BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4830 21. Wahlperiode 21.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Anna-Elisabeth von Treuenfels-Frowein und Carl-Edgar Jarchow (FDP) vom 13.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Ausbreitung des radikalen Salafismus in Hamburg zielgerichtet bekämpfen! Welche bundesweiten Strukturen spiegeln sich auf die Hansestadt? In der Drs. 21/4700 antwortet der Senat, dass sieben Anmeldungen (28. Mai 2016, 10. Juni 2016, 11. Juni 2016, 17. Juni 2016, 18. Juni 2016, 24. Juni 2016 und 25. Juni 2016) von Einzelpersonen für Koranstände seitens des Bezirksamtes Hamburg Mitte abgelehnt wurden. Die Ablehnung eines Antrages für einen Koranstand in Hamburg am 28.05.2016 erfolgte, weil dem Anmelder eindeutig salafistisch-jihadistische Bezüge zuzuordnen waren. Die Standerlaubnis wurde versagt mit der Begründung, dass „sonstige öffentliche Belange unverhältnismäßig gefährdet“ sein. Vor diesem Hintergrund fragen wir den Senat: 1. Mit welcher Begründung hat die zuständige Behörde die Anmeldung der sechs Koranstände nach dem 28. Mai 2016 abgelehnt? (Bitte die Rechtsgrundlagen gesondert aufführen.) Haben die jeweiligen Anmelder die Ablehnung beachtet? Wurde die Einhaltung der Ablehnung überwacht ? Wenn ja, wie? Durch wen? Wenn nein, warum nicht? Alle Ablehnungen beziehen sich auf einen Antragsteller. Darüber hinaus siehe Drs. 21/4700. 2. Haben die Anmelder bereits früher in Hamburg Koranstände erfolgreich anmelden können? Wenn ja, was hat sich an der Gefährdungsbeurteilung zu früher konkret geändert? Ja. Im Übrigen siehe Drs. 21/4700. 3. Welche Erklärung gibt es für die plötzliche Zunahme von Anmeldungen durch Einzelpersonen, die im Sinne des § 19 Absatz 1 Satz 4 Nummer 3 Hamburgisches Wegegesetz „sonstige öffentliche Belange unverhältnismäßig gefährden“? Nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden hat dies szeneinterne Gründe. Im Übrigen siehe Antwort zu 4 bis 8. 4. Handelt es sich bei den Anmeldern um identische Personen? Wo haben diese Anmelder ihren Wohnsitz? Welche Erkenntnislage gibt es über die Anmelder? Sind die Anmelder untereinander vernetzt? Drucksache 21/4830 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 5. Wie sind die Anmelder in Hamburg beziehungsweise im Bundesgebiet zuvor bereits in Erscheinung getreten? Haben die Anmelder versucht, auch in anderen Bundesländern Koranstände anzumelden? Ist dem Senat bekannt, mit welchem Erfolg? Arbeiten die Sicherheits- und Verwaltungsbehörden in Hamburg mit denen in anderen Bundesländern in diesen Fällen zusammen? Wenn ja, wie? Wenn nein, warum nicht? 6. Ist dem Senat bekannt, ob die Anmelder in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang mit der „Lies“ GmbH aus Köln stehen? Welche Parallelen sind zwischen der „Lies!“ GmbH und den jeweiligen Anmeldern erkennbar? 7. Ist dem Senat bekannt, ob die Anmelder in einem tatsächlichen oder rechtlichen Zusammenhang mit der „Readlies Ltd.“ (der Sitz der Gesellschaft befindet sich in Leicester, England) stehen? 8. Welche Beziehungen sind dem Senat zwischen den Anmeldern und der Gruppe „Siegel der Propheten“ bekannt? Siehe Antwort zu 1. Der Anmelder ist in Hamburg wohnhaft. Erkenntnisse zu Einzelpersonen können gemäß § 18 Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (HmbVerf- SchG) grundsätzlich nicht mitgeteilt werden. Angaben im Sinne der Fragestellung ließen Rückschlüsse auf die Arbeitsweise und Einblickstiefe des Verfassungsschutzes zu und eine künftige Beobachtung würde dadurch unverhältnismäßig erschwert werden . Detaillierte Angaben können daher aus Gründen des Staatswohls nur gegenüber dem nach § 24 Hamburgisches Verfassungsschutzgesetz (HmbVerfSchG) für die parlamentarische Kontrolle des Senats auf dem Gebiet des Verfassungsschutzes zuständigen Kontrollausschuss (PKA) gemacht werden. 