BÜRGERSCHAFT DER FREIEN UND HANSESTADT HAMBURG Drucksache 21/5021 21. Wahlperiode 05.07.16 Schriftliche Kleine Anfrage der Abgeordneten Heike Sudmann (DIE LINKE) vom 27.06.16 und Antwort des Senats Betr.: „Bündnis für das Wohnen“: 9.000 teure Wohnungen und nur 3.000 öffentlich geförderte Wohnungen jährlich sind kein Drittelmix! Verpflichtungen für Wohnungswirtschaft fehlen Am 07.06.2016 wurde das neue „Bündnis für das Wohnen in Hamburg“ von Senat und Wohnungswirtschaft öffentlichkeitswirksam unterzeichnet. Die Vereinbarung enthält für die Freie und Hansestadt Hamburg diverse verbindliche Verpflichtungen: Verkauf städtischer Grundstücke für mindestens 2.000 Wohnungen jährlich, keine Erhöhung der Grunderwerbssteuern in den nächsten vier Jahren, weitere soziale Erhaltungsverordnungen nur im Einvernehmen mit der Wohnungswirtschaft et cetera. Aufseiten der Wohnungswirtschaft bestehen die Verpflichtungen fast ausschließlich aus einem „Einwirken “ auf die Mitgliedsunternehmen, jedoch ohne konkrete Zielzahlen/ -definitionen. Entsprechend unverbindlich sind auch die Formulierungen, dass die Freie und Hansestadt Hamburg von der Wohnungswirtschaft 30 Prozent öffentlich geförderte Wohnungen im Geschosswohnungsneubau fordern „kann“ oder dass sie ab 30 Wohneinheiten die Errichtung von öffentlichen geförderten Wohnungen fordern „darf“. Mittlerweile liegt auch die Neufassung für den sogenannten Vertrag für Hamburg – Wohnungsneubau zwischen Senat und den Bezirken vor. Hier geht es plötzlich nicht mehr um 10.000 Baugenehmigungen jährlich, sondern um 12.000 Genehmigungen – ohne eine adäquate Steigerung des Anteils der öffentlich geförderten Wohnungen. Vor diesem Hintergrund frage ich den Senat: 1. In der letzten Legislaturperiode hat der Senat den sogenannten Drittelmix im Wohnungsneubau wie ein unumstößliches Mantra vor sich hergetragen (je ein Drittel öffentlich geförderte Wohnungen, frei finanzierte Mietwohnungen und Eigentumswohnungen). Wie hoch war bei den jährlich fertiggestellten Wohnungen von 2011 bis 2015 jeweils der Anteil a. der öffentlich geförderten Wohnungen im 1. Förderweg, b. der öffentlich geförderten Wohnungen im 2. Förderweg, Anzahl Wohneinheiten Mietwohnungsneubau – Fertigstellungen nach FW Jahr 2011 2012 2013 2014 2015 Förderweg Anzahl Anteil in % Anzahl Anteil in % Anzahl Anteil in % Anzahl Anteil in % Anzahl Anteil in % 1. Förderweg 1.182 31,70 607 16,00 1.330 20,76 2.005 28,75 2.148 25,21 Drucksache 21/5021 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 2 Anzahl Wohneinheiten Mietwohnungsneubau – Fertigstellungen nach FW Jahr 2011 2012 2013 2014 2015 Förderweg Anzahl Anteil in % Anzahl Anteil in % Anzahl Anteil in % Anzahl Anteil in % Anzahl Anteil in % 2. Förderweg 0 0 1 0,03 0 0,00 34 0,49 42 0,49 Summe 1.182 31,70 608 16,03 1.330 20,76 2.039 29,24 2.190 25,70 Quelle: IFB Hamburg, Stand: 02.06.2016 c. der frei finanzierten Wohnungen und Die Anzahl der frei finanzierten Wohnungen wird statistisch nicht erfasst. d. der Eigentumswohnungen? Baufertigstellungen im Wohn- und Nichtwohnbau in Hamburg von 2011 – 2015 Jahr Fertiggestellte Wohnungen insgesamt 1) darunter in Gebäuden mit Eigentumswohnungen Anzahl in % an insgesamt 2011 3.729 1.072 28,7 2012 3.793 936 24,7 2013 6.407 2.290 35,7 2014 6.974 1.460 