BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4740 21. Wahlperiode 14.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Inge Hannemann (DIE LINKE) vom 06.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Sollen Geflüchtete in Ein-Euro-Jobs „geparkt“ werden? Nach einem Bericht der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (14.04.) planen die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles und das Bundesministerium für Arbeit und Soziales bundesweit die Schaffung von 100.000 zusätzlichen Ein- Euro-Jobs (sogenannte Arbeitsgelegenheiten) für Geflüchtete. Nachdem dieses Instrument der Ein-Euro-Jobs bereits im Allgemeinen viele Fragen und massive Kritik aufgeworfen hat und die Anzahl der Plätze dieser Maßnahme laut Bundesagentur für Arbeit von über 800.000 bundesweit (2006) auf weniger als 100.000 bundesweit (2015) gesunken ist, stellt sich die Frage, warum Ein-Euro-Jobs für geflüchtete Menschen als Arbeitsmarktinstrument geeignet sein sollen. Zusätzliche wirft die Ankündigung der zusätzlichen Ein-Euro- Jobs Fragen für die Situation in Hamburg auf. Vor diesen Hintergrund frage ich den Senat: Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) plant derzeit mit einem Entwurf auf der Grundlage des Koalitionsbeschlusses vom 13. April 2016, mittels niedrigschwelliger Angebote in Arbeitsgelegenheiten eine sinnstiftende Beschäftigung für Flüchtlinge bis zur Entscheidung über ihre Anerkennung, anzubieten. Damit sollen die Flüchtlinge zugleich an den Arbeitsmarkt herangeführt werden (Arbeitsmarktprogramm sogenannte Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen – FIM). Die Teilnehmenden sollen hierbei die Grundregeln des gesellschaftlichen Lebens kennenlernen und auch Sprachkenntnisse erwerben können. Darüber hinaus können die in den Arbeitsgelegenheiten gewonnenen Erkenntnisse über die Fähigkeiten und Kenntnisse der Teilnehmenden für weiterführende Maßnahmen zur Integration beziehungsweise Arbeitsförderung genutzt werden. Jährlich sollen bundesweit 100.000 Maßnahmeplätze zur Verfügung gestellt werden. Die Durchführung soll durch die Bundesagentur für Arbeit erfolgen. Der Entwurf der Bundesregierung zu einem Integrationsgesetz sieht in dessen Artikel 1 einen neuen § 421a des Dritten Buches Sozialgesetzbuch (SGB III) „Regelungen zur arbeitsrechtlichen Einordnung der Flüchtlingsintegrationsmaßnahmen“ vor, siehe: http://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2016/0201-0300/266- 16.pdf?__blob=publicationFile&v=1. Darüber hinaus gibt es zur Ausgestaltung des Bundesprogramms noch keine abschließenden Entscheidungen. Die Bundesagentur für Arbeit geht nach derzeitigem Stand davon aus, dass das Integrationsgesetz und die Verwaltungsvereinbarung zur Umsetzung des Programms im Laufe des Juli 2016 in Kraft treten werden. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: Drucksache 21/4740 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 1. Wie viele der anberaumten 100.000 zusätzlichen Ein-Euro-Jobs (Arbeitsgelegenheiten ) für Geflüchtete nach § 16d SGB II sollen in Hamburg und zu welchem Zeitpunkt durch Jobcenter team.arbeit.hamburg und/oder der Arbeitsagentur entstehen und wie verläuft das Ausschreibungsverfahren ? 2. Welchen Platz nimmt Hamburg im Ranking der Bundesländer nach Frage 1. damit ein? Bitte auch die Zahlen der anderen Bundesländer angeben und ins Verhältnis zur Anzahl der in bei Jobcenter team.arbeit.hamburg und Agentur für Arbeit Hamburg gemeldeten Geflüchteten setzen. 3. Welche Zielgruppen sollen explizit mit den zusätzlichen Ein-Euro-Jobs erreicht werden beziehungsweise welches Profil sollen die Geflüchteten erfüllen, um für eine Arbeitsgelegenheit infrage zu kommen? 4. Gibt es ein Mindestsprachniveau an Deutschsprachkenntnissen als Voraussetzung für die Teilnahme an den Arbeitsgelegenheiten für Geflüchtete? Wenn ja, welches? 5. Welche Ziele sollen für die Geflüchteten mit dem Instrument der Arbeitsgelegenheiten erreicht werden? Bitte die Ziele in kurz- und mittelfristige Ziele auflisten und gegebenenfalls eine Erläuterung hinzufügen. 6. Gibt es bereits eine Planung, welche Träger diese Plätze anbieten oder bereit wären, diese zur Verfügung zu stellen? Wenn ja, bitte die einzelne Platzzahl je Träger und geplante Tätigkeit angeben. Wenn nein, gibt es im Allgemeinen bereits angedachte Tätigkeitsprofile für die zusätzlichen Arbeitsgelegenheiten? Siehe Vorbemerkung. 