BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4785 21. Wahlperiode 17.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dirk Nockemann (AfD) vom 09.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Kosten der Gewährung von Kirchenasyl in der Hamburger Kirchengemeinde St. Michaelis (2) Bereits in einer Schriftlichen Kleinen Anfrage vom 03.05.2016 (Drs. 21/4317) wurden die Umstände im Zusammenhang mit der „Besetzung“ der Hamburger Hauptkirche St. Michaelis durch die Gruppe „Roma Jekipe Ano Hamburg“ thematisiert. Auf den Inhalt der Anfrage wird Bezug genommen. Da die Antworten auf diese Anfrage durchweg ungenügend ausfielen, sind Nachfragen angezeigt. Aus diesem Grunde frage ich nunmehr den Senat: 1. Entspricht es den Tatsachen, dass der Senat durch Vertreter der Kirchengemeinde St. Michaelis zu keinem Zeitpunkt Kenntnis von der der oben genannten Roma-Gruppe gewährten „Hilfeleistung“ erhalten hat? Nein, siehe Drs. 21/1683. 2. Gab es sonstige Gespräche zwischen dem Senat und Vertretern der Kirchengemeinde St. Michaelis, in denen diese „Hilfeleistung“ in irgendeiner Weise zur Sprache kamen? Falls ja, was war der Anlass des jeweiligen Gesprächs und mit welchem Inhalt wurde die „Hilfeleistung“ thematisiert? Wann fanden die Gespräche jeweils statt? Über das in der Drs. 21/1683 dargestellte Gespräch am 21. September 2015 hinaus gab es keine sonstigen Gespräche in dieser Angelegenheit. 3. Der Senat legt in der Drs. 21/4185 dar, dass er über die Medien von der „Hilfeleistung“ in der Kirchengemeinde St. Michaelis erfahren hat – warum hat der Senat diese Medienberichterstattung, in der auch Namen der dieser Roma-Gruppe zugehörigen Personen genannt wurden, nicht als Veranlassung gesehen, der Problematik weiter nachzugehen? Soweit Personen aufgrund der Medienberichterstattung identifizierbar waren, ist die zuständige Behörde dem nachgegangen. Danach wurde festgestellt, dass die Personen unter der zuletzt bekannten Adresse nicht mehr anzutreffen waren. Die letzte aufenthaltsrechtliche Duldung dieser Personen lief am 22. September 2015 ab. 4. Wenn der Senat wie behauptet keine Kenntnis über die Identität der an der „Besetzung“ beteiligten Personen hat, kann es dann sein, dass weiterhin Leistungen nach dem AsylBewLG an diese sich der Aufforderung zur Ausreise widersetzenden Personen entrichtet werden? Falls ja, warum? Falls nein, warum? Drucksache 21/4785 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 5. Wird bei der Gewährung von Leistungen nach dem AsylBewLG nicht geprüft, ob die Leistungsempfänger noch anspruchsberechtigt sind beziehungsweise aufgrund des sich Widersetzens der Ausreise gegebenenfalls ihre Anspruchsberechtigung verloren haben? 6. Laut einem Medienbericht im „Hamburger Abendblatt“ vom 18.04.2016, dort Seite 11, gehört die Familie Petkovic zu der oben genannten Roma- Gruppe, die sich wegen der drohenden Abschiebung in die Obhut der Kirchengemeinde St. Michaelis begab. Die Familie Petkovic besteht aus Herrn Miodrag und Frau Suzanna Petkovic sowie den Kindern Leone (20 Jahre alt), Bos (18 Jahre), Leonardo (16 Jahre) und Giuliano (10 Jahre) Petkovic. a. Erhielten seit dem 17.09.2015 beziehungsweise erhalten diese Personen weiterhin Leistungen nach dem AsylbLG und wenn ja, in welchem Umfang? Bitte nach Tatbestand und Leistungshöhe genau aufschlüsseln? Voraussetzung für eine Leistungsgewährung ist ein leistungsberechtigender aufenthaltsrechtlicher Status. Liegt dieser nicht vor, werden Leistungen nicht mehr gewährt. Siehe auch Antwort zu 8. Für Personen, die aufgrund der Medienberichterstattung identifizierbar waren, erfolgten Leistungen entsprechend dem Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) bis einschließlich September 2015. Weitere Leistungen wurden nicht gewährt. b. Wie erfolgte seit dem 17.09.2015 beziehungsweise erfolgt die Gesundheitsversorgung dieser Personen und werden dafür staatliche Leistungen in welcher Höhe in Anspruch genommen? Die Personen wurden nach Einstellung der Leistungen bei der AOK Bremen- Bremerhaven, über die sie zuvor