BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4750 21. Wahlperiode 14.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Karin Prien (CDU) vom 06.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Stößt das Konzept der Inklusion an seine Grenzen? Das „Hamburger Abendblatt“ berichtete in seiner Ausgabe am 4. Juni 2016 von dem zehnjährigen Schüler „Max“, der seit sechs Monaten nicht zur Schule geht, weil er in Hamburgs Regelschulen als unbeschulbar gilt. Selbst nach Aussage seiner Eltern ist Max ständig überfordert. Er reagiert mit Wut und Gewaltausbrüchen. Der Schulleiter der Schule Kielortallee habe im September 2013 mitgeteilt, dass die Inklusion im Falle dieses Jungen gescheitert sei und Max von der Schule verwiesen. Max ist einer von rund 1.500 Schülern in Hamburgs Schulen, der einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich emotionale und soziale Entwicklung hat. In den Regelschulen mit mehr als 20 Kindern in einer Klasse kommt er nicht klar; er benötigt eine kleine Klasse, die von erfahrenen Pädagogen unterrichtet wird. Solche kleinen Lerngruppen gibt es, aber diese sind nur temporär ausgerichtet. In diesen über die ganze Stadt verteilten Lerngruppen werden rund 400 Schüler unterrichtet. Die Eltern des Jungen wollen sich für eine neue Schulform einsetzen, in der sozial-emotional behinderte Kinder dauerhaft in kleinen Klassen unterrichtet werden können. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Wie beurteilt die zuständige Behörde den – dem Artikel des „Hamburger Abendblatts“ vom 4. Juni 2016 zugrunde liegenden – Sachverhalt? Zu dem im Artikel des „Hamburger Abendblatts“ vom 4. Juni 2016 beschriebenen Sachverhalt über einen anonymisiert dargestellten Schüler und seine Bildungsbiografie nimmt die zuständige Behörde aus Gründen des Personen- und Datenschutzes und im Hinblick auf das laufende Verfahren nicht Stellung, um einen Rückschluss auf die betroffenen Personen zu verhindern. Daher können auch keine detaillierteren Aussagen zur Entwicklung der Bildungsbiografie gemacht werden. Von den betroffenen Schulen, den fachlich zuständigen Personen in der für Bildung zuständigen Behörde sowie in den Hilfesystemen wurden bereits seit Beginn der Schulzeit des betroffenen Schülers unterstützende Handlungsoptionen und Lösungsvorschläge gemeinsam erarbeitet, mit den Sorgeberechtigten beraten und umgesetzt. Eine intensive Begleitung für den weiteren Schulbesuch ist geplant. Im Übrigen sind die Beratungen noch nicht abgeschlossen. 2. Ist es richtig, dass der Zehnjährige seit sechs Monaten nicht beschult wird? Nein. 3. Ist es richtig, dass der Schulleiter der Schule Kielortallee mitgeteilt hat, dass die Inklusion im Falle dieses Jungen gescheitert sei? Drucksache 21/4750 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Die Schulleitung hat den Sorgeberechtigten des Kindes mitgeteilt, dass eine weitere Beschulung des Kindes an der bisherigen Schule aus pädagogischen Gründen nicht mehr als zielführend angesehen werde und daher die schulische Betreuung an einem anderen Lernort fortgesetzt werden solle. Zu weiteren Details der Korrespondenz zwischen der Schulleitung und den Sorgeberechtigten kann die zuständige Behörde aus Gründen des Daten- und Persönlichkeitsschutzes nicht Stellung nehmen. 4. Wie ist dies nach Ansicht der zuständigen Behörde mit der Schulpflicht sowie den §§ 1 und 13 des Hamburgischen Schulgesetzes in Einklang zu bringen? 5. Wie viele Schülerinnen und Schüler gab es seit Beginn des Schuljahres 2014/2015, die wegen Unbeschulbarkeit nicht mehr zur Schule gehen? Bitte pro Schuljahr darstellen. a. Wie lange sind die Kinder jeweils nicht mehr zur Schule gegangen? b. Besuchten diese Kinder zuvor jeweils eine temporäre Lerngruppe? Falls ja, wie lange waren sie anschließend jeweils wieder in der Regelklasse, bevor sie für unbeschulbar erklärt wurden? Grundsätzlich können alle in Hamburg schulpflichtigen Kinder und Jugendlichen ihre Schulpflicht erfüllen. Hierfür stehen Schulen sowie bei Bedarf ergänzende oder alternative Lernorte, gegebenenfalls auch außerhalb Hamburgs, in besonderen Lerngruppen zur Verfügung. Für den Fall einer Schulpflichtverletzung sieht das Hamburgische Schulgesetz ausgehend von §§ 37 bis 40 in Verbindung mit § 28 Absatz 2 ein geregeltes Verfahren auf der Grundlage der Richtlinie für den Umgang mit Schulpflichtverletzungen vor. 6. Wie viele temporäre Lerngruppen sind an welchen Standorten für Hamburgs Schülerinnen und Schüler eingerichtet? 