7. Wie viele Arbeitsgelegenheiten sind aktuell und seit 01/2016 gemäß § 5 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) ausgeschrieben und wie viele Teilnehmer/-innen üben diese seit 01/2016 bis aktuell aus? Bitte auflisten nach Träger, Ort, Anzahl und JDW. In der öffentlich-rechtlichen Unterbringung von Zuwanderern und Wohnungslosen (Folgeunterbringung von Geflüchteten) werden keine Arbeitsgelegenheiten angeboten . Dies ist derzeit auch nicht geplant. Unter Berücksichtigung der zu beteiligenden Betreiber und der für Schriftliche Kleine Anfragen vorgesehenen Fristen ist der Verlauf der angebotenen Arbeitsgelegenheiten nicht abbildbar. Es wird deshalb nur der aktuelle Stand der ausgeübten Arbeitsgelegenheiten von Ende Mai angegeben. Aktuell ausgeschriebene Arbeitsgelegenheiten: - 18 Stellen am Behrmannplatz - Vier Stellen am Albert-Einstein-Ring - Fünf Stellen am Hellmesbergerweg Arbeitsgelegenheiten in den Erstaufnahmeeinrichtungen Einrichtung Anzahl Albert-Einstein-Ring 1-3 18 Behrmannplatz 14 Blomkamp 30 Dratelnstraße 20 Flagentwiet 57 Geutensweg 29 Grellkamp 3 Hellmesbergerweg 28 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4740 3 Arbeitsgelegenheiten in den Erstaufnahmeeinrichtungen Einrichtung Anzahl Holstenhof 24 Jenfelder Moorpark 10 Karl-Arnold-Ring 6 Kurdamm 1 Neuland I 25 Neuland II 29 Niendorferstraße 9 Oktaviostraße 22 Osterrade 4 Rugenbarg 92 Schnackenburgallee 81 Schwarzenberg 24 Sportallee/Heselstücken 4 Vogt- Kölln Str. 34 Summe 450 8. Wie hoch ist die derzeit gültige Entlohnung von Arbeitsgelegenheiten gemäß § 5 AsylbLG pro Stunde? Gemäß § 5 Absatz 2 AsylbLG wird für die zu leistende Arbeit eine Aufwandsentschädigung von 1,05 Euro je Stunde ausgezahlt. 9. Wie bewertet der Senat das Instrument der Arbeitsgelegenheiten nach § 16d SGB II für Geflüchtete? Bereits Anfang des Jahres 2015 haben sich die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration (BASFI), Agentur für Arbeit und Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter ) darauf verständigt, „zur arbeitsmarktpolitischen Kompetenzermittlung, Beratung und Vermittlung von Flüchtlingen“ die Ausbildungs- und Arbeitsmarktintegration für die Gruppe der Flüchtlinge mit guter Bleibeperspektive deutlich zu verbessern. Es wurde verabredet, dass neben der zu diesem Zweck erfolgten Einrichtung des Vorhabens work and integration for refugees (W.I.R) gemeinsam analysiert wird, welche Maßnahmen für die nachhaltige Integration in Arbeit geeignet sind. Dabei haben sich die Partner darauf geeinigt, dass für eine nachhaltige Integration in den ersten Arbeitsmarkt grundsätzlich die vorhandenen Maßnahmen des Regelsystems Anwendung finden. Diese werden bedarfsorientiert um vorbereitende, begleitende oder nachhaltende Maßnahmen ergänzt. Dabei müssen Maßnahmen des Spracherwerbs (Integrations- und berufsbezogene Sprachkurse) flexibel mit gleichzeitig stattfindenden Arbeitsförderungsmaßnahmen individuell kombiniert werden können. Festzustellen ist auch, dass der Hamburger Arbeitsmarkt grundsätzlich ein Fachkräftemarkt mit geringem Helferbedarf ist. Vermittlung in Fachkräftetätigkeit und diesbezügliche Anerkennung, Ausbildung und Qualifizierung ist vorrangiges Ziel. Um Flüchtlinge auch in höher- und hochqualifizierte Tätigkeiten zu vermitteln, ist es daher erforderlich, frühzeitig eine Berufsorientierung zu ermöglichen und vorrangig mitgebrachte Kompetenzen anzuerkennen beziehungsweise festzustellen und die Maßnahmen sehr betriebsnah zu gestalten, um so Übergänge zu ermöglichen. Für junge Menschen, die nach ihrem Schulabschluss in Hamburg oder nach Feststellung der ausländischen Bildungskenntnisse durch das Schulinformationszentrum nicht im Hinblick auf ein Studium beraten werden, soll dabei der Vorrang auf den Übergang in betriebliche Ausbildung gelegt werden. Außerdem soll im Rahmen einer Prozesskette eine persönliche Betreuung sichergestellt werden. Erkenntnisse aus Befragungen von Unternehmen und Betrieben machen weiterhin deutlich, dass insbesondere das Handwerk ein erhebliches Interesse an qualifiziertem Personal, nicht an Helferinnen und Helfern hat. Da somit die Zielsetzung in der Identifizierung und Förderung vorhandener Qualifikationen liegt, werden sonstige Maßnahmen wie zum Beispiel § 16d SGB II eher dann in Betracht gezogen werden, wenn im Einzelfall erkennbar ist, dass komplexe – nicht nur Drucksache 21/4740 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 spracherwerbsbezogene – Vermittlungshemmnisse in der Person des Kunden liegen und Maßnahmen daher zunächst auf die Herstellung der Beschäftigungsfähigkeit gerichtet sein sollten.