nach § 264 Absatz 1 SGB V betreut wurden, abgemeldet . Ob bis zur Abmeldung im Rahmen dieser Gesundheitsversorgung konkrete Leistungen erbracht worden sind, konnte vor dem Hintergrund von rund 20.000 Leistungsberechtigten nach § 3 AsylbLG in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht ermittelt werden. c. Besuchten beziehungsweise besuchen die Personen dieser Familie, die im schulpflichtigen Alter sind, seit dem 17.09.2015 weiterhin den Schulunterricht? Von den aufgrund der Medienberichterstattung identifizierbaren Personen besuchen zwei seit dem 7. Dezember 2015 eine berufliche Schule. Eine Person besucht keine Schule, eine weitere seit dem 18. November 2015 eine Grundschule. 7. Von wie vielen Fällen Kirchenasyl in Hamburg hat der Senat Kenntnis? (Bitte aufschlüsseln nach Kirchgemeinde, Datum der Kenntniserlangung und Anzahl der in Obhut der Kirche befindlichen Personen!) Betreffen diese Fälle Personen, deren Schicksal im Härtefallverfahren erörtert wurde? (Bitte Anzahl aufführen!) Die zuständige Behörde hat im Jahr 2016 (Stand: 10. Juni 2016) in 19 Fällen Mitteilungen der Nordkirche über Kirchenasyl erhalten: Kirchengemeinde Datum der Mitteilung Zahl der in der Mitteilung genannten Personen Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg Ost 05.01.2016 1 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg Ost 20.01.2016 1 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg Ost 20.01.2016 1 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg Ost 26.01.2016 1 Ev.-luth. Auferstehungsgemeinde Hamburg Lurup 29.01.2016 4 Ev.-luth. Kirchengemeinde Ohlsdorf- Fuhlsbüttel 10.02.2016 4 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg Ost 11.02.2016 1 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg Ost 14.03.2016 1 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4785 3 Kirchengemeinde Datum der Mitteilung Zahl der in der Mitteilung genannten Personen Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg Ost 08.04.2016 1 Ev.-luth. Kirchengemeinde Ottensen 22.04.2016 1 Ev.-luth. Kirchengemeinde Eimsbüttel 09.05.2016 4 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg Ost 18.05.2016 1 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg Ost 18.05.2016 5 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg Ost 20.05.2016 6 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg Ost 20.05.2016 1 Ev.-luth. Kirchengemeinde Ansgar 23.05.2016 2 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg Ost 03.06.2016 1 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg Ost 10.06.2016 1 Ev.-luth. Kirchenkreis Hamburg Ost 10.06.2016 1 Ob in diesen Fällen das Kirchenasyl fortbesteht, ist nicht bekannt. In sechs Fällen (betreffend 15 Personen) wurde ein Härtefallverfahren nach § 23a Aufenthaltsgesetz betrieben. 8. Wie wird generell im Falle von Kirchenasyl in Hamburg durch den Senat verfahren? Die zuständige Behörde nimmt die Gewährung des Kirchenasyls zur Kenntnis und veranlasst eine Information des Leistungsträgers und gegebenenfalls des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge. a. Werden dennoch Leistungen nach dem AsylBewLG gewährt? Siehe Antwort zu 4. bis 6. a. b. Wird nach Möglichkeiten gesucht, die Abschiebung dennoch zu realisieren , etwa dadurch, dass bei Aufenthalten außerhalb des kirchlichen Geländes der staatliche Zugriff versucht wird? Sind staatliche Zugriffe auf diese Weise in der Vergangenheit schon einmal durchgeführt worden? Wenn ja, wann und wie viele Personen betrafen sie jeweils? 9. Wie beurteilt der Senat das Institut des Kirchenasyls, sei es auch als eine historisch überlieferte Form der Schutzgewährung einzustufen, mit Blick darauf, dass es von der Rechtsordnung nicht vorgesehen oder anerkannt ist und staatlichen Anordnungen eindeutig zuwiderläuft? Die zuständige Behörde toleriert die Schutzgewährung in kirchlichen Räumen insoweit , als nach jahrzehntelanger Praxis Zutritt zu kirchlichen Räumen zur Durchsetzung aufenthaltsbeendender Maßnahmen nicht erzwungen wird, siehe im Übrigen Drs. 21/1683 und 21/4317.