7. Wie viele Schülerinnen und Schüler haben seit Beginn des Schuljahres 2014/2015 diese temporären Lerngruppen besucht? Bitte pro Schuljahr und Standort darstellen. Gemäß Rahmenvereinbarung „Regionale Kooperationen zwischen Schule und Jugendhilfe für die Bildung und Betreuung von Kindern und Jugendlichen mit besonders herausforderndem Verhalten“ (http://www.hamburg.de/infos-fuer-fachkraefte/ 3752888/rahmenvereinbarung-schule-jugendhilfe/) sind aktuell an insgesamt 58 Standorten Kooperationsangebote zwischen Schule und Jugendhilfe, orientiert an zwei unterschiedlichen Angebotsmodellen, eingerichtet worden. An 41 Standorten werden integrierte Angebote innerhalb von Schulen und an 17 Standorten temporäre Lerngruppen außerhalb von Schulen, überwiegend in Regionalen Bildungs- und Beratungszentren (ReBBZ), realisiert. Da alle Angebote das Ziel haben, Schülerinnen und Schüler in die Regelschulen zu reintegrieren, sind diese individuell und bedürfnisorientiert gestaltet und auf maximal zwei Jahre befristet. Zu Standorten, Platzzahlen der Angebote sowie Nutzung durch Schülerinnen und Schüler seit dem Schuljahr 2014/2015 siehe Anlagen 1 und 2. 8. Welche Erkenntnisse liegen der zuständigen Behörde darüber vor, wie Eltern betroffener Schüler sowie Lehrer die Frage des Verbleibs der sozial-emotional behinderten Kinder in den Regelklassen beurteilen? In der überwiegenden Mehrzahl der Fälle sind die angesprochenen Gruppen mit dem gemeinsamen Lernen in Regelklassen zufrieden. Werden in Einzelfällen die Beschulung in Regelklassen ergänzende beziehungsweise weiterführende Unterstützungsangebote benötigt, werden diese regelhaft mit den Sorgeberechtigten abgestimmt. 9. Welche Planungen bestehen seitens der zuständigen Behörde zur Zukunft von derart „unbeschulbaren“ Kindern? Siehe Antwort zu 4. bis 5. b. Im Hinblick auf besondere Herausforderungen werden jeweils individuelle Lösungen gemeinsam mit den Eltern entwickelt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4750 3 10. Wie viele körperliche Übergriffe von Schülern auf Lehrer hat es seit dem Schuljahr 2014/2015 gegeben? Bitte pro Schuljahr angeben. Im Kalenderjahr 2014 hat es 225 Übergriffe gegen schulisches Personal gegeben, im ersten Halbjahr 2015 (bis Juli 2015) wurden 135 Vorfälle dokumentiert. Hierbei kann es sich zum Teil auch um Übergriffe Dritter gegen schulisches Personal handeln. Für das Schuljahr 2015/2016 liegt noch keine Daten vor (siehe Drs. 21/4356). 11. Die meisten der Kinder, die einen sonderpädagogischen Förderbedarf im Bereich emotionale und soziale Entwicklung haben, sind auf einen Schulbegleiter angewiesen. a. Was geschieht, wenn ein Schulbegleiter zum Beispiel wegen Krankheit ausfällt? b. Welche Vertretungsregelungen bestehen, wenn ein Schulbegleiter ausfällt? Bei Ausfällen von Schulbegleitungen sind die Träger angehalten, einen personellen Ersatz zu stellen. Diese Leistungen können dann im Rahmen der gewährten Bewilligung abgerechnet werden. c. Wie viele Schulbegleiter sind über freie Träger eingesetzt? Im Rahmen der behördeninternen Datenerfassung wird nicht die faktische Anzahl der Begleitpersonen, sondern lediglich die Anzahl der schülerbezogen bewilligten Schulbegleitungsmaßnahmen erfasst. In der konkreten Umsetzung besteht sowohl die Möglichkeit , dass eine Begleitperson im Rahmen einer Kombinationsbewilligung zwei Schülerinnen oder Schüler betreut als auch, dass eine Begleitung im Verlauf einer Woche, etwa aufgrund der langen Präsenzzeiten in der Schule (einschließlich Randzeitenbetreuung ), durch mehrere Personen erfolgt. Im Schuljahr 2015/2016 wurden bislang 1.922 über Träger geleistete Schulbegleitungsmaßnahmen bewilligt. Dabei ist zu berücksichtigen, dass es im Verlauf des Schuljahres gerade bei Schülerinnen und Schülern mit sonderpädagogischem Förderbedarf im Bereich der emotionalen und sozialen Entwicklung zu mehreren, zeitlich aufeinander folgenden Bewilligungen kommen kann. d. Inwiefern bestehen gegebenenfalls aus welchem Grund unterschiedliche Handhabungen der Vertretungsregelungen von Schulbegleitungen in den Verträgen mit den einzelnen freien Trägern? Es gibt keine Unterschiede hinsichtlich der Vertragsgestaltung mit den freien Trägern. Drucksache 21/4750 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage 1 Temporäre Lerngruppen: (Modell I) Integrierte Angebote Zuständiges ReBBZ Standort des Angebotes Angebotsmodell Anzahl Plätze* Laufendes