Die zuständige Behörde pflegt zunächst eine Tabelle für das Teilentgelt „Betreuung und Leitung“. Die Daten werden in die Datenbank „Leistungsentgelte“ übertragen und sind dort nicht änderbar. Die weitere Berechnung der Leistungsentgelte erfolgt in der Datenbank „Leistungsentgelte “ im Vier-Augen-Prinzip. Das Vier-Augen-Prinzip ist dabei durch technische Vorkehrungen gewährleistet. Die Daten der vereinbarten Leistungsentgelte werden über eine Schnittstelle nach ProCAB übertragen und sind dort nicht änderbar. Für die Tagespflegepersonen werden die einheitlich festgelegten Bestandteile der Tagespflegegelder in eine Tabelle in ProCAB unter Gewährleistung des Vier-Augen- Prinzips eingetragen. Das nach den individuellen Merkmalen der Tagespflegeperson und der Tagespflegeleistungsart zu bemessene Tagespflegegeld beinhaltet einen Beitrag zur Anerkennung der Förderleistung (Erziehungsgeld), die Erstattung angemessener Kosten, die der Tagespflegeperson für den Sachaufwand entstehen (Sach- Drucksache 21/4735 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 kostenpauschale) sowie eine anteilige Erstattung von Vorsorgeaufwendungen. Die Ermittlung des zutreffenden Tagespflegegelds für eine Tagespflegeperson in ProCAB ergibt sich aus den bei den Tagespflegestellen/Tagespflegebörsen in den Abteilungen Kindertagesbetreuung in den bezirklichen Jugendämtern beziehungsweise sozialen Dienstleistungszentren in ProCAB hierzu eingegebenen relevanten Individualdaten zu den Tagespflegepersonen (zum Beispiel Qualifizierungsmaßnahmen). Die Dateneingabe in ProCAB erfolgt nicht im Vier-Augen-Prinzip. Im Teilprozess „Antragsbearbeitung und Bewilligung“ werden in den bezirklichen Abteilungen Kindertagesbetreuung die Anträge auf Kindertagesbetreuung bearbeitet sowie die Daten des Kindes, seiner Sorgeberechtigten und der gewährten Leistungsbewilligung in ProCAB erfasst. Im Fall einer Kindertagespflegebewilligung wird bei der Bewilligung zusätzlich die betreuende Tagespflegeperson dem Kind zugeordnet. Im Teilprozess „Eintritt- und Austrittsetzung“ melden die Kindertageseinrichtungen an die BASFI das Eintrittsdatum (erster Betreuungstag des Kindes). Aufgrund dieser Meldung setzt das Eintrittsdatum in ProCAB. Damit wird der Fall in ProCAB aktiviert und fließt in die Abrechnung für die jeweilige Kindertageseinrichtung ein. Die Kindertageseinrichtungen melden ferner den Austritt des Kindes (letzter Betreuungstag), sofern dieser zeitlich vor dem Bewilligungsende liegt. Bei der Kindertagespflege erfolgt die Setzung des Eintrittsdatums im Rahmen des Bewilligungsprozesses in den bezirklichen Tagespflegestellen/Tagespflegebörsen bei der Zuordnung des Kindes zu der betreuenden Tagespflegeperson. Die Austrittsmeldungen werden ebenfalls dort erfasst. Die Dateneingabe in ProCAB erfolgt bei den Teilprozessen „Antragsbearbeitung und Bewilligung“ sowie „Eintritt- und Austrittsetzung“ nicht im Vier-Augen-Prinzip. Im Rahmen des abschließenden Prüfungs- und Anordnungsprozesses werden die sich monatlich für die einzelnen Kinder ergebenden Kostenerstattungen der Freien und Hansestadt Hamburg (FHH) in sogenannten Vorschlagsläufen aus ProCAB gesammelt und für die jeweils betreuende Kindertageseinrichtung beziehungsweise