BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4770 21. Wahlperiode 14.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Carsten Ovens (CDU) vom 07.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Steht das renommierte HWWI vor dem Aus? Was unternimmt Hamburgs Wissenschaftssenatorin Fegebank? Das Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut (HWWI) wurde 2005 gegründet, um Teile der Forschungsarbeit des Hamburgischen Welt-Wirtschafts-Archivs (HWWA) weiterzuführen, welches Ende 2006 aufgrund schlechter Evaluationsergebnisse von der öffentlichen Förderung ausgeschlossen wurde. Das HWWI ist heute ein renommiertes, wenngleich ausschließlich privates Institut und versteht sich als Think Tank. Es wird von der Handelskammer Hamburg und der Universität Hamburg als Gesellschafter getragen. Die Finanzierung des HWWI erfolgt durch eine langfristige Partnerschaft mit der Berenberg Bank, der Bucerius Law School Hamburg, der Hamburger Sparkasse , der Handelskammer Hamburg, der Hamburg School of Business Administration und der HSH Nordbank. Berichten zufolge erwägt die Universität Hamburg nun den Verkauf ihrer Anteile am Hamburger Weltwirtschaftsinstitutes (HWWI), nachdem das Institut betriebswirtschaftlich in Schieflage geraten ist und 2014 sowie 2015 höhere Verluste aus Rücklagen ausgleichen musste. Für die Wissenschaftspolitik des rot-grünen Senats bedeutet dies eine weitere Kerbe in der Liste von Pleiten , Pech und Pannen. In Anbetracht der Bedeutung des HWWI für Hamburg stellt sich die Frage, inwiefern die Wissenschaftsbehörde von der wirtschaftlichen Schieflage informiert war und was sie als zuständige Aufsichtsbehörde der Universität Hamburg unternommen hat. Darüber hinaus stellen sich weitere Fragen, die nachfolgend bitte ohne Verweis auf andere Drucksachen zu beantworten sind. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Die Hamburgische WeltWirtschaftsInstitut gemeinnützige GmbH (HWWI) ist eine unabhängige Beratungs- und Forschungseinrichtung, die wirtschaftspolitisch relevante ökonomische und sozioökonomische Trends analysiert. Sie wird gemeinsam von der Handelskammer Hamburg (HK) und Universität Hamburg (UHH) mit Gesellschafteranteilen zu je 50 Prozent getragen. Mit ihren insbesondere auf die Bedarfe der Wirtschaft ausgerichteten Analysen und Beratungsleistungen stellt sie ein spezifisches Angebot in Hamburg zur Verfügung. Aus diesem Grund und wegen der notwendigen wirtschaftlichen Konsolidierung haben sich die beiden Gesellschafter im Jahr 2015 für eine Neuausrichtung mit dem Verkauf der Gesellschafteranteile der UHH an die HK entschieden, die die starke Position des HWWI im Bereich der anwendungsorientierten Forschung stärker profilieren soll. Das Konzept, das von den zuständigen Behör- Drucksache 21/4770 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 den begrüßt wird, sieht eine Verschlankung der Gesellschaft bei Rückführung wesentlicher Kostenpositionen inklusive der Personal- und Mietkosten vor, um die Abhängigkeit von freien Zuwendungen zu reduzieren. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen unter anderem auf Basis von Auskünften der UHH wie folgt: 1. Wie bewerten Senat beziehungsweise zuständige Behörde und die Universität Hamburg die Arbeit und den Erfolg des HWWI sowie dessen Bedeutung für den Wissenschaftsstandort Hamburg? Siehe Vorbemerkung. 2. Wie hoch waren die Gewinne und Verluste des HWWI in den Jahren 2012, 2013, 2014 und 2015? In welcher Art und Weise wurden etwaige Verluste konkret ausgeglichen? Bitte detailliert nach Jahren darstellen. 