BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/499 21. Wahlperiode 19.05.15 Schriftliche Kleine Anfrage des Abgeordneten Jens Meyer (FDP) vom 13.05.15 und Antwort des Senats Betr.: Wie qualifiziert ist der Hamburger Mietenspiegel? Nach der Kritik von Professor Dr. Walter Krämer an dem Berliner Mietenspiegel sind in der Öffentlichkeit Bedenken hinsichtlich der Aussagekraft des Hamburger Mietenspiegels aufgekommen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: Der Hamburger Mietenspiegel 2013 wurde nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen als qualifizierter Mietenspiegel nach § 558 d BGB erstellt. Er basiert auf einer Erhebung und Auswertung von Daten von GEWOS Institut für Stadt-, Regionalund Wohnforschung GmbH. Das Wohnlagenverzeichnis beruht auf Erhebungen und Auswertungen des Instituts Analyse & Konzepte Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien, Stadtentwicklung mbh. Der seit 1976 bestehende Hamburger Mietenspiegel ist sowohl bei den Marktteilnehmerinnen und Marktteilnehmern als auch bei den Gerichten akzeptiert als Erkenntnisquelle zur Ermittlung der ortsüblichen Vergleichsmiete. Der Mietenspiegel wird von der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt unter fachlicher Begleitung durch den Arbeitskreis Mietenspiegel herausgegeben. Dem Arbeitskreis gehören Vertreter der wohnungswirtschaftlichen Verbände, der Mietervereine und der Rechtsprechung an. Der Hamburger Mietenspiegel wirkt streitvermeidend und rechtsfriedenstiftend. Um diese hohe über viele Jahre entwickelte Akzeptanz zu erhalten, ist die Methodenkonstanz zu den vorangegangenen Mietenspiegeln von besonderer Bedeutung. Folgende Grundsätze und Vorgaben für den qualifizierten Hamburger Mietenspiegel 2013 wurden festgelegt: - Erstellung eines Tabellenmietenspiegels mit Original-Erhebungsdaten und einer angestrebten Mindestfeldbesetzung von 30 Mietwerten je Tabellenfeld - Ziehung einer repräsentativen, disproportional geschichteten Zufallsstichprobe und Optimierung der Erhebungsökonomie, zum Beispiel durch Ausfilterung des nicht zu berücksichtigenden geförderten Wohnraums - Datenerhebung zu etwa gleichen Anteilen bei Mietern und Vermietern - Intensive Rücklaufkontrollen, unmittelbare Plausibilitätskontrollen und zusätzliche Kontrollbefragungen - Ermittlung der Nettokaltmiete unter Ausschluss von sachfremden Zu- oder Abschlägen - Berechnung von Mittelwerten, Spannen und Spannweiten - Berechnung der durchschnittlichen Pauschalen für kalte und warme Betriebskosten (siehe Drs. 20/13756) Drucksache 21/499 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Dies vorausgeschickt, beantwortet der Senat die Fragen teilweise auf der Grundlage von Auskünften der GEWOS GmbH sowie von Analyse & Konzepte Beratungsgesellschaft für Wohnen, Immobilien, Stadtentwicklung mbH wie folgt: 1. Wie viele Stichproben wurden für den Mietenspiegel erhoben? Bitte nominell und prozentuell (als Anteil am Gesamtwohnungsmarkt) angeben . 2. Wie wurde die Auswahl für das Stichprobenfeld ermittelt? 3. Wie viele Haushalte wurden hierfür angeschrieben, wie hoch ist die Rücklaufquote? Der Hamburger Mietenspiegel 2013 ist als Fortschreibung des Mietenspiegels 2011 konzipiert. Daher stellt die Ergebnisstichprobe des Mietenspiegels 2011 den maßgeblichen Ausgangspunkt dar. Für die Stichprobenziehung wurde zunächst eine Datei aller mietenspiegelrelevanten Wohnungen in Hamburg erstellt. In der amtlichen Statistik werden keine mietenspiegelrelevanten Wohnungen erhoben, sodass die Datenbasis anhand von verschiedenen Datenquellen in einem mehrstufigen