BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4814 21. Wahlperiode 17.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Christiane Schneider (DIE LINKE) vom 10.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Strafverfolgung von Hetze im Internet Wie die Tageszeitung „Die Welt“ berichtete, wollte der Hamburger Justizsenator bei der letzte Woche tagenden Justizministerkonferenz eine Debatte um die Strafverfolgung von Hasskommentaren im Internet initiieren. Laut der Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/3213 haben alleine als fremdenfeindlich /rechtsextremistisch kategorisierte angezeigte Straftaten von 24 im Jahre 2013 auf 114 im Jahre 2015 und damit um fast das fünffache zugenommen. Wobei die Dunkelziffer wahrscheinlich deutlich höher ist, da Polizei und Staatsanwaltschaft in Hamburg diese Taten nicht systematisch erfassen. Neben diversen rechtsextremistischen und rassistischen Seiten, welche entsprechenden Organisationen nahestehen, kommt bei der Hasspropaganda dem bundesweiten Blog „PI-News“ eine zentrale Rolle zu. Auf einer Tagung des niedersächsischen Verfassungsschutzes mit dem Titel „Salafismus und Islamfeindlichkeit“ wurde dargelegt, dass sich der Weblog PI-News „zum virtuellen Zentralorgan für islamfeindliche Positionen entwickelt hat.“ Auch in die Hetzkampagnen gegen die Abgeordnete Stefanie von Berg (GRÜNE) war PI-News maßgeblich involviert. Rassistische und volksverhetzende Beiträge, besonders in den Kommentarspalten, werden bewusst von den Betreibern von PI-News unter dem Deckmantel vorgeblicher Meinungsfreiheit toleriert. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Welche konkreten Maßnahmen wurden auf der Justizministerkonferenz zur Bekämpfung der Hasskriminalität im Internet ergriffen? Die Justizministerinnen und Justizminister haben sich auf der Justizministerkonferenz intensiv mit dem Thema Hasskriminalität im Allgemeinen und Hetze im Internet im Besonderen befasst. Sie haben den Bundesminister der Justiz und für Verbraucherschutz gebeten, zu prüfen, inwieweit Betreiber von Social-Media-Plattformen, Anbieter von Internet-Messaging-Diensten und Microblogger verpflichtet werden können, den Strafverfolgungsbehörden auf Verlangen die notwendigen Auskünfte über die Identität von Nutzern mitzuteilen, die strafbare Inhalte, insbesondere Äußerungen mit rassistischem , fremdenfeindlichen oder sonst menschenverachtendem Charakter verbreiten. In diesen Zusammenhang soll auch geprüft werden, ob auch Diensteanbieter verpflichtet werden können, die keinen Geschäftssitz im Inland haben. Auf Vorschlag Hamburgs wurde außerdem beschlossen, die statistische Erfassung von Hasskriminalität zu verbessern. Auf dieser Grundlage wird sodann eine Evaluierung darüber angestrebt, ob die auf eine Hamburger Gesetzesinitiative zurückgehende Erweiterung des § 46 Absatz 2 Satz 2 StGB (Strafzumessung) um die menschenverachtenden Motive dazu führt, dass diese in der Strafverfolgungspraxis angemessen berücksichtigt werden. Drucksache 21/4814 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Weitere justizielle Möglichkeiten, mit denen die Justiz angemessen auf das Phänomen Hasskriminalität (einschließlich „Hassrede“) reagieren kann, sollen geprüft werden. 