BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4906 21. Wahlperiode 24.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Inge Hannemann und Cansu Özdemir (DIE LINKE) vom 16.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Randthema: „Sozialbestattungen“ in Hamburg? In Todesfällen, bei denen keine Angehörigen zu ermitteln sind, fällt die Aufgabe der Bestattung staatlichen Stellen zu. In Hamburg ist dies in §10 Hamburgisches Bestattungsgesetz geregelt. Für Angehörige, die eine Kostenübernahme für eine Bestattung nicht gewährleisten können, kann eine staatliche Stelle die Kostenübernahme der Bestattung leisten. Insbesondere für Angehörige in Bezug von Leistungen nach SGB II oder SGB XII stellen die Kosten der Bestattung eines Angehörigen eine kaum zu bewältigende Aufgabe dar. In §74 SGB XII ist angegeben, dass die Bestattungskosten zu übernehmen sind, „soweit es den Verpflichteten nicht zugemutet werden kann, die Kosten zu tragen.“ Bei „Sozialbestattungen“ können Angehörige darauf bestehen, dass die Bestattung über eine anonyme Bestattung hinausgeht. Weiterhin ist jedoch die Art der Bestattung nicht bundeseinheitlich geregelt. Im Schnitt geben die Kommunen circa 2.500 Euro für eine Sozialbestattung aus. Vor diesen Hintergrund fragen wir den Senat: 1. In welchen Konstellationen/Fällen übernimmt die Stadt Hamburg in ihrer kommunalen Zuständigkeit die Bestattungskosten und welche Stelle/ Behörde ist hierfür zuständig? Die Freie und Hansestadt Hamburg (FHH) übernimmt gemäß § 74 SGB XII die Kosten einer Sozialbestattung in den Fällen, in denen aufgrund mangelnder finanzieller Möglichkeiten den zur Bestattung verpflichteten Personen das Tragen der Kosten nicht zuzumuten ist. Zuständig für die Entgegennahme und Bewilligung von Anträgen sind die bezirklichen Grundsicherungs- und Sozialdienststellen; getragen werden die Kosten durch die Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration. Wird in einem Todesfall niemand tätig, beispielsweise weil die Angehörigen nicht oder nicht rechtzeitig für eine Bestattung sorgen oder keine bestattungspflichtigen Angehörigen ausfindig zu machen sind, ist seitens des zuständigen Bezirksamtes eine Bestattung nach § 10 Bestattungsgesetz zu veranlassen. Sofern Angehörige bekannt sind, werden diese von der Hamburger Friedhöfe – AöR – auf ihre Bestattungs- und Kostentragungspflicht hingewiesen. Die Kosten der veranlassten Maßnahmen sind der Freien und Hansestadt Hamburg vom Pflichtigen zu erstatten. 2. Wie ist der verwaltungstechnische Ablauf, wenn Angehörige eines Verstorbenen /einer Verstorbenen einen Antrag auf Kostenübernahme beziehungsweise Sozialbestattung stellen? Drucksache 21/4906 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Das örtlich zuständige Grundsicherungs- und Sozialamt nimmt den Antrag entgegen und entscheidet anhand einer Prüfung im Einzelfall, ob die Übernahme der Kosten gerechtfertigt ist. Liegen die Voraussetzungen für eine Kostenübernahme vor, wird eine Kostenübernahmeerklärung ausgehändigt, mit der die berechtigte Person einen Bestatter ihrer Wahl aus einer Liste von rund 150 Bestattungsunternehmen aus Hamburg und dem Hamburger Umland auswählen kann. Nach erfolgter Bestattung rechnet das Unternehmen mit der Zentralen Abrechnungsstelle für Sozialbestattungen im Bezirk Eimsbüttel ab. 3. Welche durchschnittlichen Kosten trägt die Stadt Hamburg bei dem