Kindertagespflegeperson summiert. Die für die Kindertageseinrichtung beziehungsweise Tagespflegeperson ermittelten Beträge werden aus ProCAB an das SAP-Haushaltsbewirtschaftungssystem der FHH übergeben, von dort ausgezahlt und auf dem jeweiligen Sachkonto gebucht. Die summierten Werte der Zahlungsvorschlagsliste sind Grundlage der Feststellung der rechnerischen und sachlichen Richtigkeit sowie der Anordnung. Die Mitarbeiter nehmen aufgrund der Zahlungsvorschlagsliste Plausibilitätsprüfungen vor. 2. Welche Vorschriften regeln die in Frage 1. genannten Prozesse beziehungsweise die einzelnen Prozessschritte? Bitte genaue Paragraphen, Absätze, Punkte, Abschnitte et cetera der jeweiligen Verwaltungsvorschriften angeben. Maßgeblich sind die VV zu §§ 70 bis 72 und 74 bis 80 Landeshaushaltsordnung – Verwaltungsvorschriften für Zahlungen, Buchführung und Rechnungslegung und Anlagen. Insbesondere sind dies: - Anlage 3 – Bestimmungen zu Anordnungen, Belegen, Bescheinigungen und Verantwortungsabgrenzung sowie zur Buchführung; mit den Abschnitten II (Anordnungen ) und IV (Begründung, Verantwortlichkeiten und Bescheinigungen) - Anlage 5 – Bestimmungen über die Aufbewahrung von Informationen des Haushalts -, Kassen- und Rechnungswesens - Anlage 10 – Bestimmungen für IT-Verfahren mit Bezug zum Haushalts-, Kassenund Rechnungswesen 3. Welche Unterlagen gelten im Rahmen der Abrechnung der Kinderbetreuungsleistungen als buchungs- beziehungsweise zahlungsbegründend ? Welchen Stellen liegen diese buchungs- und zahlungsbegründenden Unterlagen jeweils vor? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4735 3 Die buchungs- beziehungsweise zahlungsbegründenden Unterlagen im Rahmen der Abrechnung der Kindertagesbetreuungsleistungen sind die Folgenden: - Leistungsentgeltvereinbarung/Individualdaten Tagespflegeperson für die Tagespflegegeldermittlung (Teilprozess „Leistungsentgelte/Tagespflegegelder“) - Leistungsbewilligungen (Teilprozess „Antragsbearbeitung und Bewilligung“) - Eintritts- und Austrittsmeldungen (Teilprozess „Eintritt- und Austrittsetzung“) Die buchungs- und zahlungsbegründenden Unterlagen liegen nur den Stellen in den vorgenannten Teilprozessen vor. Im Übrigen siehe Antwort zu 1. 4. Wie wird das Vier-Augen-Prinzip bei den einzelnen Prozessschritten der Buchungen und Zahlungen im Bereich der Abrechnung der Kinderbetreuungsaufwendungen sichergestellt? Siehe Antwort zu 1. 5. Wie bewertet der Senat die Kritik des Rechnungshofs an Buchungen und Zahlungen im Bereich der Kinderbetreuungsaufwendungen (vergleiche Drs. 21/4100)? Die vom Rechnungshof geäußerte Kritik an der unzureichenden Umsetzung der kassenrechtlichen Vorschriften im Bereich der Abrechnung der Kindertagesbetreuungsleistungen ist grundsätzlich zutreffend. Hinsichtlich der Umsetzung des Vier-Augen- Prinzips bei der Dateneingabe im HKR-Verfahren ProCAB, ist jedoch generell zu berücksichtigen, dass dieses Verfahren aufgrund der behördenübergreifenden, aufeinander aufbauenden Leistungsbewilligungs- und Abrechnungsprozesse in der Bezirksverwaltung und der BASFI sowie wegen des sehr hohen Fallzahl- und Abrechnungsvolumens („Massenverfahren“) eine spezielle technische und organisatorische Konfiguration aufweist. Bei