BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4843 21. Wahlperiode 21.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Jennyfer Dutschke (FDP) vom 13.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Doppelleistungen für SGB-II-Empfänger in Erstaufnahmen? Viele Schutzsuchende werden aufgrund nicht ausreichender Plätze in Folgeunterbringungen auch in Erstaufnahmen untergebracht, obwohl ihnen als sogenannte Überresidenten (kein sicheres Herkunftsland, kein abgelehnter Asylantrag und mindestens sechs Monate Verweildauer in der Erstaufnahme ) ein Platz in der Folgeunterbringung zustünde. Mit Stand vom 1. April 2016 verwies der Senat in Drs. 21/4238 auf rund 7.000 Überresidenten, darunter 5.644 mit Anspruch auf Folgeunterkunft. In der Sitzung des Sozialausschusses vom 9. Juni 2016 berichtete der Senat bereits über eine Anzahl der Überresidenten in Erstaufnahmen mit Anspruch auf Platz in der Folgeunterbringung von 8.926 Personen. Personen, deren Asylantrag anerkannt wurde, haben Anspruch auf Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch (SGB II), sprich Hartz IV. Da jedoch eine Unterbringung in einer Folgeunterkunft aus Kapazitätsgründen teilweise nicht möglich ist, wird zur Vermeidung von Obdachlosigkeit die Unterbringung in einer Erstaufnahme fortgeführt.1 Einer der wesentlichen Unterschiede zwischen Erstaufnahme und Folgeunterbringung ist die Vollversorgung durch Catering in Erstaufnahmen und die Eigenversorgung durch selbstständiges Einkaufen und Zubereiten von Lebensmitteln in zur Verfügung stehenden Kochvorrichtungen in der Folgeunterbringung.2 Wenn anerkannte Schutzsuchende, die bereits Leistungen nach SGB II erhalten, noch in Erstaufnahmeeinrichtungen leben, erhalten diese Doppelleistungen, denn sie erhalten eine Vollversorgung in der Erstaufnahme und zugleich den Hartz-IV-Satz in voller Höhe ohne Einbehalt einer adäquaten Essenspauschale.3 Der Senat bestätigt in Drs. 21/4238, dass Doppelleistungen in diesem Sinne nicht ausgeschlossen werden können.4 Nach Auskunft des Senats in Drs. 21/4238 und Drs. 21/4043 kann der Senat mit Stand April/Mai 2016 keine Aussagen dazu tätigen, wie viele SGB-II-Leistungsempfänger derzeit in Erstaufnahmen leben und welche Kosten in diesem Sinne bisher für Doppelleistungen angefallen sind. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1 Vergleiche Drs. 21/4238, Seite 1, zweiter Absatz im Antworttext. 2 Vergleiche Drs. 21/4153, Seite 3, Antwort zu Fragen 9. bis 9. e. 3 Vergleiche Drs. 21/4238, Seite 2, Antwort zu Fragen 3 bis 4. a.: „Es werden von den Leistungen nach SGB II keine Beiträge für die Verpflegung einbehalten. Für eine Anrechnung auf den Regelbedarf (…) gibt es derzeit keine gesetzliche Grundlage“. 4 Vergleiche Drs. 21/4238, Seite 3, Antwort auf Fragen 5. a. und b. Drucksache 21/4843 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Der Senat beantwortet die Fragen teilweise auf Grundlage von Auskünften von Jobcenter team.arbeit.hamburg (Jobcenter), der Agentur für Arbeit Hamburg (Agentur), f & w fördern und wohnen AöR (f & w), Deutsches Rotes Kreuz Landesverband Hamburg e.V. (DRK HH), Kreisverband Hamburg-Harburg e.V. (DRK Harburg) und Kreisverband Hamburg Altona und Mitte e.V. (DRK Altona), ASB Flüchtlingshilfe Hamburg GmbH (ASB), Arbeiterwohlfahrt (AWO), Malteser Hilfsdienst gemeinnützige GmbH (Maltester) und Johanniter-Unfall-Hilfe e.V. wie folgt: 1. Verfolgt der Senat derzeit auf Bundesebene die Schaffung einer gesetzlichen Grundlage zur Verrechnung von Kosten für die Vollversorgung in Erstaufnahmen für anerkannte Flüchtlinge, die Leistungen nach SGB II beziehen und in Erstaufnahmen daher „doppelt“ versorgt werden? Wenn ja, bitte Verweis auf die aktuellen Initiativen des Senats beifügen. Wenn nein, warum nicht? 