in Frage 2. abgefragten Verfahren? Für die Freie und Hansestadt Hamburg fielen bei der Übernahme von Beerdigungskosten für Sozialbestattungen gemäß § 74 SGB XII im Jahr 2015 (jüngstes vollständig verfügbares Berichtsjahr) im Durchschnitt Kosten von 2.462,74 Euro an. Quelle: Datawarehouse, Sozialhilfe 4. Wie ist der verwaltungstechnische Ablauf, wenn von einem Verstorbenen kein Angehöriger ermittelt werden kann? Ist eine anonymisierte Bestattung zwingend vorgesehen? Welche Merkmale werden fallweise erfasst? Stellt binnen eines Zeitraumes von 14 Tagen kein Angehöriger einen Antrag auf Bestattung eines Verstorbenen, veranlasst die zuständige Sozialdienststelle die Beisetzung von Amts wegen durch die Hamburger Friedhöfe – AöR – (HF). Bestattungen nach § 10 Bestattungsgesetz erfolgen grundsätzlich immer in einer Urnenreihengrabstätte in Rasenlage; dies sind regelhaft keine anonymen Bestattungen . Personenstandsrechtliche Daten (zum Beispiel Name, Geburts- und Sterbedaten, Wohnort) werden, soweit bekannt, erfasst. 5. Welche durchschnittlichen Kosten entstehen bei dem in Frage 4. abgefragten Verfahren? Für ordnungsrechtliche Bestattungen gemäß § 10 Hamburgisches Bestattungsgesetz sind im Jahr 2015 (jüngstes vollständiges Berichtsjahr) durchschnittliche Ausgaben von 1.876,29 Euro angefallen. Quelle: Datawarehouse, Sozialhilfe 6. Welche Kosten bei der Übernahme von Beerdigungskosten fallen allgemein für die Stadt Hamburg im Durchschnitt an? Bitte einzelne Posten angeben. Zu einzelnen Kostenbestandteilen der Bestattungen nach § 74 SGB XII wurden folgende Durchschnittskosten ermittelt: Friedhofsgebühren Erdbestattung 1.804,92 € Friedhofsgebühren Feuerbestattung 1.401,82 € Bestatterleistung Erdbestattung 966,18 € Bestatterleistung Feuerbestattung 676,53 € Bestatterleistung Seebestattung 1.068,69 € Nachträgliche Bewilligungen an Angehörige (nicht nach Bestattungsart differenziert) 1.722,81 € Quelle: Datawarehouse, Sozialhilfe Im Übrigen siehe Antworten zu 3 und zu 5. 7. In welchen Fällen wird eine anonymisierte Bestattung vorgenommen? Siehe Antwort zu 4. 8. Gibt es einen gesonderten Weg, wenn die verstorbene Person minderjährig ist, keine Angehörigen zu ermitteln sind und die Person sich vorher in staatlicher Obhut befand (vergleiche §§ 90 fortfolgende SGB XIII)? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4906 3 Bei Tod eines Minderjährigen, der bis zu seinem Sterbetag in Hilfen zur Erziehung stationär untergebracht war, kann im Rahmen des § 39 SGB VIII in besonderen Ausnahmefällen auch die Bewilligung eines angemessenen Zuschusses zu den Beerdigungskosten gewährt werden. Dies gilt nur, soweit diese Kosten nicht nach § 74 SGB XII vom Sozialhilfeträger oder aus dem Nachlass des Kindes gedeckt werden können oder wenn zur Übernahme der Kosten verpflichtete Angehörige nicht vorhanden oder nicht zu ermitteln sind. 9. Wo wird die Einäscherung für „Sozialbestattungen“ vorgenommen? Wird diese aus Kostengründen im Ausland vorgenommen? Wenn ja, wo und in welchen Fällen? Die Einäscherung wird in Fällen, in denen bei einer Sozialbestattung eine Feuerbestattung gewünscht ist, sowie bei Bestattungen nach § 10 Bestattungsgesetz regelmäßig in den Krematorien der HF in Hamburg-Ohlsdorf oder Hamburg-Öjendorf vorgenommen . Eine Einäscherung im Ausland wird nicht veranlasst. 