2012 2013 2014 2015 TEUR TEUR TEUR TEUR Jahresergebnis 141 69 -617 -475 Eigenkapital (EK) 788 857 240 0 Nicht durch EK gedeckter Fehlbetrag -85 Verwendung Einstellung in Gewinnrücklagen Einstellung in Gewinnrücklagen Entnahme aus Gewinnrücklagen Entnahme aus Kapitalrücklage (TEUR 150) sowie Entnahme aus Gewinnrücklagen 3. Liegen die Geschäftsberichte des HWWI für die Jahre 2012, 2013, 2014 und 2015 bereits vor? Wenn ja: seit wann? Und wann erhielten die Universität Hamburg und der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde diese Geschäftsberichte jeweils zur Kenntnis? Wenn nein: Warum liegen die Geschäftsberichte noch nicht vor und wann ist mit den Berichten zu rechnen? 2012 2013 2014 2015 Geschäftsbericht/ Jahresabschluss liegt vor liegt vor liegt vor liegt vor, noch nicht testiert Wenn ja, seit wann (Testatsdatum): erstellt 29.03.2013 27.05.2014 31.03.2015 31.03.2016 geprüft (Testatsdatum) 30.04.2013 27.05.2014 01.06.2015 - vorgelegen bei UHH 01.08.2013 23.06.2014 30.06.2015 08.06.2016 4. Wie hoch waren beziehungsweise sind in den Jahren 2012, 2013, 2014, 2015 und 2016 die Betriebskosten des HWWI, insbesondere die Personalkosten und die Mietkosten? Und wie hoch waren die Gesamtkosten des HWWI sowie der Zuschuss der Universität Hamburg an das HWWI in diesen Jahren? Bitte differenziert nach Jahren darstellen. 2012 2013 2014 2015 01-05/2016 TEUR TEUR TEUR TEUR TEUR Betriebskosten Personalkosten 1.485 1.708 1.878 1.396 413 Raumkosten 264 277 281 270 104 Gesamtkosten 2.750 3.059 3.333 2.309 675 Zuschuss der UHH 0 0 33 250 100 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4770 3 5. Sind der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde und/oder die Universität als Gesellschafter in den Aufsichtsgremien (Kuratorium, Wissenschaftlicher Beirat, Aufsichtsrat vertreten)? Wenn ja: seit wann und durch wen? Wenn nein: warum nicht? Die Aufsicht über die Gesellschaft erfolgt über die Gesellschafter HK und UHH in der Gesellschafterversammlung. Die UHH war seit Gründung des HWWI im Jahr 2005 in den Gesellschafterversammlungen durch Mitglieder des jeweils amtierenden Präsidiums vertreten. 6. An wen soll das HWWI verkauft werden? Wer trägt dabei die entstehenden Kosten und eventuell weitere Verluste? Siehe Vorbemerkung. Die Veräußerungskosten (zum Beispiel Notar, Handelsregister) und eventuelle weitere Verluste trägt die Gesellschaft. 7. Wie bewertet die zuständige Behörde einen möglichen Wechsel des Instituts von der Universität Hamburg an eine andere Institution? Laufen bereits erste Gespräche oder eventuell konkrete Verhandlungen? Wenn ja: mit welchem Stand und welchen bisherigen Vereinbarungen? Welche Szenarien sind denkbar? 8. Wann genau erhielten der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde und die Universität wie genau Kenntnis von der „wirtschaftlichen Schieflage“ des HWWI? Was genau unternahmen die Universität Hamburg und der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde, um die angelaufenen Verluste auszugleichen und weitere Verluste des HWWI sowie eine drohende Insolvenz des HWWI abzuwenden beziehungsweise welche Maßnahmen wurden für die Abwendung der Insolvenz im Detail getroffen? 