20,9 2015 8.521 2.223 26,1 1) einschließlich Baumaßnahmen an bestehenden Gebäuden Quelle: Statistikamt Nord 2. In dem neuen „Bündnis für das Wohnen“ vom Juni 2016 findet sich kein Hinweis auf den Drittelmix. Auf Seite 4 steht die Aussage: „Das Bündnis ist offen für alle Formen des Wohnens in der Stadt, dies gilt sowohl für Mietwohnungen als auch für selbstgenutztes Wohneigentum . Den Partnern sind alle Geschäftsmodelle, die sich mit Bau, Vermietung und Kauf von Wohneigentum befassen, willkommen.“ Lediglich für den öffentlich geförderten Wohnungsbau wird ein Anteil von 30 Prozent an der jährlichen Zahl von Wohnungsbaugenehmigungen angestrebt. Da statt eines echten Drittels (33,3 Prozent) nur 30 Prozent festgelegt wurden, reduziert sich bei der angegebenen Zielzahl von 10.000 jährlichen Genehmigungen die Zahl von 3.330 auf 3.000 öffentlich geförderte Wohnungen, was für die gesamte Legislatur einen Verzicht auf 1.650 preisgünstigere Wohnungen ausmacht. a. Weshalb wurde kein Drittel, sondern nur ein 30-prozentiger Anteil festgelegt? b. Mit welchen Maßnahmen soll der Verzicht auf 1.650 geförderte Wohnungen im Laufe der Legislatur ausgeglichen werden? Der Anteil von geförderten Wohnungen bleibt auch in der neuen Bündnisvereinbarung für die 21. Legislaturperiode in gleicher Höhe wie in der bisherigen Bündnisvereinbarung bestehen. Auch im ersten Bündnis für das Wohnen hatten sich die Wohnungsverbände 2011 verpflichtet, auf ihre Mitgliedsunternehmen einzuwirken, bei ihren Neubauvolumina einen Anteil von 30 Prozent geförderten Mietwohnungsbau zu realisieren . Dieser Anteil wurde ebenso im Vertrag für Hamburg 2011 festgeschrieben. c. Welche Regelungen hinsichtlich der „Form des Wohnens“ beziehungsweise der „Geschäftsmodelle“ wurden für die anderen 7.000 Baugenehmigungen getroffen (bitte gegebenenfalls mit Angabe der Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode Drucksache 21/5021 3 Fundstelle im Vertrag)? Falls es keine Regelungen gibt: weshalb nicht? In der Vereinbarung zum Bündnis für das Wohnen in Hamburg für die 21. Legislaturperiode sind keine Regelungen für frei finanzierten Wohnungsbau getroffen worden. Das Zitat der Fragestellerin im Eingang zur Frage 2. stellt das gemeinsame Anliegen der Bündnispartner hierzu dar. d. Welche Rolle spielte bei der Festlegung auf 3.000 öffentlich geförderte Wohnungen beziehungsweise Baugenehmigungen jährlich der Anteil der Hamburger Haushalte, deren Einkommen so niedrig ist, dass sie Anspruch auf eine öffentlich geförderte Wohnung erheben können? e. Welche Rolle spielte bei der Festlegung auf 3.000 öffentlich geförderte Wohnungen beziehungsweise Baugenehmigungen jährlich das Auslaufen der Sozialbindung von allein 14.932 Sozialwohnungen in den Jahren 2016 bis 2018 (vergleiche Große Anfrage Drs. 21/780, Anlage)? Aufgrund der hohen Zahl von Haushalten innerhalb der Einkommensgrenzen des ersten Förderwegs wurde die Förderkapazität nochmals erhöht auf die Förderung von 2.300 Wohnungen in 2016 und ab 2017 von 3.000 Wohnungen pro Jahr. Bei der Bewertung der Folgen der Bindungsausläufe ist zu berücksichtigen, dass nach dem Ende der Mietpreis- und Belegungsbindungen die ehemaligen Sozialwohnungen nicht grundsätzlich ihre Versorgungsfunktion für Haushalte mit niedrigeren Einkommen