BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4876 21. Wahlperiode 21.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Detlef Ehlebracht (AfD) vom 15.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Wirtschaftlichkeit und Auslastung der U4  Seit dreieinhalb Jahren erschließt sich die HafenCity nunmehr durch die U4. Da bei der HafenCity-Planung nichts dem Zufall überlassen wird und bei der Planung sogar die soziodemografische Zusammensetzung der Wohn- und Arbeitsbevölkerung Berücksichtigung findet, fehlt es sicher auch nicht an dem sogenannten Monitoring der Planung, also dem Abgleich zwischen Planung und Wirklichkeit. Im Zuge der Planung der U4 wurde in bekannter Art und Weise vom Senat versichert, für die Streckenführung der U4 alle Varianten untersucht, Vorund Nachteile entsprechend gewichtet zu haben und so zu der gewählten Trassenvariante gekommen zu sein. Dabei wurde entgegen berechtigter Bedenken eine besonders kurvenförmige und streckenintensive Linienführung gewählt. Vor dem Hintergrund, dass demnächst (bei der U5) wieder dieses „bewährte Verfahren“ zu Anwendung kommt, ist es zunächst einmal interessant zu prüfen, ob denn die im Zuge der Planung getroffenen Annahmen auch eingetreten sind. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Mit dem Bau der U-Bahn-Linie U4 wird ein wichtiger Grundstein für eine zukunftsfähige Entwicklung der Freien und Hansestadt Hamburg im Bereich der HafenCity zugunsten vieler Generationen gelegt. Die Standardisierte Bewertung von Verkehrswegeinvestitionen des öffentlichen Personennahverkehrs (ÖPNV), die deutschlandweit zur Analyse des gesamtwirtschaftlichen Kosten-Nutzen-Verhältnisses von ÖPNV-Projekten dient, wurde für den Bau der U4 in die HafenCity im Jahr 2007 durchgeführt. Für die Verlängerung der U4 zu den Elbbrücken sowie der Errichtung eines Zusatzhaltes der S-Bahn an gleicher Stelle inklusive eines Verbindungsbauwerkes wurde eine weitere Standardisierte Bewertung im Jahr 2015 durchgeführt. Bei dem Verfahren der Standardisierten Bewertung erfolgt die Ermittlung der prognostizierten Fahrgastzahlen anhand einer Verkehrsumlegung in einem Verkehrsmodell. Dabei wird auf die im Modell hinterlegten Strukturdaten wie Einwohnerzahlen und Arbeitsplätze zugegriffen. Bei den vorgenannten Untersuchungen wurde das Verkehrsmodell der Firma Intraplan verwendet. Hier wurde die Strukturentwicklung der HafenCity im geplanten Endzustand angesetzt, der in der Untersuchung des Jahres 2007 mit dem Jahr 2020 erreicht werden sollte. Dabei wurde von einer Bevölkerungszahl in Höhe von 11.000 und einer Beschäftigtenzahl in Höhe von 40.000 ausgegangen. Sämtliche im Masterplan HafenCity ausgewiesenen Strukturdaten wurden baufeldweise den jeweiligen Verkehrszellen im Modell der Firma Intraplan zugeordnet. Für die Untersuchung im Jahr Drucksache 21/4876 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 2015 wurden die Strukturdaten entsprechend der Fortschreibung des Masterplans HafenCity aktualisiert. Die HafenCity Hamburg GmbH (HCH) schätzt zum gegenwärtigen Zeitpunkt die Zahl der Bewohnerinnen und Bewohner im Projektgebiet HafenCity (ohne Speicherstadt) auf circa 2.500 Personen, die Zahl der Arbeitsplätze auf circa 11.000. Nach Fertigstellung der HafenCity geht die HCH von circa 13.000 – 14.000 Bewohnerinnen und Bewohnern und von circa 45.000 Arbeitsplätzen aus. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen auf Grundlage von Auskünften der HOCHBAHN und der Hamburger Verkehrsverbund GmbH (HVV) wie folgt: 1. Ist es zutreffend, dass im Rahmen der Planung für die U4 für den Streckenabschnitt Jungfernstieg-HafenCity Universität von 23.000 Fahrgästen täglich ausgegangen wurde und sich diese Zahl bis zur Fertigstellung der HafenCity auf 30.000 Fahrgäste steigern sollte? Wenn nein, wie waren die Annahmen denn? 2. Wie wurden die prognostizierten Fahrgastzahlen im Einzelnen ermittelt? Bitte angeben, welche Zahl an Einwohnern beziehungsweise Arbeitsplätzen in welchen Abständen zu den Stationen zugrunde gelegt wurden . Im Ergebnis der Modellrechnung der Firma Intraplan, die im Rahmen der Standardisierten Bewertung des ersten Bauabschnittes bis zum Überseequartier im Jahr 2007 durchgeführt wurde, ist ein tägliches Aufkommen von 33.500 Fahrgästen zwischen den Haltestellen Jungfernstieg und Überseequartier ermittelt worden (Summe aus beiden Richtungen, ohne Berücksichtigung der neuen Endhaltestelle Elbbrücken). Dies bezieht sich auf den damaligen Endzustand der Strukturentwicklung in der HafenCity. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 3. Ist es zutreffend, dass im ersten Betriebsjahr insgesamt auf der U4 lediglich 2 Millionen Fahrgäste befördert wurden, somit etwa 5.500 Fahrgäste pro Tag? Wenn nein, welche Fahrgastzahlen wurden denn ermittelt? Fahrgäste der U4: Überseequartier und HafenCity Universität Durchschnittlicher Werktag, Summe aus beiden Richtungen 2013 2014 2015 Jungfernstieg – Überseequartier 7.000 9.300 10.000 Überseequartier – HafenCity Universität 500 3.000 3.100 4. Wie viele Einwohner/Arbeitsplätze bestanden 2013 korrespondierend zu der Fahrgastzahl in den Einzugsbereichen der Stationen? Erkenntnisse zu Einwohner- und Arbeitsplatzzahlen liegen der zuständigen Behörde nicht vor. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 5. Wie hat sich die Fahrgastzahl in den weiteren Jahren 2014, 2015 und 2016 (erstes Halbjahr) entwickelt? Siehe Antwort zu 3. Die Zahlen für das erste Halbjahr 2016 liegen noch nicht vor. 6. Wie haben sich korrespondierend die Werte für die Einwohner- und Arbeitsplatzanzahl entwickelt? Erkenntnisse zu Einwohner- und Arbeitsplatzzahlen liegen der zuständigen Behörde nicht vor. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 7. Wie verteilen sich die Fahrgastzahlen auf die beiden Stationen Überseequartier und HafenCity Universität? Siehe Antwort zu 3. 8. Ausgehend von 5.500 Fahrgästen pro Tag und 114 Fahrten pro Tag und Richtung im aktuellen Fahrplan befördert jeder Zug zwischen Jungfernstieg und HafenCity Universität durchschnittlich 24 Fahrgäste. Wie wird Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4876 3 diese Auslastung beurteilt? Entspricht sie den Erwartungen und wie wird sich aufgrund der aktuellen Erfahrungen und Ausbaupläne der HafenCity die Auslastung in den nächsten fünf Jahren entwickeln? Das zentrale Ziel beim Bau der U4 in die HafenCity war die Errichtung der Trasse vor der Errichtung der Oberflächenbebauung. So konnten und können mögliche Konflikte des U-Bahn-Baus mit der Wohn- und Gewerbenutzung von vornherein vermieden werden. Zusätzlich sind fertiggestellte Projekte von Anfang an mit dem Schnellbahnnetz der Stadt verbunden. Dieses Konzept bedingt, dass die Fahrgastzahlen zunächst noch niedriger sind und mit dem Fortschritt der Oberflächenbebauung stetig anwachsen . Das Angebot wird unter Berücksichtigung von Bedienstandards laufend an die Nachfrage angepasst. Mit Fertigstellung des südlichen Überseequartiers (260.000 m² Bruttogrundfläche), in dem eine Mischung aus Kreuzfahrtterminal, Hotel, Büros, Wohnungen und Einkaufszentrum mit Gastronomie entstehen soll, sowie der neuen Quartiere Baakenhafen und Elbbrücken wird eine weitere deutliche Zunahme der Fahrgastzahlen erwartet. 9. Wie viele Einwohner beziehungsweise Arbeitsplätze werden nach Abschluss der Bauphase der HafenCity in den Einzugsbereichen der Stationen Überseequartier, HafenCity Universität und Elbbrücken vorhanden sein? Siehe Vorbemerkung. 