Verfahren erstellt wurde. Als Basis dienten die Adressen der aktualisierten Wohnlagendatei für den Mietenspiegel 2011. Ergänzt wurden diese Daten um die Haushalte je Adresse, die zum Teil auf der Zählerdatei des Grundversorgers Strom beruhen. So konnten im Vorfeld Ein- und Zweifamilienhäuser aus der Grundgesamtheit gefiltert werden. In einem weiteren Schritt wurden geförderte Wohnungen mit einer Mietpreisbindung herausgefiltert . Für die Ermittlung der mietenspiegelrelevanten Wohnungen im Rahmen des Screenings (Mieterbefragung) wurde eine disproportional geschichtete Stichprobe von insgesamt 112.000 Wohnungen gezogen. GEWOS hat die gezogenen Adressen mit benötigter Haushaltsanzahl an das für das Einwohnerwesen federführende Bezirksamt Harburg übermittelt, durch das die Namen von zufällig gezogenen Haushaltsvorständen hinzugefügt wurden. Für die Vermieterbefragung wurde eine ergänzende, repräsentative Stichprobe von rund 14.000 Wohnungen gezogen. Im Rahmen einer Zusatzstichprobe wurden rund 1.650 Wohnungen in potenziellen Leerfeldern angeschrieben. Davon wurden später rund 450 repräsentative Datensätze zur Auswertung verwendet. Den in der Vermieterstichprobe enthaltenen Wohnungen wurden aus der Kundendatei der Stadtreinigung Hamburg Name und Anschrift der Vermieter/Verwalter zugespielt. In den Mietenspiegel 2011 sind insgesamt 11.015 vollgültige Datensätze eingeflossen. Für den Mietenspiegel 2013 wurde die Stichprobe von 2011 erweitert um Stichproben von Wohnungen, die in den Jahren 2011 und 2012 bezugsfertig wurden, sowie um Wohnungen, die in diesem Zeitraum aus der Bindung gefallen sind und die eine Mietänderung erfahren haben. Im Ergebnis bestand die vollgültige Stichprobe aus 5.731 vollgültigen Datensätzen. Die Grundgesamtheit aller mietenspiegelrelevanten Wohnungen umfasste 542.100 Wohnungen. Zur Ausschöpfung der Bruttostichproben siehe folgende Tabellen: Stichprobe und Rücklauf 2011: Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/499 3 Stichprobe und Rücklauf 2013: Drucksache 21/499 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 Ausschöpfung der Bruttostichprobe Mieter Vermieter Insgesamt absolut relativ absolut relativ absolut relativ Bruttostichprobe (Screening) 20.000 Screeningrücklauf 3.825 Nicht mietenspiegelrelevant 795 Bruttostichprobe (bereinigt ) 3.030 100% 8.143 100% 11.173 100% Befragung nicht möglich 922 30% 922 8% Ohne Rückmeldung 2.094 26% 2.094 19% Rücklauf 2.108 70% 6.042 74% 8.150 73% Ausschluss Sonstige 12 0,4% 122 1% 134 1% Auswertbare Interviews 2.096 69% 5.920 73% 8.016 72% Ausschluss 4-JahresRegel 65 2% 1.248 15% 1.313 12% Ausschluss Gewichtung Vermietertypen 108 4% 864 11% 972 9% Vollgültige Interviews 1.923 63% 3.808 47% 5.731 51% GEWOS 4. Wie wurde sichergestellt, dass die erhaltenen Antworten repräsentativ sind und eine sogenannte Selbstselektion ausgeschlossen ist? Eine Repräsentativität ist nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen gegeben , wenn die Rasterfelder mit mindestens 30 Datensätzen besetzt sind. Diese Rasterfelder des Hamburger Mietenspiegels bilden den darin dargestellten Teilmarkt jeweils repräsentativ ab (vollgültige Felder). Rasterfelder mit weniger als 30 Datensätzen sind nur eingeschränkt repräsentativ und werden daher entsprechend mit * gekennzeichnet. 5. Welche Methode (beispielsweise durch Abzug der durchschnittlichen Betriebskosten pro Quadratmeter) wurde verwendet, um die tatsächliche Nettokaltmiete pro Quadratmeter zu ermitteln? 