verlieren. Einerseits wirken die Mietpreisbindungen auch über den Förderzeitraum hinaus, da die Mieten der ehemaligen Sozialwohnungen nur schrittweise (maximal 15 Prozent in drei Jahren) bis zur ortsüblichen Vergleichsmiete angehoben werden können. Weiterhin gewährleisten insbesondere die Bestände der Genossenschaften und von SAGA GWG mit insgesamt über 200.000 ungebundenen Wohnungen zusätzlich zum Sozialwohnungsbestand ein großes Angebot an preisgünstigen Mietwohnungen für Haushalte innerhalb der Einkommensgrenzen. Bei vielen dieser Wohnungen handelt es sich um ehemalige Sozialwohnungen, die insoweit durch den Bindungsauslauf nicht ihre Funktion verloren haben. Dies gilt insbesondere für die Bestände von SAGA GWG. Hier wird durch den Kooperationsvertrag gewährleistet, dass unabhängig vom Umfang des jährlichen Bindungsauslaufs und der Entwicklung des Sozialwohnungsbestandes immer eine gleichbleibend hohe Zahl von sozialwohnungsberechtigten Haushalten mit preiswertem Wohnraum versorgt wird. f. Welche Rolle spielte bei der Festlegung auf 3.000 öffentlich geförderte Wohnungen beziehungsweise Baugenehmigungen jährlich der Wunsch der Wohnungswirtschaft nach frei finanziertem und Eigentumswohnungsbau , mit dem sich erhebliche Profite erzielen lassen? Keine. 3. Während im „Bündnis für Wohnen“ eine Zielzahl von jährlich 10.000 Baugenehmigungen festgeschrieben wird, geht es in dem „Vertrag für Hamburg – Wohnungsneubau“ um 12.000 Baugenehmigungen. Unter Nummer 9 heißt es dort: „Die Bezirksämter werden bei der Umsetzung ihrer Wohnungsbauziele unterstützt. Sie können, dürfen und sollen zusätzliches Personal einstellen, um die Zahl der Wohnungsbaugenehmigungen dauerhaft auf dem bisher erreichten Niveau von rund 10.000 genehmigten Wohneinheiten pro Jahr zu halten und darüber hinaus Kapazitäten zur Schaffung von Planrecht und zur Erteilung von Baugenehmigungen für 12.000 Wohneinheiten pro Jahr bereit zu stellen. ... Aus dem Förderfonds Bezirke erhalten die Bezirksversammlungen pro genehmigter Wohnung 250 €. Werden mehr Drucksache 21/5021 Bürgerschaft der Freien und Hansestadt Hamburg – 21. Wahlperiode 4 als 12.000 Wohnungen genehmigt, wird der Ausschüttungsbetrag pro genehmigte Wohnung proportional gekürzt.“ Es gibt in dem Vertrag keinen Hinweis darauf, dass die erhöhte Baugenehmigungszahl auch zu einer Erhöhung des Anteils der öffentlich geförderten Wohnungen führen wird. a. Weshalb gibt es keine Regelung, die bei einer Erhöhung der angestrebten Baugenehmigungen auch zu einem verbindlich erhöhten Anteil der öffentlich geförderten Wohnungen führt? b. Stimmt der Senat mir zu, dass 3.000 öffentlich geförderte Wohnungen einem Anteil von 25 Prozent bei 12.000 jährlichen Baugenehmigungen entsprechen? Der aktuelle „Vertrag für Hamburg – Wohnungsneubau“ zwischen Senat und den Bezirken aus dem Jahr 2011 hat zum Ziel, die Zahl der genehmigten Wohnungen so zügig wie möglich auf 6.000 pro Jahr zu steigern und in Projekten mit Mietwohnungsneubau einen Anteil von 30 Prozent öffentlich geförderten Wohnungen für Haushalte mit mittlerem und geringem Einkommen zu erreichen. Der Entwurf einer Neufassung des „Vertrags für Hamburg – Wohnungsneubau“ wird zurzeit zwischen Fachbehörden und Bezirken abgestimmt. Eine Neufassung liegt noch nicht vor.