BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/4956 21. Wahlperiode 28.06.16 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Daniel Oetzel (FDP) vom 21.06.16 und Antwort des Senats Betr.: Abweichung von Fachanweisungen In den vergangenen Monaten spielte in mehreren der tragischen Fälle von zu Schaden gekommenen Kindern in der Obhut der Hamburger Behörden das Abweichen von Standards und Fachanweisungen eine entscheidende Rolle. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der gesetzliche Auftrag der Jugendämter und insbesondere des Allgemeinen Sozialen Dienstes (ASD) ist gekennzeichnet durch eine Vielfalt von Aufgaben, deren Erfüllung er gleichermaßen und oft gleichzeitig sicherstellen muss. Sie umfassen die Beratung, Unterstützung und Vermittlung von Hilfen für Minderjährige und ihre Familien sowie die Ausübung des staatlichen Wächteramtes zur Abwehr von Gefahren für das Kindeswohl . Dabei können die Dienste ihren Falleingang nicht steuern. Sie müssen jedes Anliegen entgegennehmen und die Ausübung des staatlichen Wächteramtes zwingt den ASD, neu eingehende Anliegen und laufende Fälle stets im Hinblick auf mögliche Gefährdungen des Kindeswohls zu überprüfen. Wenn gewichtige Hinweise auf eine Gefährdung des Kindeswohls vorliegen, sind die entsprechenden Fälle unverzüglich und mit höchster Priorität zu bearbeiten. Dies gilt auch bei Spitzenbelastungen durch hohes Fallaufkommen und andere Anliegen beziehungsweise in Abteilungen, die von Personalfluktuation betroffen sind und temporär personelle Vakanzen aufweisen. Durch das im Herbst 2015 eingeführte Personalbemessungssystem (siehe Drs. 21/741 und 21/3845) sind die ASD bedarfsgerecht mit Personalstellen ausgestattet worden. Die ASD wurden um 75,48 Stellen verstärkt. Es werden laufend bundesweite Ausschreibungen durchgeführt, um frei werdende Stellen zügig nachzubesetzen. Die Steuerungsgruppe Jugendhilfe überprüft regelmäßig den Stand der Stellenbesetzung. Wenn sich herausstellt, dass in einzelnen ASD Abteilungen besondere Stabilisierungsmaßnahmen erforderlich sind, werden sie in Abstimmung zwischen der BASFI und dem betroffenen Bezirksamt eingeleitet. Das Personal ist für das im Jahresverlauf zu erwartende Aufkommen von Anliegen und zu bearbeitenden Fällen bemessen worden. Es kann jedoch geschehen, dass dieses Fallaufkommen im Zeitverlauf nicht gleichmäßig eintritt. Wenn zeitweilig überdurchschnittlich viele Anliegen und Fälle zu bearbeiten und zugleich personelle Vakanzen zu verzeichnen sind, kann es nach Auskunft der Bezirksämter in Einzelfällen vorkommen, dass die real verfügbaren personellen Kapazitäten nicht ausreichen, um alle anliegenden Aufgaben gleichzeitig und vollständig zu erfüllen. Weder die BASFI noch die bezirklichen Jugendämter erteilen jedoch Anweisungen, die Fachkräften des ASD gestatten, generell von Fachanweisungen abzuweichen. Welche Anliegen in welcher Priorität und welche Arbeitsschritte in welchen Fällen und in einem festzulegenden Zeitraum nicht oder erst verspätet durchgeführt werden kön- Drucksache 21/4956 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 nen, entscheiden und verantworten die jeweiligen Leitungskräfte vor dem Hintergrund der jeweils spezifischen Situation der betroffenen ASD Abteilung. Dabei hat die Gewährleistung des Kinderschutzes stets höchste Priorität. Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen wie folgt: 1. Von welchen Fachanweisungen können die Jugend-/Bezirksämter nach eigenem Ermessen abweichen? 2. Von welchen Fachanweisungen weichen Jugend-/Bezirksämter unter keinen Umständen nach eigenem Ermessen ab? 3. Welche Verantwortungsträger haben die Autorität, gegenüber Mitarbeitern eine Abweichung von Fachanweisungen anzuordnen? 4. Von welchen Fachanweisungen darf eine Abweichung unter keinen Umständen von Verantwortungsträgern angewiesen werden? 5. Von welchen Fachanweisungen können die Jugend-/Bezirksämter nach Rücksprache mit der BASFI abweichen? 6. Wer trägt die juristische Verantwortung bei einer Abweichung von einer Fachanweisung nach Rücksprache mit der BASFI? 7. Sind die Mitarbeiter, die nach Rücksprache mit der BASFI von einer Fachanweisung abweichen über die möglichen juristischen Risiken aufgeklärt ? Wenn ja, in welcher Form? Wenn nein, warum nicht? 8. Von welchen Fachanweisungen weichen die Jugend-/Bezirksämter auf Anweisung der BASFI ab? Wer ist dazu befugt, diese Anweisung zu geben? 9. Wer trägt die juristische Verantwortung bei einer Abweichung von einer Fachanweisung auf Anweisung durch die BASFI? Siehe Vorbemerkung.