10. Können die im Zuge der Planung der U4 getroffenen Annahmen zur Frequentierung, die vierfach höher liegen, angesichts des erreichten Ausbaustandes der HafenCity und der zwischenzeitlich auch noch vorgesehenen S-Bahn-Station Elbbrücken überhaupt noch erreicht werden? Für die Planungen zur Verlängerung der U4 bis zu den Elbbrücken wurde eine eigenständige Standardisierte Bewertung durchgeführt (siehe Vorbemerkung). Die dafür erforderliche Berechnung erfolgte mit Berücksichtigung der S-Bahn-Haltestelle Elbbrücken . Hierbei wurden folgende Fahrgastzahlen für die U4 ermittelt (werktäglich, Summe aus beiden Richtungen): Jungfernstieg – Überseequartier: 46.700 Überseequartier – HafenCity Universität: 28.800 HafenCity Universität – Elbbrücken: 17.500 Erfahrungen mit den Modellrechnungen zeigen, dass darin die tatsächlich eintretenden Fahrgastzahlen stimmig abgebildet werden. Im Rahmen der Planungen zur S-Bahn-Station Elbbrücken und dem Verbindungsbauwerk zwischen S- und U-Bahn- Station hat sich gezeigt, dass die Errichtung einer gemeinsamen Umstiegshaltestelle die Gesamtwirtschaftlichkeit der U4 steigert. Dies gelingt beispielsweise dadurch, dass die aus Süden kommenden Fahrgäste mit Richtung HafenCity nicht mehr umwegig „im Bogen“ über Jungfernstieg anreisen werden, sondern an der S-Bahn- Station Elbbrücken aus- oder in die U4 mit Ziel HafenCity umsteigen werden. Insgesamt verteilen sich die Verkehrsströme im Bereich Elbbrücken/HafenCity/Innenstadt dann gleichmäßiger. 11. Wie hoch wäre die grenzwertige Fahrgastzahl gewesen, die im Zuge der Nutzen-Kosten-Analysen seinerzeit zum Scheitern des Projektes geführt hätte? Die Methodik der Standardisierten Bewertung stellt den Kosten-Nutzen-Faktor eines Projektes dar und vergleicht diesen wiederum mit dem sogenannten Ohnefall, also dem Weglassen des Projekts. Bei der U4 in die HafenCity ist in diesem „Ohnefall“ beispielsweise eine neue Buslinie berücksichtigt, die die Quartiere der HafenCity angemessen erschlossen hätte. Dies hätte zusätzliche Kosten im Busbetrieb erzeugt. Bei den Berechnungen wird auch das Angebot auf der geplanten U-Bahn mit der Nachfrage auf Plausibilität hin untersucht. Bei geringerer Nachfrage wird das Angebot reduziert. Hierdurch sinken sowohl Nutzen (weniger Fahrgäste) als auch die Kosten (Betriebskosten der neuen U-Bahn-Linie). Drucksache 21/4876 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Die Standardisierte Bewertung erfolgt durch die Abstimmung und Feinjustierung zahlreicher Einzelprämissen, die in Wechselwirkungen zueinander stehen. Eine generelle Aussage ist folglich nicht zu treffen. 12. Wilhelmsburg hat rund 53.000 Einwohner, von denen nur ein Bruchteil im direkten Einzugsbereich der S-Bahn-Station wohnt. Wie hoch ist dieser Anteil? Der Einzugsbereich (720 Meter im realen Fußwegenetz) der S-Bahn-Station Wilhelmsburg liegt vollständig im Stadtteil Wilhelmsburg. In diesem Einzugsbereich leben rund 6.200 Einwohnerinnen und Einwohner. Der Einzugsbereich der S-Bahn-Station Veddel schneidet die Stadtteile Veddel, Kleiner Grasbrook und Wilhelmsburg an. Im Wilhelmsburger Teil des Einzugsbereiches leben rund 500 Einwohnerinnen und Einwohner . 13. Die übrigen Einwohner von Wilhelmsburg könnten durch von eine Verlängerung der U4 nach Süden für das Schienennetz direkt erschlossen werden. Existieren bereits Untersuchungen über die diesbezüglichen Möglichkeiten? Wenn ja, mit welchem Ergebnis beziehungsweise wo sind diese einsehbar ? Eine Verlängerung der U4 über die Elbbrücken hinaus bis nach Wilhelmsburg wurde zuletzt im Rahmen der Konzeptstudie der HOCHBAHN zu den generellen Ausbauperspektiven des U-Bahn-Netzes im Jahr 2014 untersucht. Diese Konzeptstudie ist im Transparenzportal der Stadt einsehbar.