BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4928 21. Wahlperiode 24.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Detlef Ehlebracht (AfD) vom 17.06.16 und Antwort des Senats Betr.: AWO Haus Billetal – Was ist dran an der geplanten Unterbringung von Flüchtlingen im Seniorenzentrum? Eine besorgte Anfrage eines Bürgers erreichte kürzlich die AfD-Fraktion. Anlass der Besorgnis war die Vermutung einer geplanten Unterbringung von Flüchtlingen im AWO Haus Billetal in Billstedt. Bereits am 1. November 2015 fanden sich in der „Bild“-Zeitung folgende Zitate diesen Sachverhalt betreffend wieder: - Zitat einer Sprecherin des AWO-Landesverbandes: „Das Seniorenzentrum befindet sich in der Prüfphase. Hierbei würde es sich um die Aufnahme von besonders Schutzbedürftigen – Kranken oder älteren Menschen – in einem separaten Bereich und für einen vorübergehenden Zeitraum handeln.“ - Ein Angehöriger eines Heimbewohners wird mit Blick auf Aussagen des Leiters des AWO Hauses Billetal wie folgt zitiert: „Mir hat er (der Leiter) gesagt, dass die Bewohner, denen die Entscheidung nicht passt, ja ausziehen könnten.“ - Ein Sprecher des Bezirksamts Hamburg-Mitte wird wie folgt zitiert: „Die Heimleitung wird vor einer möglichen Unterbringung die Heimaufsicht des Bezirksamts aufsuchen, um die genauen Rahmenbedingungen – vor allem in Bezug auf die dort lebenden Senioren – auszuhandeln.“ - Eine Bewohnerin wird mit den Worten zitiert: „Mir hat eine Angestellte gesagt, dass Flüchtlinge zu uns ins Heim ziehen sollen.“ Diese Aussagen sind von der Verbandsspitze der AWO und der Geschäftsführung des Hauses Billetal als auch von der örtlichen Verwaltung getroffen worden und geben vor dem Hintergrund einer teilweise intransparenten Informationspolitik des Senats in der Vergangenheit zu der Unterbringung von Flüchtlingen berechtigten Anlass zur Sorge. Die Bewohner des Seniorenzentrums und ihre Angehörigen sind verständlicherweise verunsichert und verlangen nach klaren Antworten, die sie anscheinend bis dato nicht erhalten haben. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Grundsätzlich findet in nach § 72 SGB XI (Pflegeversicherung) zugelassenen Pflegeeinrichtungen keine Flüchtlingsunterbringung statt. Pflegeeinrichtungen sind laut § 4 des Versorgungsvertrags nach § 72 SGB XI verpflichtet, alle für die Versorgung Pflegebedürftiger nach Art und Schwere ihrer Pflegebedürftigkeit notwendigen Leistungen Drucksache 21/4928 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 der Pflege nach § 43 SGB XI sowie für Unterkunft und Verpflegung nach § 87 SGB XI zu erbringen; das schließt jedoch nicht aus, dass es in einem Gebäude organisatorisch und wirtschaftlich getrennt unterschiedliche Nutzungsformen nebeneinander geben kann. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der Arbeiterwohlfahrt (AWO) wie folgt: 1. Gibt es Senioren- und Altenheime, in denen Flüchtlinge mit Senioren beziehungsweise Pflegebedürftigen gemeinsam untergebracht sind beziehungsweise waren? Nein. a. Wenn ja, welche Einrichtungen betrifft dieses aktuell als auch in der Vergangenheit? b. Wie, wann und für wie lange ist die Unterbringung von Flüchtlingen jeweils erfolgt? Wie viele Flüchtlinge sind jeweils untergekommen? Bitte in absoluten Zahlen angeben und nach Geschlecht und Alter sowie Herkunft und Religionszugehörigkeit aufführen. c. Welche Erfahrungen hat der Senat mit der Belegung von Flüchtlingen und Senioren beziehungsweise Pflegebedürftigen in einer gemeinsamen Wohnunterkunft? Führte eine Unterbringung von Flüchtlingen zu Konflikten? Wenn ja, bitte erläutern. Entfällt. 2. Welche Überlegungen oder Planungen gab es zur Unterbringung von Flüchtlingen im AWO Haus Billetal? Welche Gründe führten jeweils wann zu diesen Überlegungen oder Planungen? Bitte erläutern Sie den Sachverhalt insbesondere anhand der Positionierung a. der AWO (Verbandsspitze und Geschäftsleitung), b. der Flüchtlingsverbände, c. des Bezirksamts Hamburg-Mitte, d. der Bezirksregierung Hamburg-Mitte e. und des Senats beziehungsweise der entsprechenden Behörde. f. Wenn es diese Überlegungen und Planungen zur Unterbringung von Flüchtlingen nicht gegeben hat, wie erklären sich der Senat beziehungsweise die entsprechenden Behörden die Aussagen einerseits der Verantwortlichen der AWO und andererseits des Bezirksamts Hamburg-Mitte? Der Senat sieht sich in der Verpflichtung, Plätze für Flüchtlinge, die aufgrund ihres gesundheitlichen Zustandes eine über dem Standard in den Erstaufnahmeeinrichtungen hinausgehende Versorgung außerhalb von regulären Erstaufnahmeeinrichtungen benötigen, vorzuhalten. Er hat deshalb mit der AWO geprüft, ob besonders Schutzbedürftige im Haus Billetal untergebracht werden können. Die AWO ist dazu bereit. Die Planungen sind noch nicht abgeschlossen. 