BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4801 21. Wahlperiode 17.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Bernd Baumann, Dr. Joachim Körner, Dr. Alexander Wolf, Andrea Oelschlaeger (AfD) vom 09.06.16 und Antwort des Senats Betr.: „Crystal-Meth-Babys“ in Hamburg Nicht zuletzt jüngste Presseberichte haben auf das dramatische Schicksal der sogenannten „Crystal-Meth-Babys“ aufmerksam gemacht. Immer mehr Frauen nehmen Crystal Meth und unterbrechen den Konsum auch nicht für die Zeit der Schwangerschaft. Sie schaden damit dem noch ungeborenen Kind immens. Die Babys kommen zu klein oder zu früh zur Welt, haben einen zu kleinen Kopf sowie Hirnschädigungen. Sie bleiben mental und motorisch zurück und zeigen Verhaltensauffälligkeiten. Eine spätere Abhängigkeit aufgrund der Gewöhnung an die Droge schon im Mutterleib ist laut Experten vorprogrammiert. Nicht selten steht die Crystal-Meth-abhängige Mutter zudem selbst im Kreißsaal noch unter dem Einfluss der Droge, mithin auch das zu gebärende beziehungsweise gerade geborene Kind. In diesen Fällen wird von „unruhigen und zappligen“ Neugeborenen berichtet, die teils sogar unter Krampfzuständen leiden. Aufgrund des Abfallens des Drogenspiegels in der Folgezeit kommt es beim Kind zu „Entzugserscheinungen“, die sich zunächst darin äußern, dass es viel schläft und wenig trinkt, später dann aber zu Verhaltensauffälligkeiten wie Autoaggression oder Bindungsunfähigkeit führen. Neuesten Statistiken zufolge steigt in Sachsen und Bayern die Zahl der durch Crystal Meth geschädigten Föten und Neugeborenen immens. Aufgrund der Zunahme des Konsums in allen Bundesländern ist davon auszugehen , dass auch in Hamburg Neugeborene zur Welt kommen, die bereits im Mutterleib dem Konsum von Crystal Meth ausgesetzt waren. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: Methamphetamin in kristalliner Form wird aktuell unter den Szenebezeichnungen „Crystal“, „Crystal Meth“, „Ice“ oder „Crystal Speed“ vertrieben. Nach Erkenntnissen der Polizei ist die Droge Methamphetamin in Hamburg bislang nur sehr gering verbreitet. Die Polizei hat die Droge jeweils mit geringen Sicherstellungsmengen in fünf Fällen im Jahr 2015 und bisher in einem Fall im Jahr 2016 festgestellt . Die Problematik des Konsums dieser Droge sowie der „Crystal-Meth-Babys“ hat bislang epidemiologisch in Hamburg keine Relevanz. Die Basisdatendokumentation der Suchthilfe in Hamburg weist für das Jahr 2014 zehn Klientinnen und Klienten aus, die wegen eines Crystal-Meth Konsums eine Beratungsstelle aufsuchten. Um die bestmögliche Betreuung von Schwangeren und Müttern mit Säuglingen zu sichern, wurde bereits im Jahr 2008 die Rahmenvereinbarung zur Kooperation „Schwangerschaft – Kind – Sucht“ geschlossen, der bisher über 70 Einrichtungen und Drucksache 21/4801 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Institutionen, die Schwangere und Mütter von Kindern bis zu einem Jahr betreuen, beigetreten sind. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Wie viele Neugeborene mit Crystal-Schädigung sind in Hamburg seit 2010 zur Welt gekommen? (Bitte nach Jahreszahl und Stadtteil aufschlüsseln !) In den befragten Hamburger Geburtshilfen sind keine Fälle explizit zu Neugeborenen mit Methamphetamin-Schädigung bekannt. Erfasst worden sind hingegen einige Fälle mit ICD Kode P96.1 (Entzugssymptome eines Säuglings bei Substanzmissbrauch durch die Mutter), die aber keine Zuordnung zu Methamphetamin zulassen. 2. a) Wie weit reicht die Nachsorge für diese kleinen Patienten? b) Welche spezifischen Nachuntersuchungen und -behandlungen werden durchgeführt? c) Wie lange stehen diese Patienten unter ärztlicher Beobachtung? d) Gibt es derzeit spezielle Nachsorgeprogramme für derartige Fälle? Falls nicht, sind solche in der Planung beziehungsweise hält der Senat solche für notwendig? e) Gibt es Behandlungszentren oder Neonatologen beziehungsweise Fachärzte für Pädiatrie, die sich auf die Behandlung von Crystal- Meth-Babys spezialisiert haben? Die Dauer der medizinischen Behandlung von Neugeborenen mit einem Neonatalen Abstinenzsyndrom erfolgt auf Grundlage der medizinischen Notwendigkeit im Einzelfall . Neben einer Entlassung in die ambulante kinderärztliche Versorgung ist eine weitere Behandlung über die Nachsorgeambulanz für Frühgeborene und kritisch kranke Neugeborene zum Beispiel im Altonaer Kinderkrankenhaus (AKK) möglich. Diese Nachuntersuchungen erfolgen bei Bedarf bis zum zweiten Lebensjahr und finden zwei- bis dreimal jährlich statt. Bei Bedarf werden zur Kindeswohlsicherung die Kinderschutzkoordinatoren eingeschaltet . Weiterführender Bedarf für Betreuungsmaßnahmen oder zur Inobhutnahme werden an das Jugendamt gemeldet. Je nach Bedarf werden Kontakte zu weiteren Suchtberatungsstellen („Frühe Hilfen“, „IGLU“) hergestellt. 3. In wie vielen Fällen dieser Geburten kam es danach zum teilweisen oder vollständigen Entzug des Sorgerechts gemäß § 1666 Absätze 1 und 3 Nummer 6 BGB? (Bitte seit 2010 aufschlüsseln nach Jahr und Art des Sorgerechtsentzugs!) Die zur Beantwortung benötigten Daten werden nicht gesondert statistisch erfasst. Eine Einzelfallauszählung mehrerer Tausend Fallakten der Jugendämter, in denen unter anderem Sorgerechtsentzüge dokumentiert sind, ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. Ebenso müssten bei den Gerichten zur Beantwortung der Frage für den Zeitraum von 2010 bis heute insgesamt 29.996 Verfahren beim Amtsgericht händisch ausgewertet werden. Gleiches gilt für die Beschwerden in Sorgerechtsverfahren beim Hanseatischen Oberlandesgericht , wo für diesen Zeitraum über 1.000 Verfahren händisch ausgewertet werden müssten. 4. Welche Maßnahmen unternimmt der Senat, um dieser Problematik der Crystal-Meth-Babys in Hamburg zu begegnen? Gibt es spezielle Präventionsprogramme ? Die Amtsleiterrunde Drogen, die Ständige Arbeitsgruppe Suchtprävention (STAGS) und der Fachausschuss Suchtprävention haben sich mehrfach mit dem Thema auseinandergesetzt . Angesichts des geringen Fallaufkommens besteht hierzu weniger Handlungsbedarf als bei anderen Substanzen. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4801 3 Im Übrigen siehe Vorbemerkung 5. Welche Entwicklung der Problematik der Crystal-Meth-Babys prognostiziert der Senat? Gibt es Überlegungen des Senats zu Konzepten bei einer weiteren Zunahme dieser Fälle und wenn ja, welche? Hiermit hat sich der Senat nicht befasst.