Angebot im Schuljahr ReBBZ Billstedt GS Speckenreye Integriertes Angebot 10 14/15 15/16 ReBBZ Billstedt GS Mümmelmannsberg Integriertes Angebot 7 14/15 15/16 ReBBZ Billstedt StS Horn Integriertes Angebot 9 14/15 15/16 ReBBZ Billstedt StS Öjendorf Integriertes Angebot 9 14/15 15/16 ReBBZ Billstedt ReBBZ Steinfeldstr. Integriertes Angebot 9 14/15 15/16 ReBBZ Billstedt StS Öjendorf Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Wilhelmsburg GS An der Burgweide Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Billstedt StS Brüder Grimm Integriertes Angebot 12 14/15 15/16 ReBBZ Wilhelmsburg GS Stübenhofer Weg Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Wilhelmsburg GS Auf der Veddel Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Wilhelmsburg GS Kirchdorf-Süd Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Wilhelmsburg StS Auf der Veddel Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Wilhelmsburg Industriestr. 107 21107 Hamburg Integriertes Angebot 10 15/16 ReBBZ Wilhelmsburg StS Nelson-Mandela Integriertes Angebot 8 14/15 15/16 ReBBZ Wilhelmsburg StS Stübenhofer Weg 20 Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Wilhelmsburg GS Fährstraße und Perlstieg GS Rotenhäuser Damm Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Altona StS Kurt-Tucholski Integriertes Angebot 15 14/15 15/16 ReBBZ Altona- West StS Lurup Integriertes Angebot 10 14/15 15/16 ReBBZ Altona- West StS Geschwister Scholl Integriertes Angebot 10 14/15 15/16 ReBBZ Eimsbüttel StS Ida-Ehre-Schule Integriertes Angebot 10 14/15 15/16 ReBBZ Eimsbüttel StS Stellingen Integriertes Angebot 7 14/15 15/16 ReBBZ Eimsbüttel StS Eidelstedt Integriertes Angebot 10 14/15 15/16 ReBBZ Eimsbüttel GS Lohkampstr. Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Eimsbüttel GS Fuhrweg Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Eimsbüttel GS Vicelinstr. (mit 6 Jahrgängen) Integriertes Angebot 10 14/15 15/16 ReBBZ Nord StS Fritz-Schuhmacher Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Nord StS Am Heidberg Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Winterhude StS Helmut Hübener Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Winterhude StS Alter Teichweg Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Wandsbek-Süd StS Otto-Hahn-Schule Integriertes Angebot 10 14/15 15/16 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4750 5 Zuständiges ReBBZ Standort des Angebotes Angebotsmodell Anzahl Plätze* Laufendes Angebot im Schuljahr ReBBZ Wandsbek- Nord StS Poppenbüttel Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Bergedorf StS Lohbrügge Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Bergedorf StS Richard-Linde-Weg Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Bergedorf GS Mendelstr. Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Bergedorf GS Adolf-Diester-Weg Integriertes Angebot 10 14/15 15/16 ReBBZ Bergedorf GS Clara-Grunwald Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Bergedorf StS Bergedorf Integriertes Angebot 5 14/15 15/16 ReBBZ Harburg StS Lessing, Standort Sinsdorfer Weg 40 Integriertes Angebot 12 14/15 15/16 ReBBZ Süderelbe Bildungsteil Frieda Stoppenbrink- Schule Integriertes Angebot 4 14/15 15/16 ReBBZ Süderelbe StS Süderelbe Integriertes Angebot 10 14/15 15/16 ReBBZ Süderelbe GS Ohrnsweg Integriertes Angebot 6 15/16 Quelle: interne Daten der zuständigen Behörde; Stand Juni 2016 *Die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die die Angebote pro Schuljahr besuchen, wird von der zuständigen Behörde nicht erfasst. StS: Stadtteilschule GS: Grundschule ReBBZ: Regionales Bildungs- und Beratungszentrum ReBBZ Temporäre Lerngruppen Modell II Schuljahr 14/15 Schuljahr 15/16 Anzahl der SuS Anzahl der SuS Stand Februar 16 Altona 0 * 3 Altona West Gruppe 1 7 5 Altona West Gruppe 2 6 5 Bergedorf 11 5 Bergedorf- Gruppe mit psych. Indik. Start 12-15 0 * 2 Billstedt 16 8 Eimsbüttel Beginn ab November 2014 5 5 Harburg- Beginn ab März 2014 5 6 Mitte 14 11 Nord 5 6 Süderelbe 11 5 Winterhude, Winterhuder Weg 11 4 Winterhude- Brucknerstraße 0 * 6 Wandsbek Nord 6 3 Wilhelmsburg / Gangway, Gruppe 1 / Krieterstraße 6 4 Wilhelmsburg/GSI- Gruppe 2/Kaiserufer 6 5 Wilhelmsburg GSI- Gruppe 3 4 4 * Angebot wurde zum Schuljahr 2015/16 eingerichtet Quelle: Interne Daten der zuständigen Behörde, Stand 2/2016 ReBBZ Drucksache 21/4750 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6 Anlage 2 4750ska_Text 4750ska_Anlage2