3. Wie beurteilen die entsprechenden Verantwortlichen den weiteren Zuzug von Flüchtlingen in einen Stadtteil mit sehr hohen Migrantenanteil wie Billstedt? Wie positionieren sich jeweils a. die AWO (Verbandsspitze und Geschäftsleitung), Nach Einschätzung der AWO prägt die kulturelle Vielfalt den Stadtteil und somit auch das AWO Haus Billetal in der Oskar-Schlemmer-Straße – sowohl in der Belegschaft als auch unter den Bewohnerinnen und Bewohnern. Der Anteil der Bewohnerinnen/ Bewohner im Seniorenzentrum mit Migrationshintergrund beträgt rund 30 Prozent. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/4928 3 b. die Flüchtlingsverbände, c. das Bezirksamt Hamburg-Mitte, d. die Bezirksregierung Hamburg-Mitte e. und der Senat beziehungsweise die entsprechende Behörde? Siehe Antwort zu 2. bis 2. f. 4. Wie viele Plätze stehen in der Einrichtung AWO Haus Billetal aktuell zur Verfügung? Wie viele Plätze davon sind belegt? Wie ist die Entwicklung der letzten fünf Jahre in absoluten Zahlen und welcher Schluss wird daraus gezogen? Im Haus Billetal stehen nach Auskunft der AWO aktuell 155 Betten zur Verfügung. Das bedeutet jedoch nicht, dass 155 Plätze für die Unterbringung von Flüchtlingen genutzt werden. Die Nutzung für Flüchtlinge hängt von den Notwendigkeiten ab. Die übrigen erfragten Daten stellen geschützte Betriebsdaten der AWO beziehungsweise des bis Juli 2014 für das Haus zuständigen Trägers dar; die Betreiber sind diesbezüglich nicht zur Auskunft verpflichtet. 5. Gibt es andere in Haus Billetal untergebrachte Gruppen? Wenn ja, jeweils wie viele von welcher Gruppe und seit wann? Nach Auskunft der AWO: nein. 6. Welche Einnahmen erzielt die AWO durchschnittlich für einen Heimbewohner ? Bitte nach Bewohnern des Seniorenzentrums AWO und einem (zukünftigen) Platz für einen Flüchtling differenzieren. Die Einnahmen für eine Bewohnerin/einen Bewohner setzen sich aus mehreren Komponenten zusammen: Kosten für Pflege, für Unterkunft und Verpflegung sowie Investitionskosten . In der Summe ergeben sich aktuell die folgenden monatlichen Beträge nach Pflegestufen: Heimentgelte je Pflegestufe (PS) PS 0 PS 1 PS 2 PS 3 mtl. (€) mtl. (€) mtl. (€) mtl. (€) 2016 1.970,60 2.668,44 3.203,22 3.836,56 Im Übrigen siehe Antworten zu 2. bis 2. f. und 4. 7. Wie ist die kostendeckende Auslastung des AWO Hauses Billetal? Bitte anhand der letzten fünf Jahre darstellen. Siehe Antwort zu 4. 8. Ist eine Schließung, Reduzierung oder ein Rück- oder Umbau dieses Seniorenzentrums geplant? Wenn ja, bitte erläutern. Nach Auskunft der AWO: nein. 9. Welche aktuellen Überlegungen oder Planungen zur Unterbringung von Flüchtlingen im AWO Haus Billetal gibt es? Bitte erläutern Sie den aktuellen Sachverhalt insbesondere anhand der Positionierung a. der AWO (Verbandsspitze und Geschäftsleitung), b. der Flüchtlingsverbände, c. des Bezirksamts Hamburg-Mitte, d. der Bezirksregierung Hamburg-Mitte e. und des Senats beziehungsweise der entsprechenden Behörde. 10. Ist es geplant, „Flüchtlinge“ oder andere Gruppen im Haus Billetal unterzubringen ? Drucksache 21/4928 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 a. Wenn ja, wie viele von welcher Gruppe und für welchen Zeitraum jeweils? Bitte in absoluten Zahlen sowie nach Geschlecht und Alter als auch Herkunft und Religionszugehörigkeit aufführen. b. Zu welchem Zeitpunkt ist die Unterbringung geplant und wann soll diese beendet werden? Siehe Antwort zu 2. bis 2. f. 11. Wie wollen der Senat beziehungsweise die zuständige Behörde den Interessen/Bedürfnissen einerseits der Heimbewohner und andererseits der Flüchtlinge gerecht werden? 12. Wurden die Bewohner über eine geplante Unterbringung von Flüchtlingen jemals informiert? a. Wenn ja, von wem, wann und mit welchem Ergebnis jeweils? b. Wenn nein, warum nicht? Nach Auskunft der AWO wurden sowohl die Bewohnerinnen und Bewohner als auch die Mitarbeitenden umgehend nach eigener Kenntniserlangung durch die Geschäftsleitung /Einrichtungsleitung von den Überlegungen informiert. Der Wohnbeirat, das Gremium der Bewohner-/-innenvertretung, wurde vorab gesondert und ausführlich informiert. Die Informationen erfolgten mündlich und schriftlich. Im Ergebnis hat sich lediglich ein Angehöriger dagegen ausgesprochen, viele Bewohner/-innen und Mitarbeitende haben sich aktiv dafür ausgesprochen. 13. Welche rechtlichen Voraussetzungen sprechen für eine Unterbringung von Flüchtlingen in einem Senioren- und Altenwohnheim? Soweit es sich um pflegebedürftige Personen handelt, entspricht die Versorgung in einer zugelassenen Pflegeeinrichtung dem Versorgungsauftrag der Pflegeeinrichtung. 14. Welche rechtlichen Bedenken jedweder Art sprechen gegen eine Unterbringung von Flüchtlingen in diesem Seniorenzentrum? Siehe Vorbemerkung.