BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4786 21. Wahlperiode 14.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 08.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Institut für niederdeutsche Sprache Wie am 06.06.2016 der Presse zu entnehmen war1, wurde seitens der Bundesländer Bremen, Hamburg, Niedersachsen und Schleswig-Holstein ein seit 1979 bestehendes Förderabkommen beendet. Dadurch wird eine Förderung von 272.000 Euro für das Institut für niederdeutsche Sprache (INS) zum Ende des Jahres 2017 entfallen. Bei einem Gesamt-Jahresbudget von 400.000 Euro2 sind diese Kürzungen für das Institut sicherlich als existenzbedrohend einzustufen. Dies ist umso bedauerlicher, da es sich bei dem jetzt gekündigten Förderabkommen um eine Kooperation aller norddeutschen Bundesländer gehandelt hat; das INS ist eine Anlaufstelle für alle Bürger, die sich für das Plattdeutsche interessieren. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welchen Anteil in Euro hat die Hansestadt Hamburg an der jährlichen Förderung? Hat sich diese Summe in der Höhe über die Jahre 2010 – 2016 verändert? Gemäß Königsteiner Schlüssel betrug der Länderanteil Hamburgs mit geringen Schwankungen circa 32.000 Euro p.a. seit 2010. 2. Wie bewertet der Senat die seit 1979 geleistete Arbeit des Institutes für niederdeutsche Sprache? Der zuständigen Behörde ist bekannt, dass sich das INS seit vielen Jahren der Pflege des Niederdeutschen mit großer Fachlichkeit und großem Engagement widmet. 3. Welche Gründe führen zur Aufkündigung des Förderabkommens seitens der Freien und Hansestadt Hamburg? Wie steht die Wissenschaftssenatorin und Zweite Bürgermeisterin als Schirmherrin verschiedener niederdeutscher Veranstaltungen zu diesem Thema? Die Länder haben sich gemeinsam darauf verständigt, die Förderung des Niederdeutschen vor dem Hintergrund der regionalen Besonderheiten inhaltlich, strukturell und organisatorisch auf eine neue Grundlage zu stellen, um den Entwicklungen und Veränderungen der letzten Jahrzehnte gerecht zu werden. Die Leitungen der zuständigen Behörden sind in die Entscheidung eingebunden. 1 Zum Beispiel „NWZ“ online vom 06.06.2016. 2 Inklusive Projektförderung des Bundes von jährlich 120.000 Euro. Drucksache 21/4786 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 4. Wurden andere Möglichkeiten der Förderung des INS in Betracht gezogen ? Wenn ja, welche und in welchem Umfang? Nein. Im Übrigen siehe Antwort zu 5. 5. Welchen Stellenwert misst der Senat der niederdeutschen Sprache bei und was tut er beziehungsweise was plant er, um die niederdeutsche Sprache zu fördern und lebendig zu erhalten? Bitte konkret und unter Angabe der konkreten finanziellen Mittel angeben, die dafür jeweils zur Verfügung gestellt wurden oder werden. Entsprechend der Europäischen Charta der Regional- oder Minderheitensprachen (siehe Drs. 16/218) wird dem Niederdeutschen eine relevante Bedeutung zugemessen . Seitens der Kulturbehörde wird derzeit das Ohnsorg Theater jährlich mit einem Betrag von 1,918 Millionen Euro gefördert. Die Behörde für Schule und Berufsbildung fördert die niederdeutsche Sprache in ihrem Zuständigkeitsbereich insbesondere durch die folgenden Maßnahmen: ‐ Niederdeutsch ist in Hamburg gemäß Artikel 8 der EU-Charta der Regional- oder Minderheitensprachen in allen Schulformen und Schulstufen „als integrierender Teil des Lehrplans“ Bestandteil des Deutschunterrichts. Darüber hinaus hat die zuständige Behörde im Schuljahr 2010/2011 als erstes Bundesland ein eigenständiges Wahlfach zum Erwerb der niederdeutschen Sprache eingeführt. An zehn Grundschulen, darunter vier Schwerpunktschulen, in den Bezirken Hamburg-Mitte, Harburg und Bergedorf können Schülerinnen und Schüler das Fach Niederdeutsch in den Jahrgangsstufen 1 bis 4 wählen. Zu den Schwerpunktschulen zählen die Aueschule Finkenwerder, die Schule Arp-Schnitger-Stieg, die Schule Fünfhausen- Warwisch sowie die Schule Curslack-Neuengamme. Weitere