strikter Anwendung des Vier-Augen-Prinzips wäre eine signifikante Erhöhung der Sachbearbeitungskapazitäten in der Verwaltung erforderlich. Es wird daher derzeit von der BASFI geprüft, ob und in welcher Weise die in den VV-ZBR – Anlage 10 – Bestimmungen für IT-Verfahren mit Bezug zum Haushalts-, Kassen- und Rechnungswesen (BestHKR) in Nummer 10 in Verbindung mit Nummer 11 enthaltene Option, vom Vier-Augen-Prinzip abzuweichen und stattdessen ein qualifiziertes Stichprobenkontrollverfahren durchzuführen, in Anspruch genommen werden kann. 6. Welche Maßnahmen will der Senat ergreifen, um die Konformität der Buchungs- und Zahlungsprozesse in diesem Bereich mit den Verwaltungsvorschriften für Zahlungen, Buchführung und Rechnungslegung sicherzustellen? Bitte nach Art der Maßnahme und geplantem Zeitrahmen aufschlüsseln. Die konzeptionellen Arbeiten zur notwendigen Anpassung des Abrechnungsprozesses für die Kindertageseinrichtungen und die Kindertagespflege an die kassenrechtlichen Vorschriften sind von der zuständigen Fachbehörde Anfang Mai 2016 aufgenommen worden und sollen voraussichtlich im 3. Quartal 2016 abgeschlossen werden. Es ist vorgesehen, das Realisierungskonzept vor der technischen Umsetzung zunächst mit Finanzbehörde und Rechnungshof einvernehmlich abzustimmen. 7. Neben der nicht ordnungsgemäßen Durchführung des Vier-Augen- Prinzips stellte der Rechnungshof fest, dass die Praxis der monatlichen Vorschussberechnungen, -zahlungen und -abrechnungen der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI) an die Betreuungseinrichtungen erheblichen Verwaltungsaufwand verursacht, ohne dass den Betreuungseinrichtungen hieraus nennenswerte Liquiditätsvorteile erwachsen. Welche Regelungen will der Senat wann einführen um die Vorschüsse nur noch bei Nachweis der Notwendigkeit durch die Einrichtungen pauschaliert zu gewähren? Die Feststellung des Rechnungshofes, aus der Praxis der monatlichen Vorschusszahlungen an die Kinderbetreuungseinrichtungen würden den Betreuungseinrichtungen keine nennenswerte Liquiditätsvorteile erwachsen, ist nicht zutreffend. Die von der Drucksache 21/4735 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 BASFI den Kindertageseinrichtungen gewährten monatlichen Vorschüsse werden im Regelfall tatsächlich ungeschmälert ausgezahlt. Zeitgleich erfolgt zwar jeweils für den – in der Vergangenheit liegenden – turnusmäßig abgerechneten Monat die Rückforderung des Vorschusses. Dieser Rückforderung steht jedoch die Gutschrift des vollen Abrechnungsbetrages gegenüber. Der vom Rechnungshof vorgeschlagene Nachweis der Notwendigkeit als Voraussetzung für die Vorschussgewährung könnte angesichts von über 1.000 Kindertageseinrichtungen in Hamburg nur mit einem sehr hohen administrativen Aufwand aufseiten der BASFI und der Kindertageseinrichtungen umgesetzt werden und ist daher nicht praktikabel. 8. Wie viele Fälle von Fehlern im Rahmen der Abrechnung der Kinderbetreuungsaufwendungen sind in den letzten fünf Jahren aufgefallen? In wie vielen Fällen kam es zu fehlerhaften Auszahlungen? Um welche Beträge handelte es sich dabei durchschnittlich, höchstens und insgesamt ? Bitte nach Jahr, Anzahl der fehlerhaften Auszahlungen und Wertbetrag aufschlüsseln. Keine.