6. Welche Methodik wird angewendet, um beispielsweise quadratmeterunabhängige Komponenten der Nebenkosten (beispielsweise Antennenanschluss ) adäquat zu berücksichtigen? Beim Hamburger Mietenspiegel werden die Netto-Kaltmieten erhoben. Im Rahmen der Datenauswertung 2013 wurden daher nur solche Wohnungen berücksichtigt, für die eine Nettokaltmiete erhoben werden konnte. Pauschale Abschläge oder Ähnliches wurden nicht vorgenommen. 7. Werden im Hamburger Mietenspiegel Teilinklusivmieten berücksichtigt? Wenn ja, wie wird bei diesen Mieten die Nettokaltmiete ermittelt? Wenn nein, wie rechtfertigt der Senat die dadurch entstehende Verzerrung im Mietenspiegel? Nein. Teilinklusivmieten werden nicht berücksichtigt. Bei einer Teilinklusivmiete können – ebenso wie bei Inklusivmieten – die nicht zur Nettokaltmiete gehörenden Beträge nicht abgezogen werden. Eine Verzerrung im Mietenspiegel wird gerade dadurch vermieden. 8. Welche Methode zur Regressionsanalyse wurde verwendet und aus welchen Grund wurde sich für diese Methode entschieden? Beim Hamburger Mietenspiegel erfolgt die Datenauswertung ausschließlich nach der Tabellenmethodik. Eine Regressionsanalyse findet nicht statt. Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/499 5 9. Wie erfolgte die konkrete Ermittlung der Zu- und Abschläge vom Mittelwert (also der möglichen Spanne)? 10. Mit welcher Methodik erfolgt die Extremwertbereinigung und aus welchen Grund wurde sich für diese Methode entschieden? Vor der eigentlichen Berechnung der Mietwerte erfolgt eine Extremwertbereinigung. Bei Extremwerten handelt es sich um Mietwerte, die signifikant von den anderen Messwerten eines Tabellenfeldes abweichen und deshalb nicht in die weitere Auswertung einbezogen werden sollen. Bei der Erstellung des Hamburger Mietenspiegels 2013 wurde wie 2011 mit dem 99-Prozent-Vertrauensintervall gearbeitet. Dieses Verfahren bedeutet nicht, dass pro Feld pauschal 1 Prozent der Mietwerte aus der Auswertung genommen wird. Es fallen die Werte heraus, die außerhalb des für das jeweilige Mietenspiegelfeld ermittelten Vertrauensintervalls liegen. Die Anzahl der Mietwerte, die durch dieses Verfahren aus den weiteren Berechnungen entfernt werden, hängt daher vom Verteilungsmuster der erhobenen Mietwerte ab. Bei einer Verteilung eng um den Mittelwert des Mietenspiegelfeldes ist es möglich, dass für dieses Feld keine Extremwertbereinigung durchgeführt wird. Sodann erfolgt die Bildung der Zweidrittelspanne durch Kappen von je 1/6 der Mietwerte am oberen und unteren Ende der Skala. 11. Auf welcher Grundlage erfolgte die Einteilung in die drei Ausstattungsklassen ? 12. Wie wurden baualterstypische Besonderheiten berücksichtigt und welche Auswirkungen hat dies auf den Mittelwert des jeweiligen Tabellenfeldes des Mietenspiegels? Der Hamburger Mietenspiegel beschreibt die Struktur des Hamburger Wohnungsmarktes mithilfe der Tabellenmethode in für Hamburg typischen Kategorien von Wohnungen . Diese Kategorien werden durch Kombination von Wohnwertmerkmalen bestimmt und in Rasterfeldern abgebildet. Wohnwertmerkmale sind unter anderem die drei Ausstattungsklassen „ohne Bad und ohne Sammelheizung“, „mit Bad oder Sammelheizung “ und „mit Bad und Sammelheizung“ und die Baualtersklassen. Ob sich eine andere Einteilung zum Beispiel der Baualtersklassen auf den Mittelwert des jeweiligen Rasterfeldes auswirken würde, ist im Rahmen der Datenauswertung für den Mietenspiegel 2013 nicht ermittelt worden. 