9. Wann hatte der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde Kenntnis von dem geplanten Verkauf der Anteile der Universität Hamburg? Gab es im Vorwege des geplanten Verkaufs der HWWI-Anteile der Universität Hamburg Gespräche zwischen Universität und zuständiger Behörde zum geplanten Verkauf der HWWI-Anteile? Wenn ja: wann und mit welchem Ergebnis? Und welche Maßnahmen entwickelte der Senat, um einen möglichen Verkauf der Universitätsanteile am HWWI abzuwenden? Wenn nein: warum nicht? Die zuständigen Behörden wurden im Januar 2015 von der UHH über die wirtschaftliche Lage des HWWI nachrichtlich informiert. Da sich aufgrund auslaufender Verträge mit strategischen Geschäftspartnern eine negative Entwicklung der wirtschaftlichen Lage für das Geschäftsjahr 2015 abzeichnete, wurde aus städtischen Mitteln über die UHH ein Zuschuss in Höhe von 150.000 Euro gezahlt. Auf der Gesellschafterversammlung vom 02.12.2015 wurden konkrete Eckpunkte der Übernahme des Gesellschafteranteils zwischen UHH und HK abgestimmt. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 10. Ist es richtig, dass die Universität Hamburg ihren Anteil am HWWI an die Handelskammer Hamburg verkaufen will? Wenn ja: Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde diesen Plan? Siehe Vorbemerkung. 11. Ist es richtig, dass dieser Verkauf nur interimsmäßig erfolgen soll und im Anschluss ein weiterer Verkauf geplant ist? Wenn ja: an wen und warum? Wie bewertet der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde dieses Vorgehen? Drucksache 21/4770 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Hierzu liegen den zuständigen Behörden keine Informationen vor. 12. Inwieweit muss die zuständige Behörde als Aufsichtsbehörde über den Verkauf der Universitätsanteile an die Handelskammer beziehungsweise über den angedachten Weiterverkauf mitentscheiden? Und welche weiteren staatlichen Stellen sind an einem solchen Verkauf und Weiterverkauf beteiligt? Bevor die Freie und Hansestadt Hamburg – hier mittelbar: die UHH – Anteile an einem Unternehmen ganz oder zum Teil veräußert, ist die Einwilligung der für die Finanzen zuständigen Behörde einzuholen (§ 65 Absatz 2 LHO). Gemäß § 95 Absatz 1 Nummer 3 LHO ist der Rechnungshof zu unterrichten. Des Weiteren ist gemäß Artikel 72 Absatz 3 der Hamburgischen Verfassung die Einwilligung der Bürgerschaft einzuholen. 13. Wann und zu welchen Konditionen sollen der Verkauf an die Handelskammer und der Weiterverkauf stattfinden? Vorbehaltlich der Zustimmung der Bürgerschaft soll die Veräußerung der Anteile der Universität an die Handelskammer zum Herbst 2016 zum Buchwert von 1 Euro erfolgen . Im Übrigen siehe Antwort zu 11. 14. Übernimmt im Falle des Verkaufs die Handelskammer alle laufenden Kosten des HWWI? Wenn ja: In welcher Höhe fallen diese pro Jahr an? Wenn nein: Wer trägt die Kosten dann (anteilig)? Siehe Vorbemerkung. Zur Höhe der zukünftigen Kosten der HK nach dem Verkauf der Gesellschafteranteile der UHH können zurzeit keine Angaben gemacht werden. 15. Übernimmt bei einem möglichen Weiterverkauf der neue Käufer das HWWI mit allen anfallenden Kosten? Siehe Antwort zu 11. 16. Trägt die Freie und Hansestadt Hamburg zukünftig anteilig direkt oder indirekt irgendwelche Kosten des HWWI? Eine anteilige Finanzierung durch die Freie und Hansestadt Hamburg ist zukünftig nicht geplant. 17. Gibt es aufseiten der Gesellschafter des HWWI, beim HWWI selber und/ oder beim Senat ein Konzept zur strategischen Neuausrichtung des HWWI? Wenn ja: Seit wann und welche strategischen, inhaltlichen, finanziellen und personellen Punkte beinhaltet dieses Konzept? Und liegt dieses Konzept dem Senat beziehungsweise der zuständigen Behörde vor? Wenn nein: warum nicht? Und wann wird dieses Konzept vorliegen und wann sowie in welcher Art und Weise wird der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde damit befasst? Siehe Vorbemerkung.