BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4880 21. Wahlperiode 21.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Dr. Alexander Wolf (AfD) vom 15.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Schwerwiegende linksextremistische Gewalttaten in Hamburg: Wie wird das Thema in den Schulen behandelt? Nach dem aktuellen Bericht des Landesamtes für Verfassungsschutz Hamburg steigt die Zahl linksextremistisch motivierter Straftaten wie Sachbeschädigungen , Brandstiftungen und Gewalttaten in Hamburg weiter an.1 Das öffentliche Erscheinungsbild des Linksextremismus in Hamburg wird gerade auch durch diese Gewalttaten, wie sie insbesondere bei den jährlichen Mai- Krawallen sowie bei diversen Aufzügen und Aktionswochen der autonomen Szene verübt werden, geprägt. Im Bereich der besonders schwerwiegenden linksextremistischen Gewalttaten kam es in den letzten Jahren wiederholt zu Mord- und Totschlagsversuchen gegenüber Hamburger Polizeibeamten. Drei markante Fälle sollen hier kurz dargestellt werden: 1. Während eines Aufzuges unter dem Motto „Das Proletariat hat kein Vaterland“ am 01.05.2014 wurde ein Polizeifahrzeug mit zwei Insassen von unbekannten Tätern mit zwei „Molotowcocktails“ angegriffen. Ein Brandsatz durchschlug dabei die Heckscheibe des Fahrzeugs, zündete zum Glück für die Polizeibeamten aber nicht. Die Staatsanwaltschaft nahm Ermittlungen wegen versuchten Mordes auf.2 2. Während der „Squatting Days“ besetzten mehrere Personen am 27.08.2014 ein leer stehendes Mehrfamilienhaus an der Breiten Straße. Polizisten, die das Gebäude räumen sollten, wurden unter anderem mit einer Nachtspeicherheizung, einer Tür und weiteren schweren Gegenständen aus den Obergeschossen beworfen. Gegen drei Beschuldigte wurde ein Hauptverfahren wegen versuchten Totschlags eröffnet.3 3. Am 28.12.2013 wurden bei einem Angriff von 30 bis 40 Vermummten auf die Davidwache im Hamburger Stadtteil St. Pauli mehrere Polizeibeamte schwer verletzt. Ein 45-jähriger Polizist erlitt einen Kiefer- und Nasenbruch sowie eine Schnittverletzung im Gesicht, als ihm einer der Täter aus nächster Nähe einen Stein ins Gesicht schlug. Die Deutsche Polizeigewerkschaft kommentierte den Fall mit den Worten: „Wer aus kür- 1 Landesamt für Verfassungsschutz Hamburg: „Verfassungsschutzbericht 2014, unter: http://www.hamburg.de/contentblob/4509404/870370bd5c211c719ddbe52c23e61866/data/ver fassungsschutzbericht-2014-bericht-lfv.pdf (abgerufen am: 02.06.2016), Seite 77. 2 Ebenda, Seite 82. 3 Ebenda. Drucksache 21/4880 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 zester Distanz Flaschen und Steine auf Polizisten wirft, nimmt billigend in Kauf, dass Menschen getötet werden.“4 Die demokratiegefährdende Ideologie des Linksextremismus in Verbindung mit den besonders schwerwiegenden linksextremistischen Gewalttaten in unserer Stadt sollten auch in den Hamburger Schulen angemessen thematisiert und behandelt werden. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. Inwieweit und in welchem Umfang wird das Thema Linksextremismus im Unterricht der Hamburger Stadtteilschulen und Gymnasien explizit thematisiert ? Bitte die entsprechenden Verankerungen in den Bildungs- und Rahmenplänen nach Unterrichtsfach, Schulart und Jahrgangsstufe aufschlüsseln . 2. Welche Unterrichtsprojekte oder Schülerwettbewerbe fanden in den Hamburger Schulen in den letzten fünf Jahren statt, die sich explizit mit den Gefährdungen für unsere Demokratie durch den Linksextremismus beschäftigen? Bitte die Schul- und Fachleitungen der Schulen kontaktieren und nach diesbezüglichen Projekten und Schülerwettbewerben (zum Beispiel in den gesellschaftswissenschaftlichen Fächern) abfragen. Die für Bildung zuständige Behörde erhebt weder die konkreten Einzelthemen oder Projekte, die Lehrkräfte im Unterricht an Stadtteilschulen beziehungsweise Gymnasien mit ihren Schülerinnen und Schülern bearbeiten, noch die Beteiligung einzelner Schulen an Wettbewerben. Von einer Schulabfrage wurde abgesehen, da die Schul- und Fachleitungen bereits im Rahmen der Beantwortung der Parlamentarischen Anfrage Drs. 21/4760 zu den im Fach Politik/Gesellschaft/Wirtschaft (PGW) eingesetzten Schulbüchern des Schroedel -Schulbuchverlags befragt werden und eine neuerliche Befragung einen unverhältnismäßigen Aufwand in den Schulen verursachen würde, da erneut alle im Fach PGW eingesetzten Lehrkräfte befragt werden müssten. Die in den Rahmenplänen enthaltenen inhaltlichen Vorgaben im Fach PGW beziehungsweise im Aufgabengebiet Sozial- und Rechtserziehung an Stadtteilschulen und Gymnasien orientieren sich in der Regel an übergreifenden, grundsätzlichen Themenfeldern und -schwerpunkten, nicht aber an einzelnen Ereignissen oder Themen. Über die Konkretisierung der inhaltlichen und kompetenzbezogenen Rahmenplanvorgaben in Einzelthemen entscheiden die Lehrkräfte im Rahmen ihrer pädagogischen Verantwortung für die Gestaltung des Unterrichts eigenständig; dabei sind die geltenden rechtlichen Vorgaben zu beachten. 