13. Welche konkreten Kriterien sind in die Bewertung der Wohnlagen eingeflossen und wie wurde der „überwiegende Eindruck des näheren Wohnumfeldes “ ermittelt? Das Wohnlagenverzeichnis dient als Arbeitsgrundlage zur Ermittlung der Grundlagendaten des Hamburger Mietenspiegels. Für die Wohnlageneinstufung werden auf Ebene der Straßenabschnitte (Blockseiten) Merkmale des Wohnquartiers erhoben. Die Merkmale werden bewertet und führen zum Gesamtergebnis Wohnlage „gut“ oder Wohnlage „normal“. Die Wohnlagenindikatoren erfahren nachfolgend aufgeführte Gewichtungen, die im gesamten Hamburger Stadtgebiet identisch sind: Indikatoren Quelle Einfluss  Gebietsstatus: amtliche Statistik/ 0,88 (Bodenrichtwert, Bevölkerungs- aktuelles Struktur, Wohnlagenniveau Wohnlagenverzeichnis im statistischen Gebiet)  Verdichtung: Begehungen/ 0,40 (Anzahl der Stockwerke, amtliche Statistik Bebauungsdichte, Einwohnerdichte)  Grünflächenanteil: amtliche Statistik 0,30 (Grünflächenanteil in 800 m) Drucksache 21/499 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 6  ÖPNV-Anbindung: amtliche Statistik 0,26 (Entfernung zu U-, S-, AKN-Bahnen)  Belastung durch Lärmquellen: Begehungen 0,14 (Gewerbe, Bahn, Schulen und so weiter)  Verkehrsbelastung: Begehungen 0,10 (Art der Straße) Die unter „Einfluss“ zu findenden Zahlen sind keine Gewichtsfaktoren im klassischen Sinn, da sie in der Summe nicht 100 Prozent ergeben. Die einzelnen Zahlen müssen vielmehr so interpretiert werden, dass zum Beispiel der Gebietsstatus, der die allgemeine Wertschätzung, also das sogenannte Image von Wohngebieten, abbildet, einen gut doppelt so starken Einfluss auf die Wohnlageneinstufung hat wie die Verdichtung und sogar einen gut achtfach so starken Einfluss wie die Verkehrsbelastung. Damit erfolgt die Zuordnung zu einer Wohnlage ausschließlich auf objektiv messbaren und erfassbaren Faktoren. Die Wohnlagenzuordnung wird alle zwei Jahre im Rahmen der Fortschreibung beziehungsweise Neuerstellung des Mietenspiegels überprüft. Hierzu werden sowohl Datenanalysen als auch Vor-Ort-Begehungen bei den Gebieten durchgeführt, bei denen es Hinweise auf eine mögliche Veränderung der Wohnlageeinstufung gibt. Der „überwiegende Eindruck des näheren Wohnumfeldes“ wird entsprechend über unterschiedliche Indikatoren operationalisiert. Hierzu zählen: Verdichtung, Lärmbelastung und Art der Straße. 14. Wie viel Prozent der Wohnlagen nach Wohnlagenverzeichnis sind als „normale“ Wohnlagen definiert? Rund zwei Drittel der bewerteten Blockseiten weisen eine normale und etwa ein Drittel eine gute Wohnlage aus. 15. Welche Merkmale werden zur Bestimmung der Homogenität einer Wohnlage betrachtet? Wie wird beispielsweise die Homogenität zwischen innerstädtischer Wohnungen der Wohnlage „gut“ mit peripheren gelegenen Wohnungen der gleichen Wohnlage sichergestellt? Die Wohnlageneinordnung findet auf der sehr kleinräumigen Ebene der „Baublockseite “ statt. Diese kleinräumigen Gebietseinheiten sind in sich weitgehend homogen. Bei der Zuordnung einer Wohnlage wird nicht zwischen verschiedenen Stadtgebieten unterschieden, das heißt die Kriterien und Maßstäbe sind für alle Wohngebäude und Stadtteile gleich. Unterschiedliche Kriterien beziehungsweise Bewertungsmaßstäbe etwa für innerstädtische oder periphere Stadtgebiete sind dadurch nicht erforderlich. 16. Plant der Senat eine Veränderung bei der Systematik zur Erstellung des Hamburger Mietenspiegels 2015? Wenn ja, welche Änderungen sind geplant? Nach Beratung mit dem Arbeitskreis Mietenspiegel soll für den Hamburger Mietenspiegel 2015 eine Teilung der bisherigen Baualtersklasse 1994 bis 2012 in zwei Baualtersklassen 1994 bis 2010 und 2011 bis 2014 erfolgen. Zudem sollen die Spalten A, E und G wegfallen, da die dort abgebildeten Wohneinheiten in der Realität kaum vorkommen .