BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4914 21. Wahlperiode 24.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Richard Seelmaecker (CDU) vom 16.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Einflussnahme des Justizsenators auf das Ermittlungsverfahren gegen Gregor Gysi und auf Personalbeurteilungen Am 13.Juni 2016 teilte die Staatsanwaltschaft mit, dass das Ermittlungsverfahren gegen Gregor Gysi wegen Verdachts der falschen eidesstattlichen Versicherung eingestellt worden sei. Dem war eine streitige Auseinandersetzung innerhalb der Hamburgischen Staatsanwaltschaften und der Justizbehörde vorausgegangen. Der zuständige Dezernent wollte das Verfahren bereits vor über einem Jahr einstellen. Der damalige Generalstaatsanwalt Lutz von Selle hingegen sah hinreichenden Tatverdacht als gegeben an und wies daher im Wege der Dienstaufsicht den zuständigen Dezernenten an, Anklage zu erheben. Da der Dezernent dies ablehnte und gegen die Weisung des Generalstaatsanwaltes remonstrierte , hatte der Justizsenator über die Beschwerde zu entscheiden. Ende August 2015 hob der Senator die Weisung des Generalstaatsanwaltes auf, ermahnte jedoch zugleich die Staatsanwaltschaft zu weiteren Ermittlungen. Neben dieser dienstrechtlichen Einflussnahme des Senators auf den Behördenleiter soll es eine weitere Einflussnahme gegeben haben. Die Personalbeurteilung des damaligen Behördenleiters, die sich auf eine Abteilungsleiterin bei der Staatsanwaltschaft bezog, soll im Rahmen des Widerspruchsverfahrens von der Justizbehörde aufgehoben worden sein. Kurz darauf informierte die Justizbehörde die Öffentlichkeit in ungewöhnlich knapper Mitteilung, dass der Generalstaatsanwalt auf eigenen Wunsch zum 1.Oktober 2015 in den Ruhestand treten werde. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Gegen die Entscheidung des Generalstaatsanwalts in dem Ermittlungsverfahren gegen Dr. Gregor Gysi hat der Leitende Oberstaatsanwalt als Leiter der Staatsanwaltschaft Hamburg remonstriert, da die Weisung – entsprechend der behördlichen Hierarchie – diesem gegenüber erteilt worden ist. Nach Übersendung der Akten an die zuständige Behörde hat der Generalbundesanwalt Schriftstücke zur Akte übersandt, die weder der Staatsanwaltschaft noch der Generalstaatsanwaltschaft zum Zeitpunkt ihrer jeweiligen Entscheidung bekannt waren. Im Rahmen seiner Entscheidung über die Remonstration hat der Präses der zuständigen Behörde – lediglich – darauf hingewiesen , dass sich aus diesen Schriftstücken neue Ermittlungsansätze ergeben könnten. Die Darstellung, dass eine Personalbeurteilung des damaligen Behördenleiters, die sich auf eine Abteilungsleiterin bei der Staatsanwaltschaft bezog, im Rahmen des Widerspruchsverfahrens von der Justizbehörde aufgehoben wurde, trifft nicht zu. Im Drucksache 21/4914 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Hinblick auf den Personalaktendatenschutz ist der Senat im Übrigen nach dem Hamburgischen Beamtengesetz daran gehindert, weitere Einzelheiten dazu und zu den konkreten Umständen des Vorgangs mitzuteilen. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Welche Gründe führte der damalige Generalstaatanwalt für seine Weisung zur Anklageerhebung an? Der damalige Generalstaatsanwalt hat aufgrund des Aktenmaterials die Beweislage bewertet und ist – anders als sämtliche mit dem Verfahren befassten Hierarchieebenen der Staatsanwaltschaft – zu dem Ergebnis gelangt, dass ein hinreichender Tatverdacht für eine falsche Versicherung an Eides Statt gemäß § 156 StGB vorliege. Er hat dazu eine Vielzahl von Beweismitteln und Indizien bewertet. Eine verkürzte Darstellung einzelner Gründe wäre nicht aus sich heraus verständlich und würde den jeweils umfangreichen Erwägungen der Staatsanwaltschaft und des damaligen Generalstaatsanwalts nicht gerecht. 