9. Sind dem Senat in Hamburg Fälle bekannt, in denen Netzwerke zur Gefangenenhilfe Personen der salafistischen Szene unterstützen? Gab es irgendwelche Hinweise auf derartige Unterstützung, beispielsweise Besuche der Prozesstermine oder „Erbauungsbriefe“ in der Haft mit dem Ziel, Reue zu verhindern und Resozialisierungsprozesse zu unterbinden (vergleiche Verfassungsschutzbericht NRW 2014, Seite 137)? Wenn ja, was hat der Senat dagegen getan? Wie häufig kam das in Hamburg vor? Zu einer organisierten Form der Gefangenenhilfe beziehungsweise -unterstützung liegen den Sicherheitsbehörden keine Erkenntnisse vor. Im Hamburger Verfassungsschutzbericht 2014 sind islamistische Netzwerke und Organisationen aufgeführt, diese sind den Hamburger Justizvollzugsanstalten bekannt. Der zuständigen Behörde ist ein Fall bekannt, bei dem über eine islamistische Plattform im Internet um Spenden und „seelische Unterstützung“ eines Hamburger Gefangenen mit einem salafistischen Hintergrund geworben wird. Bisher wurden von der zuständigen Justizvollzugsanstalt als Reaktionen auf den Aufruf weder „Erbauungsbriefe“ noch sonstige Aktivitäten beobachtet. Der zuständigen Behörde liegen keine Erkenntnisse zu Besuchern von Prozessterminen durch Personen der salafistischen Szene vor. 10. Hat der Senat Erkenntnisse darüber woher die Geldmittel stammen, die „Verteiler“ für ein Exemplar des deutsch-ägyptischen Religionsgelehrten Muhammad Rassoul in einer rein deutschsprachigen Ausgabe „spenden “? 11. Werden Hinweise darauf verfolgt, dass die Geldmittel aus einem arabischen Golfstaat heraus erfolgen? Wenn nein, warum nicht? 12. Hat der Senat Kenntnis darüber, wie viel die „Lies!“ GmbH durchschnittlich für die Herstellung/Beschaffung der Koranübersetzung des deutsch- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4830 3 ägyptischen Religionsgelehrten Muhammad Rassoul in einer rein deutschsprachigen Ausgabe aufwenden muss? 13. Welche Informationen hat der Senat über Höhe der „Spende“ die ein Hamburger Verteiler an die Kölner „Lies““ GmbH erbringen muss, um ein derartiges Exemplar zu erhalten? Sind dem Senat noch weitere Bezugsquellen bekannt? 14. Ist dem Senat bekannt, ob es eine Gewinnspanne bei diesem „Spendengeschäft “ gibt? 15. Ist dem Senat bekannt, wohin die Spendengelder fließen? Siehe Antwort zu 4. bis 8. 16. Wie entwickeln sich die sogenannten Street-Dawa-Aktionen seit 2015 bis heute? Ist bekannt, ob die abgelehnten Anmelder von Koranständen auf diese Weise den Kontakt zu Hamburgern suchen? Mit welchem Konzept geht der Senat gegen die sogenannten Street-Dawa-Aktionen vor? Welches Gefährdungspotenzial sieht der Senat in diesen Verteilungsaktionen ? Nach den derzeitigen Informationen schätzen die Sicherheitsbehörden die Aktivitäten rückläufig ein. Ob abgelehnte Anmelder auf andere Weise den Kontakt zur Hamburger Bevölkerung suchen, ist bisher nicht bekannt. Das LfV Hamburg klärt im Rahmen seiner Öffentlichkeitsarbeit auch über mobile Koranverteilungsaktionen auf. Entsprechende Aktionen bergen wie jede salafistische Agitation und Werbeaktion die Gefahr, dass sie Interessierte ansprechen und werden genauso kritisch betrachtet wie andere derartige Aktivitäten. Darüber hinaus siehe Drs. 21/2807 und 21/1278.