2. Was unternimmt der Senat, um die Ausgabe von Doppelleistungen an Hartz-IV-Empfänger in Erstaufnahmen (Vollversorgung sowie voller Bezug von SGB-II-Leistungen) zu unterbinden? Die Bundestagsfraktionen von CDU/CSU und SPD haben in das Gesetzgebungsverfahren zum 9. Änderungsgesetz SGB II – Rechtsvereinfachung – einen Änderungsvorschlag zu § 65 SGB II eingebracht, mit dem die kostenlose Verpflegung in Gemeinschaftsunterkünften ohne Selbstverpflegungsmöglichkeiten als Sachleistung Teil der SGB-II-Leistung wird und den Auszahlungsanspruch entsprechend mindert. Hamburg unterstützt den Änderungsantrag der Bundestagsfraktionen. Das Gesetzgebungsverfahren ist noch nicht abgeschlossen. Derzeit besteht keine rechtliche Grundlage , Doppelleistungen zu unterbinden. Der für die Belegung der Folgeunterkünfte zuständige Betreiber f & w fördern und wohnen AöR ist durch ein Schreiben der zuständigen Behörde gehalten, die vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) als schutzberechtigt anerkannten Personen mit erster Priorität dorthin zu verlegen. Darüber hinaus gilt, dass, sobald die Betreiber über den Leistungsbezug gemäß SGB II informiert werden, die betroffenen Personen keine Arbeitsgelegenheiten gemäß AsylblG erhalten und grundsätzlich auch vom Erhalt von Hygieneartikeln, HVV-Tickets oder Kleidungsstücken aus der Kleiderkammer ausgenommen werden. 3. Kann der Senat mittlerweile Auskünfte erteilen, wie viele SGB-II- Leistungsbezieher in Erstaufnahmeeinrichtungen leben? Wenn nein, warum nicht? Was unternimmt der Senat, um Klarheit in die Datenlage zu bringen? Wann ist mit entsprechenden Daten zu rechnen? Siehe Drs. 21/4043. Darüber hinaus liegen keine weiteren Informationen im Sinne der Fragestellung vor. 4. Kann der Senat mittlerweile Auskünfte erteilen, inwiefern und in welcher Höhe im Jahr 2015 beziehungsweise bis heute Kosten aufgrund der Ausgabe von Doppelleistungen an in Erstaufnahmen lebende SGB-II- Empfänger angefallen sind? Wenn ja, bitte konkretisieren. Wenn nein, warum nicht? Ist eine entsprechende Erfassung der erforderlichen Daten in Planung? Falls ja, mit welchem Stand sind entsprechende Auskünfte abrufbar? Falls nein, warum nicht? Eine entsprechende Datenerhebung erfolgt nicht, siehe darüber hinaus Antwort zu 3. 5. Laut Drs. 21/3888 sollte eine Auswertungsmöglichkeit der Zahl der Flüchtlinge im SGB-II-Bezug im Mai 2016 verfügbar sein. Wie viele in Hamburg lebende Flüchtlinge sind mit Stichtag 1. Juni 2016 im Regelkreis des SGB II? Welche Kenntnisse liegen dem Senat über diese Per- Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4843 3 sonen vor im Hinblick auf die Dauer des Bezugs von SGB II, die Aufenthaltsdauer in Deutschland sowie die Art der Unterbringung? Der Statistik-Service der Bundesagentur für Arbeit wertet zu der Thematik Flucht/Asyl im „Migrationsmonitor Arbeitsmarkt“ die Eckwerte Arbeitsmarkt und Grundsicherung auf Länderebene aus. Für den Rechtskreis SGB II siehe Datei „Eckwerte Arbeitsmarkt und Grundsicherung auf Länderebene“, Reiter (T-Grundsicherung), im Dropdown- Menü „Hamburg“: http://statistik.arbeitsagentur.de/Navigation/Statistik/Service/Fluchtmigration/Migration smonitor-Arbeitsmarkt-Nav.html. Zur Dauer des Bezugs von SGB II siehe Anlage. Im Übrigen können Asylbewerber und Flüchtlinge in den Arbeitsmarktstatistiken nicht direkt erkannt werden. Es können lediglich Auswertungen nach der Staatsangehörigkeit vorgenommen werden. Hilfsweise wurde das Aggregat „Personen mit einer Staatsangehörigkeit aus einem der zugangsstärksten Herkunftsländern von Asylbewerbern “ oder kurz „Asylzugangsländer“ gebildet. 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In F äl le n, in d en en W er te v on N ul l e in e In fo rm at io n üb er d en M er km al st rä ge r o ffe n le ge n, w er de n au ch d ie se Drucksache 21/4843 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Anlage 4843ska_Text 4843ska_Anlage