BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4773 21. Wahlperiode 14.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dora Heyenn (fraktionslos) vom 07.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Wozu noch Schulinspektion? Im Jahr 2006 wurde mit der Änderung des Schulgesetzes vom damaligen CDU-Senat die umstrittene Schulinspektion eingeführt. Als ein „mittelfristiges Ziel der Schulinspektion“ war seinerzeit „die Verbesserung der Qualität der Schulen durch systematische Aufbereitung schulbezogenen Wissens und dessen Rückmeldung an alle Schulen“ versprochen worden (Drs. 18/3780, Seite 18). Oder wie es in der Schrift „Schulinspektion in Hamburg“ heißt: „Schulinspektionen sollen dazu beitragen, Schülerleistungen zu verbessern. Dies, so die Erwartung, soll gelingen, indem sie Schulen durch die Rückmeldung beobachteter Stärken und Schwächen Impulse für die Weiterentwicklung von Schule und Unterricht liefern“ (Marcus Pietsch, Ann-Katrin van den Ham & Olaf Köller, Wirkungen von Schulinspektion: Ein Rahmen zur theoriegeleiteten Analyse von Schulinspektionseffekten in: Marcus Pietsch, Barbara Scholand, Klaudia Schulte (Hrsg.), Schulinspektion in Hamburg. Der erste Zyklus 2007–2013: Grundlagen, Befunde, Perspektiven, Münster 2015, Seite 117). Bisher liegen von der Schulinspektion drei Jahresberichte vor, und zwar für die Jahre 2008, 2009 – 2010 sowie 2011 – 2012. Seitdem gibt es keine Jahresberichte mehr. Die Öffentlichkeit wird nicht mehr informiert. Der letzte Jahresbericht 2011 – 2012 war zu einem vernichtenden Ergebnis gekommen. Dort heißt es (Seite 16): „Für alle Trendaussagen lässt sich jedoch feststellen, dass die beobachteten Veränderungen eher marginal sind. Seit dem Jahresbericht 2009–2010, dem Daten aus Inspektionen der Schuljahre 2008/2009 und 2009/2010 zugrunde lagen, hat die Schulinspektion keine wesentlichen Veränderungen der prozessualen Stärken und Schwächen im Hamburger Bildungssystem nachweisen können“. Und weiter: „Für die Punkte „Personal entwickeln“ (1.2), „Unterrichten, Lernen, Erziehen“ (2.2) und „Prozesse und Ergebnisse evaluieren“ (2.5) zeigt sich darüber hinaus ein stabil negativer Trend im Vergleich zum ersten Jahresbericht 2008.“ Also gerade in der Kernkompetenz „Unterrichten“ ist es schlechter geworden. Der Senat aus SPD und GRÜNEN hat im Koalitionsvertrag das Ziel ausgegeben , dass er die „Unterrichtsqualität verbessern“ will (Seite 83). Zwar wird nicht mehr wie im „Arbeitsprogramm“ des SPD-Senats von 2011 der Schulinspektion eine Schlüsselstellung bei der Zielerreichung eingeräumt, aber es wird weiterhin an den Schulinspektionen festgehalten. Es wird viel Geld und Personal für etwas ausgegeben, was bisher kaum zu den versprochenen Verbesserungen geführt hat. In der Schrift „Schulinspektion in Hamburg“ heißt es dazu: „Eine Vielzahl von Studien zur Wirksamkeit von Schulinspektionen zeigt jedoch, dass dieses Ziel häufig nicht erreicht wird oder sogar Drucksache 21/4773 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 nicht‐intendierte Nebeneffekte beobachtbar sind.“ Und weiter: „Insgesamt findet sich somit auch zehn Jahre nach Einführung der ersten Schulinspektorate in Deutschland eine uneindeutige Befundlage, die keine kohärente Einschätzung darüber ermöglicht, ob Schulinspektionen ein Instrument sind, von dem erwartet werden kann, dass es zu einer Verbesserung von Schul- und Unterrichtsqualität und infolge dessen zu einer Steigerung von Schülerleistungen führt.“ Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. In der Mitteilung des Senats an die Bürgerschaft zur „Schulreform in Hamburg“ vom 21.02.2006 heißt es (Drs. 18/3780, Seite 13) „Die Schulinspektion veröffentlicht jährlich einen Bericht, der über ihre Aktivitäten insgesamt informiert und übergreifende Erkenntnisse aus den Einzelinspektionen zusammenfassend dokumentiert und mit weiteren Informationen zum Hamburger Schulwesen verknüpft.“ Warum wird die Öffentlichkeit entgegen diesem Versprechen seit 2012 nicht „jährlich“ in einem Bericht über die Arbeit und die Ergebnisse der Schulinspektion informiert ? 2. Sind Jahresberichte der Schulinspektion für die Jahre nach 2012 geplant? Wenn ja, in welcher Form und für wann? Wenn nein, warum nicht? Die Öffentlichkeit ist im Jahr 2015 im Rahmen der in der Vorbemerkung genannten Veröffentlichung umfassend über Befunde und Ergebnisse der Hamburger Schulinspektion informiert worden (Pietsch, M., Scholand, B. und Schulte, K. (2015.), Schulinspektion in Hamburg. Der erste Zyklus 2007–2013: Grundlagen, Befunde, Perspektiven . Münster: Waxmann), siehe https://www.waxmann.com/fileadmin/ media/zusatztexte/3278Volltext.pdf. Über die bisherigen Jahresberichte hinausgehend werden dort die Daten aller Hamburger Schulen ausgewertet. Nach dieser Gesamtauswertung des 1. Zyklus erfolgt nun wieder eine auf einzelne Schuljahre bezogene Jahresberichterstattung bis zur Vollendung des 2. Zyklus. Der kommende Jahresbericht , der auf Daten aus dem Schuljahr 2014/2015 basiert, wird kurz nach den Sommerferien dieses Jahres erscheinen. 3. Die Schulinspektionen gingen nach 2012 weiter. Was waren die wichtigsten Erkenntnisse der Jahre nach 2012 aus der Schulinspektion? Bitte für jedes Jahr benennen. Eine aggregierte Auswertung der Daten erfolgt im Rahmen der Jahresberichte. Für den gesamten 1. Zyklus siehe Antwort zu 1. und 2. Die Ergebnisse für das darauf folgende Schuljahr 2014/2015 werden im kommenden Jahresbericht veröffentlicht, siehe Antwort zu 1. und 2. 4. Hat die Schulinspektion zu messbaren Verbesserungen des Unterrichts in den Schulen geführt? Wenn ja, bitte die gemessenen Verbesserungen nach Schulform und Sozialindex aufführen. Siehe Jahresberichte der Schulinspektion für die Schuljahre 2009/2010 sowie 2010/ 2011 (http://www.hamburg.de/bsb/schulinspektion/publikationen/) und den kommenden Jahresbericht für das Schuljahr 2014/2015. 5. Wie ist der Stand der Diskussion in der KMK über die Schulinspektion und wie ist der Stand der jährlichen Berichterstattung seit 2012 in den verschiedenen Bundesländern? In ihrer „Gesamtstrategie zum Bildungsmonitoring“ aus dem Juni 2015 hat die KMK neben VERA, Sprachstandsmessungen und landesspezifischen Leistungsvergleichsmessungen die Schulinspektion beziehungsweise externe Evaluation wie auch die interne Evaluation als Teil einer umfassenden schulischen Qualitätssicherung ausge- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4773 3 wiesen: „Dazu gehören in fast allen Ländern Verfahren zur externen Evaluation der einzelnen Schule, in deren Rahmen Schulen regelmäßige und systematische Rückmeldungen über Stärken und Schwächen, insbesondere über die Qualität von Unterrichtsprozessen , erhalten.“ (https://www.kmk.org/fileadmin/Dateien/ veroeffentlichungen_beschluesse/2015/2015_06_11-Gesamtstrategie- Bildungsmonitoring.pdf, Seite 15). 