Schulen sind die Westerschule Finkenwerder, die Schule Cranz, die Schule Altengamme-Deich, die Schule Zollenspieker, die Grundschule Kirchwerder sowie die Schule Ochsenwerder . Seit dem Schuljahr 2014/2015 wird in den Bezirken Hamburg-Mitte und Bergedorf an zwei Stadtteilschulen (Stadtteilschule Finkenwerder, Stadtteilschule Kirchdorf) und zwei Gymnasien (Gymnasium Finkenwerder, Gymnasium Bornbrook) ein Anschlussangebot ab Jahrgangsstufe 5 vorgehalten. Für das Fach Niederdeutsch liegen von der zuständigen Behörde erstellte Rahmenpläne vor. Zusätzlich wurde ein Lehrwerk mit Bezug zur Regionalkultur für die Grundschule erarbeitet. Im Übrigen siehe Drs. 19/2190 sowie 19/8599. ‐ Des Weiteren hat die zuständige Behörde in der Abteilung für Gestaltung von Schul- und Unterrichtsentwicklung ein Fachreferat Niederdeutsch eingerichtet, für das eine Lehrkraft mit 20 Prozent ihrer Stelle abgeordnet ist. ‐ Schülerinnen und Schüler werden darüber hinaus in Wettbewerben an die niederdeutsche Sprache herangeführt. Im jährlichen Wechsel werden die Vorlesewettbewerbe „Jungs un Deerns leest Platt“ und „Schoolkinner leest Platt“ durchgeführt. Die Durchführung der Wettbewerbe kostet – je nach Anzahl der Teilnehmenden – rund 2.800 Euro jährlich. Zudem ist zur Durchführung der Wettbewerbe eine Landeskoordinatorin eingesetzt. Hierbei handelt es sich um eine Lehrkraft, die zu diesem Zwecke mit 6 Prozent ihrer Stelle abgeordnet ist. Ebenso unterstützt die Behörde als Kooperationspartner den Plattdüütsch Root för Hamburg sowie den Plattdüütsch in Hamborg e.V. bei der Vergabe des alle zwei Jahre ausgelobten „Hamborger Plattdüütsch Pries“. ‐ Seit 2010 veranstaltet die zuständige Behörde in Kooperation mit dem Landesinstitut für Lehrerbildung und Schulentwicklung in zweijährigem Turnus ein Niederdeutsch -Forum zu Fragen des Unterrichts und der Kooperationsmöglichkeiten mit außerschulischen Partnern und Einrichtungen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4786 3 Das Landesinstitut führt seit 2010 regelmäßig eine Jahresbegleitung für die Grundschulen durch. Diese findet dreimal im Jahr statt. In diesen Veranstaltungen erhalten die Lehrkräfte Materialien für den Unterricht im Fach Niederdeutsch und fachdidaktische Unterstützung. In der jährlich durchgeführten Schulanfangstagung wird das Seminarangebot „Niederdeutsch: Einführung in die Sprache, Lieder und Tänze “ von unterschiedlichen Referenten gestaltet und ist fester Bestandteil. ‐ Die zuständige Behörde entsendet ein ständiges Mitglied in den Plattdüütsch Root för Hamburg. An den Sitzungen des Plattdüütsch Root nimmt außerdem die Fachreferentin Niederdeutsch teil. ‐ Im Programm TUSCH (Theater und Schule in Hamburg) kooperieren Schulen regelmäßig mit dem Studio des Ohnsorg-Theaters. Im Rahmen der Projektarbeit setzen sich Schülerinnen und Schüler sowie deren Lehrkräfte auch intensiv mit der niederdeutschen Sprache auseinander. Die erarbeiteten Szenen werden einer breiten Schulöffentlichkeit präsentiert. Pro Schuljahr und Spielzeit fließen rund 3.500 Euro in die TUSCH-Projekte mit dem Ohnsorg-Theater. ‐ Erstmals führte die Stiftung „Kinder brauchen Musik“ im Schuljahr 2015/2016 in Kooperation mit der Bildungsbehörde eine einwöchige „Klassenreise zur Musik op Platt!“ für dritte Klassen der Grundschule durch. Die Schülerinnen und Schüler konnten das von ihnen mit Künstlerinnen und Künstlern erarbeitete Repertoire in einem Abschlusskonzert im Schullandheim Holstentor in Hoisdorf vor Eltern und Familienangehörigen präsentieren. Die Länder werden die kommenden Monate nutzen, um untereinander und im Dialog mit den regionalen Akteuren Konzepte einer zukünftigen Förderung des Niederdeutschen unter den veränderten Rahmenbedingungen zu erarbeiten. Diese sollen rechtzeitig vor Ablauf der Förderung des INS Ende 2017 bekannt gegeben werden. Es ist geplant, zu diesem Zweck die bislang zur Förderung des INS verwendeten Mittel auch künftig einzusetzen.