10. Wie viele Anträge auf „Sozialbestattung“ (§ 74 SGB XII i.V.m. „Fachanweisung Sozialbestattung“) wurden in den Jahren 2011 – 2016 gestellt und wie viele Anträge wurden hiervon abgelehnt? Bitte pro Bezirk auflisten . Anträge und Ablehnungen auf Sozialbestattung werden nicht erfasst. 11. Wie viele „Sozialbestattungen“ (§ 74 SGB XII i.V.m. „Fachanweisung Sozialbestattung“) gab es in den Jahren 2011 – 2016 in Hamburg? Bitte für die einzelnen Jahre angeben und prozentual ins Verhältnis zur Gesamtzahl an Bestattungen in Hamburg setzen. Jahr Anzahl Sozialbestattungen * Gesamtzahl der Bestattungen** Anteil der Sozialbestattungen 2011 1.480 16.592 8,9 % 2012 1.452 16.293 8,9 % 2013 1.515 16.593 9,1 % 2014 1.435 16.057 8,9 % 2015 1.476 16.401 9,0 % 2016 (Januar bis März) 378 k.A.** k.A. * Quelle: Datawarehouse, Sozialhilfe; für 2016 liegen bisher nur Angaben für die Monate 01 – 03 vor. ** Quelle: BUE; eine Auswertung für 2016 erfolgt erst Anfang 2017. a. In wie vielen Fällen wurde ein Antrag im Vorfeld der Bestattung gestellt? Zu den Anträgen siehe Antwort zu 10. Im Vorfeld wurde folgende Anzahl von Sozialbestattungen gemäß § 74 SGB XII bewilligt : 2011 1.247 2012 1.172 2013 1.252 2014 1.193 2015 1.223 2016 (Januar bis März) 312 Quelle: Datawarehouse, Sozialhilfe b. In wie vielen Fällen wurde der Antrag im Nachhinein gestellt? Zu den Anträgen siehe Antwort zu 10. Drucksache 21/4906 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Im Nachhinein wurde folgende Anzahl von Sozialbestattungen gemäß § 74 SGB XII bewilligt: 2011 233 2012 280 2013 263 2014 242 2015 253 2016 (Januar bis März) 66 Quelle: Datawarehouse, Sozialhilfe c. In wie vielen Fällen wurden die Kosten der Bestattung nur zum Teil übernommen? Wie hoch ist in diesem Fall die durchschnittliche Kostenübernahme ? Die erfragten Daten werden nicht automatisiert auswertbar erfasst. Eine händische Auswertung von mehreren Tausend Akten im Zeitraum von 2011 bis 2016 ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 12. Welche Gründe werden für die „Sozialbestattungen“ vermerkt? Bitte die Anzahl für die einzelnen Gründe für die Jahre 2011 – 2016 angeben. Gründe für Sozialbestattungen werden statistisch nicht erfasst. Anträge auf Kostenübernahme für eine Sozialbestattung werden in der Regel gestellt, weil kein ausreichender Nachlass der/des Verstorbenen vorhanden ist und die zur Bestattung verpflichteten Personen die Kosten nicht selbst tragen können. 13. Wie viele Bestattungen wurden im Rahmen der „Sozialbestattung“ beziehungsweise Kostenübernahme durch die Stadt Hamburg im Ausland vorgenommen? Bitte auch für die Jahre 2011 – 2016 einzeln angeben . 14. Wie viele Bestattungen wurden im Rahmen der „Sozialbestattung“ beziehungsweise Kostenübernahme durch die Stadt Hamburg in einem anderen Bundesland vorgenommen? Bitte auch für die Jahre 2011 – 2016 einzeln angeben. Die erfragten Daten werden nicht automatisiert auswertbar erfasst. Eine händische Auswertung von mehreren Tausend Akten im Zeitraum von 2011 bis 2016 ist in der für die Beantwortung einer Parlamentarischen Anfrage zur Verfügung stehenden Zeit nicht möglich. 15. Wie bewertet der Senat die Anzahl und die Entwicklung der Zahlen der „Sozialbestattungen“ für den abgefragten Zeitraum? 16. Wie bewertet der Senat die Forderung nach einer bundesweiten Vereinheitlichung der Übernahme der Bestattungskosten im Rahmen der „Sozialbestattung “? Hiermit hat sich der Senat bisher nicht befasst.