BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4757 21. Wahlperiode 14.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Wieland Schinnenburg und Michael Kruse (FDP) vom 06.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Suchtgefahren durch neue elektronische Medien Es gibt immer häufiger Meldungen, dass die neuen elektronischen Medien Süchte auslösen. Wir fragen den Senat: Seit mehreren Jahren werden zunehmend Formen exzessiver bis suchtartiger Computer - und Internetnutzung beobachtet. In wissenschaftlichen und medialen Diskursen wird das Phänomen mit unterschiedlichen Begriffen wie „Computerspieleabhängigkeit“ oder „Internetsucht“ bezeichnet. Störungen im Umgang mit „neuen“ elektronischen Medien werden in der Öffentlichkeit und bei den Betroffenen selbst als Sucht beziehungsweise Abhängigkeit wahrgenommen. Tatsächlich ist dies jedoch im internationalen Klassifikationssystem medizinischer Krankheiten nicht anerkannt. Inzwischen liegen zwar einige Instrumente zur Diagnostik vor, es besteht jedoch kein Einvernehmen hinsichtlich valider und einheitlicher Diagnosekriterien. Als gesichert gilt, dass eine hohe Komorbidität zu anderen psychischen Störungen vorhanden ist. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Fälle von süchtigem oder suchtähnlichem Verhalten in Bezug auf neue elektronische Medien gab es in Hamburg in den Jahren 2010 – 2015? Bitte nach Jahren aufschlüsseln. Für den genannten Zeitraum liegen der zuständigen Behörde keine Daten vor. Aufgrund einer Befragung der Hamburgischen Landestelle für Suchtfragen e.V. (HLS) aus den Jahren 2012 und 2013 kommen durchschnittlich 5 Prozent aller Beratungssuchenden auch aufgrund einer problematischen Mediennutzung in die Hamburger Suchtberatungsstellen. Bezogen auf die in Hamburg erreichten Klientinnen und Klienten sind dies schätzungsweise 800 Personen. 2. Wie viele stationäre Therapieplätze gibt es für solche Klienten? Da die Verhaltensauffälligkeiten in Bezug auf neue elektronische Medien häufig in Kombination mit anderen psychischen Störungen stehen (Depression, Angsterkrankungen , Störungen des Sozialverhaltens et cetera), ist grundsätzlich jede psychiatrische Klinik und Abteilung in der Lage, hier ein therapeutisches Angebot zu machen. Speziell für die Behandlung für Suchterkrankungen stehen in Hamburger Krankenhäusern 152 stationäre und 36 teilstationäre Plätze, in den Einrichtungen der Eingliederungshilfe 328 stationäre und 151 teilstationäre Plätze sowie im Bereich der medizinischen Rehabilitation 379 stationäre und 61 teilstationäre Plätze zur Verfügung. Drucksache 21/4757 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 3. Wie viele ambulante Angebote gibt es für solche Klienten? In Hamburg werden ambulante Angebote in 27 Suchtberatungsstellen vorgehalten. Von diesen haben drei einen speziellen Beratungsschwerpunkt „problematischer Umgang mit elektronischen Medien“. Darüber hinaus bietet die Drogenambulanz des Deutschen Zentrums für Suchtfragen des Kindes- und Jugendalters (DZSKJ) Unterstützung an. 4. Wie lang sind die Wartezeiten auf eine Therapie im stationären und ambulanten Bereich? Bei akuter stationärer Behandlungsnotwendigkeit gibt es in den Hamburger Krankenhäusern mit Abteilungen für Psychiatrie und Psychotherapie sowie Kinder- und Jugendpsychiatrie keine Wartezeiten. Für den ambulanten Bereich sind der zuständigen Behörde keine Wartezeiten bekannt. 5. Was unternehmen der Senat und die zuständigen Behörden gegen solche Suchtgefahren? Die zuständige Behörde verfolgt aufmerksam die Entwicklung der Nutzung elektronischer Medien unter dem Aspekt der dysfunktionalen Nutzung. Um Fehlverhalten vorzubeugen , liegt ein Fokus auf der Umsetzung präventiver Maßnahmen. Vor dem Hintergrund einer frühen Intervention hält das SuchtPräventionsZentrum (SPZ) des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) zum Thema Digitale Medien und Suchtgefahren folgende Angebote bereit: In Kooperation mit anderen Präventionsfachstellen wurde das Lernarrangement „Mediennutzung von Jugendlichen: Chancen und Risiken“ mit Unterrichtswerkstatt für die Klassen 7 bis 10 entwickelt und wird Hamburger Schulen zur Verfügung gestellt. Das SPZ berät und bildet schulische Pädagoginnen und Pädagogen zur Umsetzung dieses Unterrichtsangebotes fort. In Kooperation mit dem Arbeitsbereich Gender des LI werden spezifische Fortbildungen für pädagogische Fachkräfte zum Thema „Ich zock´ doch nur! – Mediennutzung von Jungen: Chancen und Risiken“; mit dem Referat Medienpädagogik des LI „Jugendliche Spielwelten: Faszination oder Risiko?“ und gemeinsam mit der Beratungsstelle Gewaltprävention „Digitale Medien und Cybermobbing: Chancen und Risiken, Prävention und Intervention“ angeboten. Im „Hamburger Medienpass“, einem Unterrichtsangebot des Referates Medienpädagogik, wird das Thema exzessive Mediennutzung im Modul „Computerspiele“ ebenfalls aufgegriffen (siehe http://li.hamburg.de/ medienpass-computerspiele/). Des Weiteren bietet das SPZ schulische Elterninformationsabende zum Themenbereich Digitale Medien und Suchtgefahren an, dies zum Teil gemeinsam mit der Beratungsstelle Gewaltprävention der Behörde für Schule und Berufsbildung (siehe http:// li.hamburg.de/angebote-fuer-eltern-jugendliche/4348132/angebote-fuer-elternelternabend /). Sucht.Hamburg gGmbH als landesweite Fachstelle für Suchtfragen koordiniert den interdisziplinären Arbeitskreis „Enter, Escape, Control, Return“, der sich mit der Entwicklung und den Folgen des Medienkonsums auseinandersetzt. Darüber hinaus bietet die Fachstelle mit Unterstützung der Techniker Krankenkasse das Projekt „Netz mit Web-Fehlern?“ an (siehe http://www.webfehler-hamburg.de/). Fortbildungen für Fachkräfte und Informationsabende für Eltern sowie Workshops zur Medienkompetenzförderung bei Kindern und Jugendlichen sind Bestandteil des Projekts.