2. Welche Rechts- und Sachverhaltsprüfungen wurden seitens der Justizbehörde vor der Entscheidung des Senators, die Weisung des damaligen Generalstaatsanwalts aufzuheben, im Einzelnen von wem durchgeführt ? Die Entscheidung des Präses der zuständigen Behörde ist von der Leitung der zuständigen Aufsichtsabteilung in Absprache mit der zuständigen Amtsleitung vorbereitet worden. Zu diesem Zweck erfolgte zunächst eine rechtliche Prüfung dahin gehend, welcher Prüfungsmaßstab der Entscheidung zugrunde zu legen ist. Diese Prüfung hat ergeben, dass eine Bestätigung der Weisung, Anklage zu erheben, nur dann in Betracht kommt, wenn der Weisungsgebende selbst davon überzeugt ist, dass hinreichender Tatverdacht vorliegt. Aus diesem Grund wurde das gesamte Aktenmaterial einschließlich aller Beweismittel ausgewertet und eine selbständige Bewertung der Rechts- und Beweislage vorgenommen. Auf der Grundlage dieser Auswertung unter Beiziehung der vorliegenden Ermittlungsakten hat der Präses der zuständigen Behörde seine Entscheidung getroffen und im Ergebnis die Weisung des Generalstaatsanwalts nicht bestätigt. 3. Wann wurden welche weiteren Ermittlungen seit Aufhebung der Weisung durch den Justizsenator im Einzelnen von der Staatsanwaltschaft eingeleitet? Anlass der weiteren Ermittlungen waren Unterlagen des Generalbundesanwaltes, die im Juli 2015 bei der Generalstaatsanwaltschaft eingingen und an die Justizbehörde zur dort befindlichen Akte nachgesandt wurden. Nach den Unterlagen des Generalbundesanwaltes soll eine Quelle des Bundesamtes für Verfassungsschutz (BfV) Angaben zu dem Beschuldigten Gysi gemacht haben. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zielten darauf ab, die Quelle des BfV namhaft zu machen und zur weiteren Sachverhaltsaufklärung zeugenschaftlich zu vernehmen. Das BfV benannte die Quelle nicht, das Bundesministerium des Innern als oberste Dienstbehörde des BfV erteilte analog § 96 StPO eine Sperrerklärung, wonach die Personalien der Quelle nicht benannt werden könne. Die Ermittlungen der Staatsanwaltschaft zu diesem Sachverhalt dauerten von Oktober 2015 bis zum März 2016. 4. Welche Teile der Staatsanwaltschaft und/oder Generalstaatsanwaltschaft waren mit den Ermittlungen sowie der Entscheidung zur Einstellung des Verfahrens beschäftigt? Mit den Ermittlungen war ausschließlich der zuständige Dezernent der Staatsanwaltschaft betraut. Mit der Entscheidung zur Einstellung des Verfahrens waren darüber hinaus dessen Vorgesetzte bei der Staatsanwaltschaft und der Generalstaatsanwaltschaft befasst. 5. Bestand während der weiteren Ermittlungen im Zeitraum Ende August 2015 bis zum Erlass der Einstellungsverfügung in irgendeiner Form eine Abstimmung zu dem Fall Gysi zwischen (General-)Staatsanwaltschaft und Justizbehörde? Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4914 3 Falls ja, zwischen wem, wann, zu welchen Fragen, aus welchen Gründen und in welchem Umfang? Nein. 6. Wann erfolgte die streitige Personalbeurteilung? 7. Wann wurde dagegen Widerspruch eingelegt? Siehe Vorbemerkung. 8. Welche Stellen waren mit der Prüfung des Widerspruchs befasst? Die Abhilfeentscheidungen bei Widersprüchen gegen Beurteilungen werden grundsätzlich in der Personalabteilung der zuständigen Behörde bearbeitet. Im Übrigen siehe Vorbemerkung. 9. Waren auch der Senator oder die Staatsrätin mit der Widerspruchsangelegenheit befasst und falls ja, wer, wann, wie und in welchem Umfang? Präses und Staatsrätin der zuständigen Behörde werden im Regelfall über Beurteilungswidersprüche des höheren Justizdienstes informiert. Im Übrigen siehe Vorbemerkung . 10. Wurde mit dem Beurteiler im Rahmen des Widerspruchsverfahrens und der Abhilfeentscheidung Einvernehmen hergestellt? Falls nicht, wieso nicht? Siehe Vorbemerkung.