3. Inwieweit waren und/oder sind die in der Einleitung beschriebenen Fälle besonders schwerwiegender linksextremistischer Gewalttaten gegen Hamburger Polizeibeamte (1. – 3.) (auch teilweise) expliziter Bestandteil von Lehrerfortbildungen, Handreichungen oder Broschüren, veranstaltet oder herausgegeben von der Behörde für Schule und Berufsbildung? Im Aufgabengebiet Sozial- und Rechtserziehung des Landesinstituts für Lehrerbildung und Schulentwicklung (LI) der für Bildung zuständigen Behörde wird die zentrale Aufgabe wahrgenommen, die zivilgesellschaftlichen Kompetenzen von Kindern, Jugendlichen und jungen Erwachsenen für ein soziales Miteinander und die Partizipation in der Demokratie zu entwickeln und zu fördern. Zunehmende Bedeutung kommt dabei der Präventionsarbeit gegen jegliche Formen von Menschenrechts- und Demokratiefeindlichkeit zu, zu der auch Linksextremismus zählt. Das LI bietet diesbezüglich Beratung und Fortbildung für Lehrkräfte an; das aktuelle Fortbildungsprogramm enthält entsprechende Angebote. 4 „SPIEGEL ONLINE“ am 29.12.2013, unter: http://www.spiegel.de/panorama/justiz/dutzendevermummte -verletzen-auf-st-pauli-hamburger-polizisten-schwer-a-941194.html (abgerufen am: 02.06.2013). Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4880 3 In Fortbildungen und Beratungen, in denen das Thema Extremismus aufgegriffen wird, wird auf das bundesweit zur Verfügung gestellte Unterrichtsmaterial verwiesen. Dazu gehören beispielsweise das Informationsportal zur politischen Bildung, ein Angebot der Landeszentralen für politische Bildung (siehe http://www.politischebildung .de/) sowie diverse Medien der Bundeszentrale für politische Bildung (BpB) zu Linksextremismus beziehungsweise Extremismus allgemein (siehe http://www.bpb.de/). Zudem gehört es zu den Aufgaben der Landeszentrale für politische Bildung, in ihrem Infoladen Publikationen zum Thema Extremismus bereitzuhalten . Angesichts des bundesweit verfügbaren Informationsangebots wurden von der für Bildung zuständigen Behörde keine spezifischen Eigenpublikationen zu diesem Thema erstellt. 4. Inwieweit sind die in der Einleitung beschriebenen linksextremistischen Mord- und Totschlagsversuche gegen Hamburger Polizeibeamte (1. – 3.) (auch teilweise) expliziter Bestandteil des Unterrichts in den Hamburger Stadtteilschulen und Gymnasien gewesen? Bitte hierzu die Fachleitungen der Schulen kontaktieren und abfragen. Siehe Antwort zu 1. und 2. 5. Inwieweit gab oder gibt es von der Stadt organisierte und/oder geförderte Begegnungen von Hamburger Schülern mit Polizisten oder anderen Personen, die Opfer schwerwiegender linksextremistischer Gewalttaten – wie in den Fällen 1. – 3. beschrieben – wurden? Dazu liegen den zuständigen Behörden keine Kenntnisse vor. 6. Gibt oder gab es städtische Projekte (ständige Ausstellungen, Wanderausstellungen , Broschüren) zum Thema Linksextremismus in Hamburg? 7. Aus welchen Mitteln der öffentlichen Hand und in welchem Umfang wurden Projekte, die den Hamburger Linksextremismus thematisieren, finanziert (bitte auch die konkrete Haushaltsposition angeben)? Prävention gegen Linksextremismus ist Bestandteil der Aufgaben der Dienststelle zur Prävention gegen gewaltzentrierten Ideologien im Landeskriminalamt Hamburg; Projekte im Sinne der Frage werden dort jedoch nicht durchgeführt. Das Landesamt für Verfassungsschutz (LfV) Hamburg informiert im Rahmen seiner gesetzlich vorgeschriebenen Öffentlichkeitsarbeit über die Gefahren, die vom Linksextremismus in Hamburg ausgehen. Dies geschieht durch umfangreiche Medienarbeit (Pressestatements , Interviews, Internetbeiträge auf der Homepage, jährlicher Verfassungsschutzbericht ) sowie durch Vorträge und Teilnahme an Diskussionsveranstaltungen. Die dafür verwendeten Ressourcen werden im Gesamtbudget des LfV Hamburg (Einzelplan 8.1, Behörde für Inneres und Sport, Aufgabenbereich 273 – Verfassungsschutz) nicht gesondert erfasst. 8. Welche Maßnahmen hat die Behörde für Schule und Berufsbildung seit 2013 ergriffen, um die Erinnerung an und die Aufarbeitung von besonders schwerwiegende/n linksextremistische/n Gewalttaten – wie in den Fällen 1. – 3. beschrieben – im Hamburger Schul- und Erziehungskontext wachzuhalten beziehungsweise voranzutreiben? Siehe Antworten zu 1. und 2. sowie 3.