6. Wie haben sich die Gesamtkosten der Schulinspektion seit ihrer Einführung entwickelt? Bitte Gesamtkosten sowie Personal- und Sachkosten (ohne die Kosten bei den Schulen) nach Jahren aufschlüsseln. Jahr Personalkosten in € Sachkosten in € Gesamtkosten 2006 1.017.596 110.000 1.127.596 2007 1.144.600 110.000 1.254.600 2008 1.167.600 110.000 1.277.600 2009 1.288.400 110.000 1.398.400 2010 1.249.000 110.000 1.359.000 2011 1.285.200 110.000 1.395.200 2012 971.700 110.000 1.081.700 2013 918.900 110.000 1.028.900 2014 959.809 110.000 1.069.809 2015 970.268 110.000 1.080.268 2016 1.007.070 110.000 1.117.070 Quelle: Daten der zuständigen Behörde 7. Plant der Senat die Fortführung des Instruments der Schulinspektion? Bitte begründen. Ja. Sowohl auf einzelschulischer Ebene als auch für das Bildungsmonitoring liefert die Schulinspektion wertvolle Erkenntnisse über Stärken und Schwächen der Schulen und gibt darüber hinaus Hinweise auf Möglichkeiten und Erfordernisse der weiteren Qualitätsentwicklung . Darüber hinaus ist die Schulinspektion ein bei Schulen akzeptiertes Instrument der Qualitätssicherung (siehe http://www.hamburg.de/contentblob/ 4022654/f2b824022721da9a04b046d2fd0ebcfe/data/pdf-zufriedenheitsstudie- 2011.pdf), aber auch Arbeitsgruppe Schulinspektion (2016). Schulinspektion als Steuerungsimpuls ? Ergebnisse aus Forschungsprojekten. Wiesbaden: Springer sowie Gaertner, H., Wurster, S., & Pant, H. A. (2014). The effect of school inspections on school improvement. School Effectiveness and School Improvement, 25 (4), 489 – 508.). In Hamburg ist sie ein integrierter Bestandteil eines umfassenden Bildungsmonitorings . 8. Wie hat sich die Stellenzahl der Schulinspektion seit ihrer Einführung 2006 bis heute entwickelt? Bitte nach Jahren, Beamten/-innen und Arbeitnehmern/-innen aufschlüsseln. Jahr Anzahl Planstellen Anzahl Tarifstellen Gesamt 2006 14,68 0 14,68 2007 13 3 16 2008 13 3 16 2009 14 3 17 2010 14 3 17 2011 14 3 17 2012 10 3 13 2013 9 3 12 2014 9 3 12 2015 9 3 12 2016 9 3 12 Die aufgeführten Stellen beinhalten keine Verwaltungsstellen, da diese nicht nur der Schulinspektion zugeordnet werden können. Der Sprung zwischen 2011 und 2012 wird durch die Gründung des IfBQ erklärt. Die Leitungsstelle (mit Referentenstelle) übernahm bei Gründung die Leitung der Abteilung BQ 1. Zwei wis- Drucksache 21/4773 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 senschaftliche Mitarbeiterstellen wurden dem Referat BQ 12 zugeordnet. Eine weitere Stelle wurde im Jahr 2013 konsolidiert. 9. Welche Kosten verursacht eine Schulinspektion bei einer inspizierten Schule im Durchschnitt? Bitte gegebenenfalls geschätzte Kosten nennen . Eine Schulinspektion kostet im Durchschnitt circa 13.250 Euro. 10. In welchen Bundesländern wurden seit dem Jahr 2012 Jahresberichte oder Vergleichbares veröffentlicht? Bitte Bundesland mit Jahr der Veröffentlichung nennen. Es handelt sich bei den erfragten Daten in den übrigen Ländern um Angelegenheiten, die außerhalb der Zuständigkeit des Senats und damit des parlamentarischen Fragerechts nach Artikel 25 HV liegen (Hamburgisches Verfassungsgericht, Urteil vom 06.11.2013 – HVerfG 6/12 –, juris Rn. 68). Daher war eine entsprechende Recherche in den anderen Ländern nicht geboten. 11. Es soll vorgekommen sein, „dass fertiggestellte Jahresberichte mit Ergebnissen der externen Evaluation auf Landesebene ... auch mal unveröffentlicht bleiben“ (siehe Marcus Pietsch, Barbara Scholand, Klaudia Schulte (Hrsg.), Schulinspektion in Hamburg Der erste Zyklus 2007–2013: Grundlagen, Befunde, Perspektiven, Münster 2015, Seite 415). Ist etwas Ähnliches auch in Hamburg passiert und wenn ja, wann und aus welchem Grund? Nein. 12. Gibt es unveröffentlichte Jahresberichte oder Vergleichbares in Hamburg ? Nein.