2. In der Schriftlichen Kleinen Anfrage Drs. 21/3213 schreibt der Senat, dass das BKA und das BfV anlassunabhängige Recherchen zur Erfassung von Hasskriminalität im Internet betreiben. Finden anlassunabhängige Recherchen auch durch Hamburger Behörden statt? a. Wenn nein, warum nicht? b. Wenn ja, welche Internetseiten, Blogs oder soziale Netzwerke wie bestimmte Facebook-Seiten werden durch Hamburger Behörden beobachtet? Die Staatsanwaltschaft ermittelt im Rahmen des Legalitätsprinzips (§ 152 Absatz 2 StPO) und betreibt keine anlassunabhängigen Recherchen, die in den Bereich der Gefahrenabwehr fallen. Die Polizei führt keine anlassunabhängigen Recherchen im Internet und/oder in sozialen Netzwerken durch. Bei konkreten Hinweisen auf Straftaten oder bei Vorliegen lagerelevanter Erkenntnisse werden anlassbezogen durch die Staatsschutzabteilung des Landeskriminalamtes diese konkreten Hinweise in den sozialen Netzwerken ausgewertet . Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg wertet im Rahmen seines gesetzlichen Beobachtungsauftrages die Internetpräsenz von rechtsextremistischen Organisationen und Personen in Hamburg aus. Einige davon werden im Verfassungsschutzbericht aufgeführt. Soweit strafrechtlich relevante Inhalte bekannt werden, gibt das LfV Hamburg entsprechende Hinweise an das LKA Hamburg weiter. Weitere Angaben zu den einzelnen Internetseiten, Blogs oder sozialen Netzwerken ließen Rückschlüsse auf die Arbeitsweise und Einblickstiefe des Verfassungsschutzes zu und eine künftige Beobachtung würde dadurch unverhältnismäßig erschwert werden. Detaillierte Angaben im Sinne der Fragestellung können daher aus Gründen des Staatswohls nur gegenüber dem nach § 24 Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) für die parlamentarische Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes zuständigen Kontrollausschuss (PKA) gemacht werden. 3. Welche Erkenntnisse hat der Senat über den Blog PI-News? Der Internet-Blog „PI-News.net – Politically incorrect“ wurde 2003 von einer Einzelperson als islamkritischer Internetblog in Nordrhein-Westfalen gegründet. Die heutigen Betreiber der Internetseite sind anonym und unbekannt. Die Internetseite bietet die Möglichkeit, Beiträge anonym und/oder unter Verwendung von Fantasiepersonalien einzustellen. Der Server der Internetseite befindet sich in den USA und die Internetseite wurde über eine in London ansässige Hosting-Firma registriert. 4. PI-News hat laut Eigendarstellung diverse Ortgruppen, darunter auch eine in Hamburg. Der bayerische Verfassungsschutz beobachtet die Münchner Ortsgruppe von PI-News seit 2013. Welche Erkenntnisse hat der Senat über die Hamburger PI-Gruppe, wird diese ebenfalls vom Verfassungsschutz beobachtet? Die „PI-Gruppe Hamburg“ ist dem LfV Hamburg bekannt. Sie ist weitgehend inaktiv. Die letzten nennenswerten öffentlichen Aktionen fanden 2010 und 2011 statt. 5. Welche Erkenntnisse hat der Senat über Hamburger Autoren des Blogs PI-News? Der Umstand, ob eine Straftat durch eine Veröffentlichung unter Nutzung des Blogs „PI-News“ oder durch Mitglieder einer „Hamburger PI-Gruppe“ oder durch Hamburger Autoren des Blogs „PI-News“ begangen wird, wird im Vorgangsverwaltungs- und -bearbeitungssystem MESTA der Staatsanwaltschaft Hamburg nicht erfasst, sodass sich keine verlässlichen Aussagen zu etwaigen Ermittlungsverfahren mit Bezug zu dem genannten Blog treffen lassen. Nach Einschätzung des zuständigen Leiters der Abteilung 71 hat es wahrscheinlich mehrere Ermittlungsverfahren gegen Unbekannt wegen des Verdachts des Verstoßes Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4814 3 gegen § 130 StGB im Zusammenhang mit dem genannten Blog gegeben. Konkrete Aussagen zu diesen Verfahren und weitere generelle Aussagen zu dem Blog lassen sich nicht treffen. Der Staatsanwaltschaft Hamburg sind im Rahmen von Ermittlungsverfahren keine Mitglieder einer „Hamburger PI-Gruppe“ oder Hamburger Autoren des Blogs „PI-News“ (als solche) bekannt geworden. Weitere Erkenntnisse im Sinne der Fragestellung liegen den Sicherheitsbehörden nicht vor.